Neue Lösungsansätze für wachsende Resistenzen gegen Pilzmedikamente

Michaela Lackner, Professorin für Experimentelle Mykologie am Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie
(c) MUI/David Bullock

Resistenzen gegen Pilzmedikamente (sog. Antimykotika) stellen Gesundheitssysteme weltweit vor große Herausforderungen. Auch in Österreich erkranken jährlich etwa 130.000 Menschen an Pilzinfektionen, die oftmals auch tödlich enden können. Mit dem neuen PhD-Programm MYCOS verfolgt die Medizin Uni Innsbruck einen ganzheitlichen (One Health) und interdisziplinären Ansatz zur Erforschung von Resistenzentwicklungen, um Auswege aus dieser bedrohlichen Gesundheitskrise aufzuzeigen.

Sie heißen Aspergillus fumigatus, Candida albicans oder Candida auris. Die Rede ist von Pilzen, die in der Umwelt weit verbreitet und im Grunde harmlos sind. Für immungeschwächte oder chronisch kranke Menschen bergen die Erreger jedoch ein hohes Risiko, an einer invasiven Pilzinfektionen zu erkranken und daran auch zu versterben. Weltweit sind etwa 1,7 Milliarden Menschen von Pilzinfektionen betroffen, mehr als 1,5 Millionen dieser Erkrankungen verlaufen tödlich. Laut Erhebung im Rahmen des LIFE-Projekts* (http://www.life-worldwide.org) beträgt in Österreich die Rate an Candidämien 2,6/100.000 EinwohnerInnen. Auch die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Arbeit eines Teams der Innsbrucker Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin verdeutlichen die Problematik: So wurde nachgewiesen, dass 12 Prozent der in der Studie erfassten Innsbrucker PatientInnen nach einer Lebertransplantation trotz gezielter antimykotischer Prophylaxe an einer invasiven Pilzinfektion erkranken. Damit sind sie in der Folge einem fast fünfmal höheren Sterberisiko ausgesetzt. Die WHO warnt vor einer globalen Bedrohung für die öffentliche Gesundheit, weil Pilzerkrankungen weltweit ansteigen und Erreger zunehmend Resistenzen aufweisen. Diese Resistenzentwicklung wird verursacht durch den Mehrfacheinsatz der gleichen Substanzklasse (Azole) in Landwirtschaft (Fungizide) und Medizin (Antimykotika). Regierungen und wissenschaftliche Institutionen sind aufgerufen, die Laborkapazitäten zur Diagnose und Überwachung auszubauen und mehr in Forschung und Entwicklung von neuen Lösungsansätzen und alternativen Therapieansätzen zu investieren.

An der Medizinischen Universität Innsbruck stellt die Aufklärung der in Erregern und Pilzen ausgelösten Resistenzmechanismen seit vielen Jahren einen besonderen Forschungsschwerpunkt dar. Diese Expertise wird nun im Rahmen des kürzlich gestarteten PhD-Programms MYCOS weiter gestärkt und ausgebaut. „Die Medizinische Universität Innsbruck finanziert neun PhD-Stellen mit rund zwei Millionen Euro und wird gemeinsam mit der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, die zwei weitere Ausbildungs- und Forschungsstellen unterstützt, dazu beitragen, in den kommenden drei Jahren neue Erkenntnisse zu Resistenzmechanismen und Therapieoptionen zu gewinnen“, betont Christine Bandtlow, Vizerektorin für Forschung und Internationales. PhD-Studierende und zwölf etablierte Forschende beider Universitäten bilden dabei einen neuen mykologischen Forschungscluster, in dem der Standort Innsbruck zu einem stärkeren, international anerkannten mykologischen Forschungszentrum ausgebaut werden soll.

