Mit Magnetfeldern gegen die Angst
Fast jeder siebte Deutsche leidet an einer Angststörung. Der eine bekommt Panik, wenn er in ein Flugzeug einsteigen soll, der andere schafft es nicht, einen Raum zu betreten, in dem eine Spinne an der Decke sitzt, ein dritter nimmt lieber die Treppe – auch in den zehnten Stock – weil er im Aufzug Herzrasen verspürt.
Was sich nach lustigen Anekdoten anhört, hat für die Betroffenen oft ernste Konsequenzen. Bisweilen schränkt ihre Angst sie so sehr ein, dass ein normaler Alltag für sie nicht mehr zu schaffen ist. Dabei ist Hilfe möglich: „Eine sehr gute Therapiemöglichkeit stellt die kognitive Verhaltenstherapie dar“, sagt Professor Martin J. Herrmann, Psychologe am Zentrum für Psychische Gesundheit des Universitätsklinikums Würzburg.
In dieser Therapie setzen sich die betroffenen Angstpatienten den als bedrohlich empfundenen Situationen bewusst aus – unterstützt durch eine individuelle psychologische Anleitung durch Experten.
Stimulation des Gehirns verbessert den Erfolg
Allerdings zeigen aktuelle Studien, dass nicht alle Personen gleich gut auf diese Therapieform ansprechen. Aus diesem Grund haben Herrmann und Forscher vom Lehrstuhl für klinische Psychologie der Universität Würzburg jetzt nach Wegen gesucht, den Erfolg der kognitiven Verhaltenstherapie zu verbessern – mit Hilfe der sogenannten transkraniellen Magnetstimulation. Tatsächlich zeigte sich bei den so behandelten Teilnehmern der Studie ein positiver Effekt.
„Wir wussten aus vorhergehenden Studien, dass eine bestimmte Region im vorderen Stirnlappen des menschlichen Gehirns für das Verlernen von Angst wichtig ist“, erklärt Martin J. Herrmann die Arbeit der Würzburger Wissenschaftler. Erste Studien hätten außerdem gezeigt, dass eine Stimulation dieser Region mit einem magnetischen Feld das Verlernen von Angstreaktionen im Labor verbessern kann. Ob dies auch bei der Therapie von Höhenangst funktioniert, hat das Team in seiner jüngst veröffentlichten Studie untersucht.
Die Studie
39 Teilnehmer mit ausgeprägter Höhenangst haben sich dafür in zwei Sitzungen in schwindelerregende Höhen begeben – allerdings nicht in echt, sondern mit Hilfe der Technik in virtueller Realität. Dass diese Umgebung nicht real ist, spielt keine Rolle: „Die Menschen erleben auch in einer virtuellen Realität ganz konkret Angst – obwohl ihnen klar ist, dass sie sich eigentlich nicht in einer gefährlichen Situation befinden“, erklärt Herrmann.
Bei einem Teil dieser Angstpatienten stimulierten die Wissenschaftler vor dem Schritt ins Virtuelle den vorderen Stirnlappen für etwa 20 Minuten mit einem Magnetfeld, die andere Gruppe erhielt nur eine Scheinstimulation. Das Ergebnis: „Die Ergebnisse zeigen, dass alle Probanden sehr gut von der Therapie in virtueller Realität profitieren und die positiven Therapieeffekte auch nach drei Monaten noch deutlich zu sehen sind“, erklärt Herrmann. Und: Durch die Stimulation des Stirnlappens wird der Therapieerfolg schneller erreicht.
Ob sich dieser Erfolg auch bei anderen Angstformen zeigt, wollen die Forschung nun in einer weiteren Therapiestudie in virtueller Realität am Beispiel der Spinnenphobie untersuchen.
Die Studie wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs / Transregio 58 – Furcht, Angst, Angsterkrankungen durchgeführt.
Medial prefrontal cortex stimulation accelerates therapy response of exposure therapy in acrophobia. Herrmann MJ, Katzorke A, Busch Y, Gromer D, Polak T, Pauli P, Deckert J. Brain Stimul. 2017 Mar – Apr;10(2):291-297. doi: 10.1016/j.brs.2016.11.007
Kontakt
Prof Dr. Martin J. Herrmann, Universitätsklinikum Würzburg, Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP), Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Margarete-Höppel-Platz 1, T: (0931) 201 76650 , Herrmann_M@ukw.de
Stichwort Transkranielle Magnetstimulation
Bei der transkraniellen Magnetstimulation legen Therapeuten eine ringförmige Magnetspule im Bereich des Schädels an. Diese Spule erzeugt ein sich rasch änderndes Magnetfeld, das magnetische Impulse durch die Schädeldecke ins Gehirn schickt. Dort löst es in den Neuronen ein Aktionspotential aus, die Nervenzelle leitet einen Impuls weiter. Auch wenn die Technik erst wenige Jahrzehnte alt ist, kommt sie inzwischen in Forschung und Diagnostik routinemäßig zum Einsatz.
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