Hertzflimmern für die Forschung – Wie das Gehirn visuelle Reize auswählt

Demnach reagiert das Gehirn zunächst auf unbewusster Ebene mit diesen Hirnströmen auf selektierte Signale, auf die Aufmerksamkeit gelenkt wird und welche somit effizienter verarbeitet werden.

Eine internationale Studie, an der auch LMU-Forscher maßgeblich beteiligt waren, konnte nun zeigen, dass externale Gamma-Aktivität die Reaktionszeit auf ein Signal tatsächlich verkürzen kann.

„Ging dem Ort des gesuchten Stimulus ein Flimmern von 50 Hertz voran, so reagierten die Probanden deutlich schneller darauf“, berichtet Dr. Frank Bauer, einer der beiden Erstautoren der Arbeit. „Dieses Flimmern kann nicht bewusst wahrgenommen werden, es liegt aber im Bereich der Gamma-Bandes und löst im Gehirn wohl entsprechend hochfrequente Ströme aus – die dann die Aufmerksamkeit an diesen Ort des visuellen Feldes lenken.“ (PNAS Early Edition, 5. Januar 2009)

Die elektrische Aktivität der Neuronen im menschlichen Gehirn lässt sich als Spannungsschwankung an der Kopfoberfläche nachweisen. Je nach Frequenz – also Anzahl der neuronalen Signale pro Sekunde – fallen diese Hirnströme in unterschiedliche Bereiche, die charakteristisch für bestimmte Lebensphasen und Bewusstseinszustände sind. Alpha-Wellen von rund zehn Hertz kennzeichnen etwa eine entspannte Wachheit, während Delta-Wellen von nur wenigen Hertz typisch sind für das kindliche Gehirn – oder aber Erwachsene im Tiefschlaf.

Vor einigen Jahren wurden zusätzlich zu diesen und anderen Frequenzbereichen die Gamma-Wellen entdeckt, deren Funktionen erst noch vollständig entschlüsselt werden müssen. Sicher ist, dass diese hochfrequenten Hirnströme im Bereich von 40 bis 70 Hertz bei komplexen Funktionen des Gehirns auftreten – und uns möglicherweise bei der Suche nach der Nadel im Heuhaufen helfen. Neurowissenschaftlich ist unter anderem die Frage nach den Vorgängen im Gehirn interessant, wenn nur einzelne visuelle Signale bei einer Fülle anderer Reize selektiv und schnell verarbeitet werden sollen.

Nach der erst vor kurzem formulierten „Attention-Gamma“-Hypothese wird Aufmerksamkeit über die Synchronisierung von Neuronen im Gamma-Bereich vermittelt. Demnach löst die Zuwendung von Aufmerksamkeit Gamma-Wellen im Gehirn aus, die eine bevorzugte Verarbeitung von Signalen ermöglicht. In der vorliegenden Studie versuchten die Forscher von außen Gamma-Aktivität im Gehirn der Probanden auszulösen, um die Auswirkung dieser Hirnströme auf die Reaktionszeit der Teilnehmer zu testen.

„Die Probanden sollten bestimmte Reize, die an einer von drei möglichen Positionen auf einem Bildschirm auftauchen, möglichst schnell entdecken“, berichtet Bauer. „Wenn an derselben Stelle vor dem Reiz ein Flimmern im Gamma-Bereich auftrat, hatten die Probanden eine deutlich verkürzte Reaktionszeit: Sie reagierten also schneller auf das nachfolgende Signal. Wir vermuten, dass das Flimmern von 50 Hertz entsprechende Gamma-Aktivität im Gehirn der Probanden verursacht.“ Obwohl die Teilnehmer das Gamma-Signal selbst nicht bewusst wahrnehmen können, würde so ihre Aufmerksamkeit auf den Zielort gelenkt, wo kurz darauf das gesuchte Signal zu sehen ist.

In weiterführenden Experimenten konnten die Forscher zudem nachweisen, dass der Effekt eine maximale Wirkung bei 50 Hertz erzielt, während der Effekt bei niedrigeren Frequenzen von maximal 35 Hertz nicht mehr signifikant war. Zudem trat die Wirkung nur auf, wenn das Flimmern für mehr als 200 Millisekunden, also Tausendstel Sekunden, vor der Präsentation des gesuchten Signals stattfand. „Wir werden das Projekt auf jeden Fall fortführen“, berichtet Bauer. „Denn jetzt geht es darum, auch die elektrische Aktivität des Gehirns bei diesen Prozessen zu verfolgen.“

Publikation:
„Gamma flicker triggers attentional selection without awareness“,
Frank Bauer, Samuel W. Cheadle, Andrew Parton, Hermann J. Müller, and Marius Usher, PNAS Early Edition, 5. Januar 2009
Ansprechpartner:
Dr. Frank Bauer
Abteilung für Allgemeine und Experimentelle Psychologie der LMU
Tel.: 089 / 2180 – 2975
Fax: 089 / 2180 – 5211
E-Mail: fbauer@lmu.de

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Luise Dirscherl idw

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