Hilfe für das geschwächte Herz

Professor Dr. Kai Wollert (links) und Dr. Mortimer Korf-Klingebiel mit der Ultraschallaufnahme eines Mäuseherzens.
Copyright: Karin Kaiser / MHH

MHH-Forschungsteam weist nach, wie Entzündungszellen die Funktion kranker Herzmuskelzellen verbessern.

Herzschwäche oder Herzinsuffizienz zählt zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland und wird durch Herzinfarkte, Bluthochdruck oder Herzklappenfehler verursacht. Das Herz ist dann nicht mehr in der Lage, eine ausreichende Menge Blut durch den Körper zu pumpen und Organe, Muskeln oder andere Gewebe ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Betroffene leiden häufig unter Atemnot und sind im Alltag nur noch eingeschränkt belastbar. In Deutschland leiden rund zwei Millionen Menschen unter Herzinsuffizienz, die häufig mit einer Entzündung im Herzmuskelgewebe einhergeht. Diese hat einen schlechten Einfluss auf den Krankheitsverlauf.

Bisherige Versuche, die Entzündung mit Hilfe von Medikamenten zu unterdrücken, waren erfolglos. Dadurch kam die Vermutung auf, dass die Entzündung vielleicht auch ihr Gutes haben könnte. Jetzt hat ein Forschungsteam um Professor Dr. Kai Wollert, Leiter der Molekularen und Translationalen Kardiologie an der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), erstmals nachgewiesen, wie eine Entzündung das schwache Herz unterstützen kann. Dabei produzieren ins Herz eingewanderte weiße Blutkörperchen einen Wachstumsfaktor namens MYGDF, der die Leistung der Herzmuskelzellen verbessert. Die Arbeit ist jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Circulation veröffentlicht worden.

Bei Druckbelastung setzen weiße Blutkörperchen Wachstumsfaktor frei

Herzinsuffizienz ist einer der Forschungsschwerpunkte an der Klinik für Kardiologie und Angiologie unter der Leitung von Professor Dr. Johann Bauersachs. „Bei Herzinsuffizienz versucht das geschwächte Herz, seine verminderte Pumpleistung auszugleichen, indem es an Muskelmasse zunimmt, also größer wird“, erklärt Professor Wollert. Anders als bei einem trainierten Sportlerherz führt dieses Wachstum aber nicht zu einer besseren Herzleistung. Die einzelnen Herzmuskelzellen werden zwar immer größer, ihre Leistungsfähigkeit nimmt jedoch ab und das Organ wird durch die permanente Drucküberlastung immer schwächer. Von weißen Blutkörperchen ausgelöste Entzündungsprozesse verschlechtern die Herzfunktion zusätzlich. Es gibt allerdings Ausnahmen. Im Mausmodell hat das Forschungsteam eine Wechselwirkung zwischen bestimmten Entzündungszellen und Herzmuskelzellen identifiziert, die das Herz schützt. Eine entscheidende Rolle spielen Monozyten und Makrophagen. „Diese Entzündungszellen setzen bei Drucküberlastung MYGDF frei, welches das krankhafte Herzmuskelwachstum hemmt und die Funktion der Herzmuskelzellen verbessert“, sagt der Kardiologe.

MYGDF aktiviert Kalziumpumpe in den Herzmuskelzellen

MYDGF hilft geschwächten Herzmuskelzellen, wieder besser zu funktionieren, indem es den Kalziumhaushalt der Zelle beeinflusst. Damit sich Herzmuskelzellen nach einem Herzschlag wieder entspannen können, muss Kalzium in einen Speicher innerhalb der Zelle zurückgepumpt werden. Beim nächsten Herzschlag steht das Kalzium dann wieder zur Verfügung. Bei Herzinsuffizienz ist dieser Kalziumtransport gestört, und die Muskelkraft nimmt ab. „MYGDF reguliert die Kalziumpumpe hoch, so dass die Herzmuskelzellen wieder besser arbeiten können“, erläutert Dr. Mortimer Korf-Klingebiel, Biologe und Erstautor der Studie.

Ob das alles auch für den Menschen bedeutend ist, hat das Team bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz infolge einer Aortenstenose untersucht. Bei dieser Erkrankung ist die Herzklappe zwischen der Herzkammer und der Hauptschlagader (Aorta) stark verengt, so dass das Herz gegen einen erhöhten Druck arbeiten muss. In Blutproben dieser Patienten fanden sich deutlich erhöhte MYDGF-Spiegel. Wurde bei den Patienten nun im Herzkatheterlabor eine künstliche Herzklappe eingesetzt, sank der MYGDF-Spiegel auf Normalwerte ab. Drucküberlastung führt also auch beim Menschen zur MYDGF-Freisetzung.

Die Arbeit zeige, dass die positiven Aspekte einer Entzündung bedacht werden müssten, wenn man über entzündungshemmende Therapien bei Herzinsuffizienz nachdenke, betonen Professor Wollert und sein Team. Zudem könnte der Wachstumsfaktor MYGDF möglicherweise selbst als Therapie bei Herzinsuffizienz verabreicht werden. „Bei Mäusen funktioniert das schon ziemlich gut“, sagt der Kardiologe. Die Verwendung von MYGDF als neues Medikament bei Herzinsuffizienz haben die Forschenden jedenfalls schon mal zum Patent angemeldet.

SERVICE:

Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Kai Wollert, wollert.kai@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-4055.

Die Originalarbeit „Myeloid-Derived Growth Factor Protects Against Pressure Overload-Induced Heart Failure by Preserving Sarco/Endoplasmic Reticulum Ca2+-ATPase Expression in Cardiomyocytes” finden Sie hier: https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.053365

https://www.mhh.de/

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Stefan Zorn Stabsstelle Kommunikation
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