One Health – Fokus auf Mensch, Tier und Umwelt

„Azole werden als wichtigste Substanzgruppe der Antimykotika sowohl in der Humanmedizin, wie auch in der Veterinärmedizin und der Landwirtschaft eingesetzt. Diese breite Verwendung und damit Anreicherung in der Umwelt trägt maßgeblich zur Entwicklung von Azol-resistenten Pilzen bei, deshalb können wir das Problem auch nur breit, das heißt, mit einem One-Health-Ansatz angehen und lösen“, unterstreicht die Direktorin des Instituts für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie Cornelia Lass-Flörl, die in ihrem Fachgebiet zu einer der weltweit meist zitierten ForscherInnen zählt. Die Überprüfung der Empfindlichkeit diverser Pilze gegenüber Antimykotika und das Detektieren neuer antimykotischer Arzneimittelresistenzen stehen im Fokus ihres Instituts. „In Tirol gibt es spezielle Herausforderungen bei Pilzerkrankungen. Wir registrieren eine überdurchschnittlich hohe Prävalenz von Aspergillus terreus, in der Umwelt wie auch als Infektionserreger. Hier fallen 35 Prozent der Infektionen durch Aspergillus-Spezies auf Aspergillus terreus; dieser Vertreter stellt innerhalb der Schimmelpilze somit das zweithäufigste pilzliche Pathogen dar. Der Pilz hat in Kombination mit immunschwächenden Erkrankungen eine hohe Mortalitätsrate zur Folge und zudem einen ausgefeilten Resistenzmechanismus gegen das sonst wirksame Pilzmedikament Amphotericin B entwickelt“, erklärt die Mikrobiologin, die im Zuge ihrer langjährigen Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet wichtige Erkenntnisse liefern konnte, etwa, dass humane Thrombozyten (Blutplättchen) die Fähigkeit besitzen, den Aspergillus abzutöten.

Michaela Lackner, Professorin für Experimentelle Mykologie am Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, wird das neue PhD-Programm leiten. „Unser Ziel ist es, die Konsequenzen sowohl im klinischen als auch im Umweltbereich umfassend zu verstehen und signifikante Zusammenhänge und Wechselwirkungen mit der Antimykotikaresistenz zu identifizieren. Aus der One-Health-Perspektive streben wir danach, die Komplexität der Resistenz gegen Pilzmedikamente (Resistome) und die Zusammensetzung des Mykobioms zu entschlüsseln“, erklärt die Mikrobiologin, die seit vielen Jahren zur Azol-Resistenz und zur molekularen Diagnostik von Pilzinfektionen forscht und vor allem an der Aufklärung der Langzeitwirkung von Azolen interessiert ist. „Jährlich werden weltweit mehr als zwei Megatonnen Azole ausgebracht, was einem Marktwert von rund zwölf Milliarden Euro entspricht. Wir wissen noch nicht, welche langfristigen Folgen die Aufnahme von Azolen etwa auf das Darmmikrobiom und damit auf das Risiko für Darmkrebs hat“, so Lackner.

Neben der Entstehung von Azolresistenzen und den Folgen des doppelten Einsatzes von Antimykotika/Fungiziden in der Humanmedizin und vor allem in der industriellen Landwirtschaft wird im neuen Forschungscluster auch die Identifizierung neuer Ziele für die Arzneimittelentwicklung angepeilt. Um wichtige neuartige Daten zu generieren, neue Erkenntnisse zu gewinnen, und schließlich alternative Behandlungsstrategien zu entwickeln, werden modernste Grundlagen-, Translations- und klinische Wissenschaft genutzt. Durch neue innovative Lehrveranstaltungen werden gezielt Fachkräfte mit Schlüsselkompetenzen in diesem wichtigen Forschungsgebiet ausgebildet. Die internationale Ausschreibung für die elf PhD-Stellen läuft bereits seit 8. April 2024.

*) Das Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Medizinischen Universität Innsbruck beteiligt sich am LIFE-Projekt (http://www.life-worldwide.org . Dieses weltweite Projekt hat zum Ziel, den „fungal burden“ zu erfassen, auf Pilzinfektionen aufmerksam zu machen, über Pilzinfektionen zu informieren und eine Folgeabschätzung für das Gesundheitssystem zu erheben.

Weitere Informationen:

https://www.mui-mycos.at/content/home/
https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2024/23.html

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Barbara Hoffmann-Ammann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Medizinische Universität Innsbruck

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