Neuer Ansatz in der Krebstherapie

FSP1-Kondensate hervorgerufen durch icFSP1 in grün umgeben einen blauen Zellkern.
(c) Toshitaka Nakamura - Nature | ©Nakamura et al.

– mit innovativem Mechanismus zur Induktion von Ferroptose.

Ein Team von Forschenden unter der Leitung von Dr. Marcus Conrad von Helmholtz Munich hat einen neuartigen Wirkstoff zur Krebsbehandlung namens icFSP1 entdeckt, der die Empfindlichkeit von Krebszellen für Ferroptose erhöht.

Ferroptose ist ein Prozess, bei dem es zu einer eisenabhängigen oxidativen Zerstörung von Zellmembranen kommt. Dem entgegen wirkt das Ferroptose-Suppressorprotein-1 (FSP1). Obwohl FSP1 ein wirksames Ziel von Krebstherapien ist, fehlten bislang in vivo wirksame FSP1-Inhibitoren, die das Enzym im Körper deaktivieren. Daher hat das Forscherteam die Effektivität von rund zehntausenden kleinen Molekülverbindungen evaluiert und icFSP1 als neuen wirksamen in vivo Wirkstoff identifiziert.

Zudem konnte der Wirkmechanismus von icFSP1 entschlüsselt werden, der eine Phasentrennung von FSP1 auslöst – ähnlich wie bei der Trennung von Öl und Wasser – wodurch icFSP1 das Tumorwachstum im Körper stark hemmt und zu einer Kondensierung und Inaktivierung von FSP1 im Tumorgewebe führt. Durch die Phasentrennung von FSP1 und der Auslösung von Ferroptose wurde somit eine neue Art der Tumorbekämpfung aufgezeigt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

icFSP1 ist ein wirksamer FSP1-Inhibitor im Körper

Resistenzen gegen Chemotherapien und Metastasenbildung sind hoch relevante medizinische Probleme bei der Behandlung von Krebs. Entscheidend hier ist, dass während der Metastasierung oder einer Veränderung des Zellmetabolismus bestimmte bösartige Krebszellen eine inhärente Anfälligkeit für Ferroptose erlangen. Daher stellt das gezielte Auslösen von Ferroptose einen vielversprechenden Ansatz in der Krebstherapie dar. Bereits im Jahr 2019 hatte ein Team von Forschenden um Marcus Conrad, Direktor des Instituts für Metabolismus und Zelltod bei Helmholtz Munich, den ersten spezifischen FSP1-Inhibitor identifiziert, auch bekannt als iFSP1. „Allerdings ist diese Verbindung für die in vivo-Anwendung nicht geeignet und zeigt bei hoher Konzentration unerwünschte Nebenwirkungen“, erklärte Conrad. Um für die Behandlung im Körper anwendbare aktive Ferroptose-Induktoren mit einer Wirkung auf FSP1 zu identifizieren, führte das Team ein Screening von kleinen Molekülen in Zellen mit einer anschließenden DMPK („Drug metabolism and pharmacokinetics“)-Validierungsstudie durch. Dies führte zur Identifizierung von icFSP1 als neue Klasse von chemischen Verbindungen, die viele menschliche Krebszellen für Ferroptose empfindlich machen und das Tumorwachstum im Körper abschwächen können.

icFSP1 löst eine Phasentrennung von FSP1 aus

Des Weiteren führten die Wissenschaftler:innen eine eingehende Untersuchung des zugrunde liegenden Wirkungsmechanismus von icFSP1 durch. Dabei konnten sie zeigen, dass icFSP1 die Enzymaktivität von FSP1 nicht direkt hemmt, sondern eine subzelluläre Relokalisation von FSP1 auslöst, die in einen spezifischen Prozess, der sogenannten Phasenseparation, involviert ist. Diese Ergebnisse stehen somit im Gegensatz zum Wirkungsmechanismus des ersten FSP1-Inhibitors iFSP1. Toshitaka Nakamura, Erstautor der Studie, erklärt weiter, dass „die durch icFSP1 induzierten FSP1-Kondensate bestimmte strukturelle Komponenten und eine N-terminale Myristoylierung erfordern“, wie anhand von rekombinanten FSP1-Proteinen sowie verschiedenen Zelllinien und Tumorproben gezeigt wurde. Das heißt, dass die Kondensierung und Inaktivierung von FSP1, die durch icFSP1 verursacht wird, bestimmte strukturelle Bestandteile im Protein erfordert, was durch Experimente mit künstlich hergestellten FSP1-Proteinen nachgewiesen wurde.

Ferroptose und Phasentrennung in Zusammenhang zu bringen ist ein entscheidender Durchbruch

Die Ferroptoseforschung erfährt große Aufmerksamkeit in vielen Bereichen wie Krebs, bei neurodegenerativen Krankheiten und bei Ischämie/Reperfusions-bedingten Erkrankungen. Auch der Prozess der Phasentrennung, ein grundlegendes physikalisches Phänomen, spielt bei einer Vielzahl an Krankheiten eine Rolle. Die Ergebnisse dieser Studie enthüllen zum ersten Mal eine Verknüpfung zwischen der Ferroptose und der Phasentrennung. „Unsere Studie wird als gutes Beispiel für die Entwicklung neuartiger therapeutischer Strategien für Krankheiten dienen, bei denen die Ferroptose und die Phasentrennung eine zentrale Rolle spielen“, gibt Conrad einen vielversprechenden Ausblick auf die Zukunft.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Marcus Conrad, Direktor des Instituts für Metabolismus und Zelltod bei Helmholtz Munich
kontakt: marcus.conrad@helmholtz-munich.de
Toshitaka Nakamura, Ph.D.-Student am Institut für Metabolismus und Zelltod bei Helmholtz Munich

Originalpublikation:

Nakamura et al, (2023): Phase separation of FSP1 promotes ferroptosis, Nature. DOI: 10.1038/s41586-023-06255-6

http://www.helmholtz-munich.de

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