MHH-Forscher entdeckt: Ein Muskelprotein hilft bei der Eizellteilung

Professor Dr. Georgios Tsiavaliaris, wie er mit Hilfe des 3D-Fluorenszenzmikroskops einen Blick in die menschliche Eizelle wirft. Quelle: MHH / Karin Kaiser

Die Weichen für die Geburt eines gesunden Kindes werden schon früh gestellt. Bereits vor der eigentlichen Befruchtung müssen die Eizellen der Frau ihr Erbgut aufteilen und ihren doppelt angelegten Chromosomensatz von 46 auf 23 Exemplare halbieren.

Die als Meiose bezeichnete Reifeteilung funktioniert jedoch nicht immer fehlerfrei. Trennen sich die Chromosomen nicht exakt und verbleiben zu viele oder zu wenige von ihnen in der Eizelle, entsteht nach der Befruchtung ein Embryo mit falscher Chromosomenzahl.

Die Folge sind Fehlgeburten oder genetische Störungen wie etwa das Down-Syndrom, bei dem das Chromosom 21 dreifach vorhanden ist.

Die molekularen Ursachen für mögliche Fehlverteilungen sind bislang nur unzureichend erforscht. Professor Dr. Georgios Tsiavaliaris, Leiter der Arbeitsgruppe Zelluläre Biophysik am MHH-Institut für Biophysikalische Chemie, hat nun einen entscheidenden Mechanismus für den störungsfreien Ablauf der exakten Chromosomenteilung erstmals in der menschlichen Eizelle aufklären können.

Offenbar spielen hochdynamische Mikrofilamente aus dem Strukturprotein Aktin eine entscheidende Rolle in allen wichtigen Phasen der menschlichen Eizellreifung. Die Ergebnisse sind jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht worden.

Bevor sich die Chromosomenpaare aufteilen, bildet die Eizelle in ihrem Inneren eine Struktur aus, die den Prozess steuert. Der sogenannte Spindelapparat ordnet die Chromosomen paarweise in einer Ebene an und zieht dann jede Hälfte zu den gegenüberliegenden Spindelpolen.

„Solche Prozesse sind vor allem in Mäusen erforscht“, erklärt Professor Tsiavaliaris. „Wir haben die Vorgänge in unbefruchteten menschlichen Eizellen untersucht, die wir von Spenderinnen für unsere Forschung aus der Klinik für Reproduktionsmedizin in Bad Münder erhalten.“

Mit Hilfe fluoreszenzmikroskopischer 3D-Bildgebungsverfahren konnten der Biochemiker und sein Mitarbeiter Johannes Roeles zeigen, dass sich im Spindelapparat fadenartige Strukturen des Aktin-Eiweißes ausbilden. Die haben im Zusammenspiel mit den Mikrotubuli eine Schlüsselrolle während der gesamten Reifung und unterstützen die korrekte Chromosomenverteilung.

„Mikrotubuli und Aktin geben als Bestandteile des Zellskeletts Stabilität und sind für Transporte innerhalb der Zelle und die aktive Bewegung der Zelle als Ganzes verantwortlich“, erklärt Professor Tsiavaliaris.

In Säugetierzellen ist Aktin eines der häufigsten Proteine und sorgt etwa in den Muskeln dafür, dass diese kontrahieren können. „In unserer Arbeit konnten wir erstmals in menschlichen Eizellen nachweisen, dass Aktin nicht nur bei der Dynamik der Spindelausbildung eine wichtige Rolle spielt, sondern im gesamten Prozess der Chromosomenanordnung und -verteilung, die ohne eine intakte Spindel nicht funktioniert“, betont der Biochemiker.

Das grundlegende Verständnis über die Rolle der Zytoskelettproteine während der Reifeteilung der Eizellen ist nach Ansicht des Wissenschaftlers enorm wichtig für die Reproduktionsmedizin. „Je mehr wir über die Ursachen für Fehlgeburten durch genetische Störungen wissen, desto bessere Methoden können wir entwickeln, um die Rate an erfolgreichen Schwangerschaften zu erhöhen“, ist Professor Tsiavaliaris sicher.

Als nächstes untersucht Professor Tsiavaliaris mit seiner Arbeitsgruppe, welchen Einfluss Aktin auf den Zusammenhalt der Chromosomen hat, der mit steigendem Alter der Frau schwächer wird und so das Risiko von Fehlverteilungen erhöht.

„Mit Hilfe neuester superhochauflösender Mikroskopietechniken wollen wir noch präzisere Einblicke in das Zusammenspiel der Spindelproteine geben und herausfinden, warum die menschliche Eizelle mit steigendem Alter Fehler in der Chromosomenverteilung macht.“

Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Georgios Tsiavaliaris, Tsiavaliaris.Georgios@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-8591.

Die Originalpublikation finden Sie unter https://www.nature.com/articles/s41467-019-12674-9

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Stefan Zorn idw - Informationsdienst Wissenschaft

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