Nierenerkrankung entschlüsselt

links: Prof. Dr. Tobias Huber, Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE
rechts: Priv.-Doz. Dr. Nicola M. Tomas, III. Medizinische Klinik und Poliklinik des UKE
Fotos: UKE

UKE-Forschende klären Ursache von wichtiger Nierenkrankheit bei Kindern und Erwachsenen auf.

Neues Testverfahren ermöglicht bessere Überwachung des Krankheitsverlaufs.

„Idiopathisch“ werden Krankheiten genannt, deren Ursachen nicht hinreichend geklärt sind. Dazu gehörte bislang auch das „idiopathische nephrotische Syndrom“, die häufigste Ursache für einen großen Eiweißverlust über die Nieren im Kindesalter. Nierenforschenden der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) ist es mit einem interdisziplinären Team des UKE sowie internationalen Kooperationspartnern gelungen, Ursachen, Auslöser und Krankheitsmechanismus dieses Syndroms aufzudecken. Die Forschenden haben ihre Ergebnisse zeitgleich im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht und beim Europäischen Nierenkongress in Stockholm vorgestellt.

„Das nephrotische Syndrom ist eine wichtige Nierenerkrankung mit großem Eiweißverlust. Wir haben mit unserer Studie nachgewiesen, dass es sich in den weitaus meisten Fällen bei Kindern und bei einem erheblichen Teil bei Erwachsenen um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der vom Immunsystem Antikörper gegen die Filterstrukturen der Nierenzellen gebildet werden“, erläutert Prof. Dr. Tobias Huber, Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik. Die nun entschlüsselte Erkrankung wird künftig als Anti-Nephrin-Autoantikörper-Erkrankung bezeichnet werden.

Nieren sind die zentrale Kläranlage des Körpers; sie bestehen aus rund zwei Millionen feinsten Röhrchen, den Nephronen, die täglich rund 3000 bis 4000 Liter Blut entgiften. Dabei trennen sie aus dem Blutstrom jene Stoffe, die wiederverwertet werden können und daher im Körper bleiben sollen, von giftigen Substanzen, die über den Harn ausgeschieden werden müssen. Der jetzt entdeckte Anti-Nephrin-Autoantikörper bindet direkt an die Filterkapillaren. Damit verliert der Nierenfilter an Dichtigkeit und es kommt zu einem übermäßigen Eiweißverlust in den Urin (Proteinurie). Für die Betroffenen sind Ödeme, ein erhöhtes Thromboserisiko und eine höhere Infektanfälligkeit typische Folgen, längerfristig kann je nach Verlauf auch ein Verlust der Nierenfunktion drohen.

Neues Testverfahren im UKE entwickelt

Wie die Studie ergab, können bei 90 Prozent der Kinder mit nephrotischem Syndrom die Autoantikörper gegen Nephrin nachgewiesen werden, ebenso bei 69 Prozent der Erwachsenen mit der ähnlichen „Minimal Change Erkrankung“. Basis der Untersuchung waren Patient:innendaten aus Universitätskliniken in Deutschland, Italien und Frankreich.

Die Studie zeigt des Weiteren, dass die Anzahl der Autoantikörper der untersuchten Patient:innen vergleichsweise niedrig war. Im Laufe der Studie wurde daher im UKE ein neues Testverfahren für niedrig-titrige Autoantikörper entwickelt. „Die Identifizierung von Anti-Nephrin-Autoantikörpern als zuverlässiger Biomarker erweitert unsere diagnostischen Möglichkeiten und eröffnet neue Wege für die genaue Überwachung des Krankheitsverlaufs bei Nierenerkrankungen mit nephrotischem Syndrom“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Nicola M. Tomas, Oberarzt der III. Medizinischen Klinik des UKE. Und Prof. Huber ergänzt: „Die Ergebnisse unserer Untersuchungen haben maßgebliche Einblicke in die zugrundeliegenden Mechanismen des nephrotischen Syndroms gegeben und legen damit den Grundstein für eine personalisierte Therapie und Präzisionsmedizin bei diesem komplexen Krankheitsbild.“

Originalpublikation:

Hengel, Tomas, Huber et al. Autoantibodies Targeting Nephrin in Podocytopathies. NEJM. 2024. DOI: 10.1056/NEJMoa2314471

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