Immuntherapie mit Pembrolizumab verbessert Chancen bei fortgeschrittenem Lungenkrebs

Immunfärbung von Material aus Tumoren: Eine detaillierte genetische und proteinbiochemische Untersuchung ermöglicht eine passgenauere Behandlung. Foto: ©E. Shambroom/ARCN

Lungenkrebs ist die Krebsart mit den meisten Sterbefällen und gleichzeitig die vierthäufigste Todesursache in Deutschland. Dabei unterscheidet man den „nicht-kleinzelligen Lungenkrebs“ (kurz NSCLC = non small cell lung cancer) und den „kleinzelligen Lungenkrebs“.

Rund 80 Prozent der Lungenkrebserkrankten ist vom NSCLC betroffen. Dieser metastasiert oftmals früh und geht aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten mit einer hohen Sterberate einher.

Die Therapie des Lungenkrebses wird zurzeit durch Immuntherapien mit Antikörpern revolutioniert. Diese wirken gezielter und haben weniger Nebenwirkungen als Standard-Chemotherapeutika. Daher waren die Erwartungen an die Phase-III-Studie „KEYNOTE-024“ hoch.

Ansatzpunkt der Studie war das Protein PD-1 (programmed cell death-1), welches auf sogenannten T-Zellen vorkommt. T-Zellen sind im Immunsystem dafür zuständig, körperfremde Strukturen zu erkennen. Tumorzellen unterlaufen diese Kontrolle, indem sie das Molekül PD-L1 produzieren, das an PD-1 bindet und die T-Zell-Funktion unterdrückt. PD-1 und PD-L1 sind also gemeinsam dafür verantwortlich, dass Tumore der Erkennung durch das Immunsystem entgehen.

Der in der Studie eingesetzte Antikörper Pembrolizumab erkennt das Protein PD-1 und verhindert, dass es an PD-L1 bindet. Im Gegensatz zu früheren Studien (z. B. mit dem Antikörper Nivolumab) wurden mit Pembrolizumab nur diejenigen Patienten mit metastasiertem nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC) behandelt, bei denen die Tumorzellen sehr viel PD-L1 aufwiesen.

Das Ergebnis ist vielversprechend: Pembrolizumab ist der Standard-Therapie mit Chemotherapeutika in allen Wirksamkeitskriterien überlegen. Die Patienten lebten insgesamt länger, zeigten über eine längere Periode keinen Krankheitsfortschritt und hatten zudem weniger schwere Nebenwirkungen. Darüber hinaus sprachen ihre Tumore besser und länger auf die Antikörpertherapie an als auf Chemotherapeutika. Lediglich Nebenwirkungen, die das Immunsystem betrafen, traten etwas häufiger auf.

Ein Ziel der Forschung ist es, genauer auf den Patienten zugeschnittene Behandlungen zu entwickeln. Diese spezifischen Therapien haben den Vorteil, dass sie oft nebenwirkungsärmer sind. Folgerichtig werden Patienten heute vor Behandlungsbeginn genauer genetisch typisiert und die Proteinexpression ihrer Tumore detaillierter untersucht.

So kann man Patienten identifizieren, die bestimmte Mutationen – beispielsweise im EGF-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor) – aufweisen, und sie anschließend mit auf diesen Rezeptor zugeschnittenen Tyrosin-Kinase-Inhibitoren behandeln. Allerdings ist die Zahl der Patienten mit solchen Genmutationen zum Teil klein.

Im Gegensatz dazu wurde bei 30 Prozent der untersuchten Patienten eine hohe PD-L1-Expression gefunden. Das heißt, dass für knapp ein Drittel aller Patienten mit metastasiertem NSCLC nun eine verbesserte Behandlungsmethode mit Pembrolizumab vorliegt.

„Diese Möglichkeit wird Diagnostik und Therapie von nicht vorbehandelten Patienten mit Lungenkrebs grundsätzlich verändern“, sagt Prof. Reck von der LungenClinic Grosshansdorf. „Patienten mit einer hohen PD-L1-Expression müssen so früh wie möglich identifiziert werden, da wir für sie nun eine substanziell bessere Therapiemöglichkeit haben“, so der Onkologe. Es wird erwartet, dass die Zulassung von Pembrolizumab in den nächsten Monaten erfolgt.

Weitere Informationen:

Aktuelle Publikation zur Studie:

Reck M, Rodriguez-Abreu D, Robinson AG, Hui R, Csoszi T, Fulop A, Gottfried M, Peled N, Tafreshi A, Cuffe S, O'Brien M, Rao S, Hotta K, Leiby MA, Lubiniecki GM, Shentu Y, Rangwala R, Brahmer JR, Investigators K- (2016). Pembrolizumab versus Chemotherapy for PD-L1-Positive Non-Small-Cell Lung Cancer. N Engl J Med [Epub ahead of print]

Externer Link zur Publikation:

http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1606774

Über das DZL:

Das im Jahr 2011 gegründete Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL e. V.) ist ein vom BMBF und Ländern geförderter Verbund von derzeit 24 führenden universitären und außer-universitären Forschungseinrichtungen, der sich der translationalen Lungenforschung auf acht Krankheitsgebieten widmet. Ziel ist es, zügig neue Ansätze für die Prävention, Diagnose und Therapie von Lungenerkrankungen zu entwickeln. Nähere Informationen zum Deutschen Zentrum für Lungenforschung finden Sie unter http://www.dzl.de.

Kontakt für Rückfragen zur Publikation:

Dr. Jörn Bullwinkel
Standortkoordinator des Airway Research Center North (ARCN)
im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL), LungenClinic Grosshansdorf GmbH,
Tel.: 04102 601 2410, E-Mail: J.Bullwinkel@lungenclinic.de

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