Operationen bei Rücken- und Hüftproblemen vermeiden
Zwei neue Forschungsprojekte an der OTH Regensburg widmen sich der Aufgabe, die hohe Zahl an Rücken- und Hüftoperationen in Deutschland zu senken. Mit präventiven und konservativen Behandlungsmethoden sollen Schmerzen gemindert und die Mobilität verbessert werden – ein Ansatz, der speziell darauf ausgerichtet ist, die körperliche Fitness und Selbstständigkeit der Betroffenen zu stärken.
Prof. Dr.-Ing. Sebastian Dendorfer (von rechts), Prof. Dr. med. Joachim Grifka, die Doktorandin Daniela Maier und die Masterandin Nova Sassin wollen Patientinnen und Patienten fit machen, bevor Operationen nötig sind. Foto: Simone Grebler / OTH Regensburg
Das Projekt „RELIEF“ setzt an der Ursache für Rückenschmerzen an, um den Bedarf an Operationen infolge von Bandscheibenvorfällen zu reduzieren. Prof. Dr. med. Joachim Grifka, Leiter der neuen Forschungsstelle für Orthopädie und Ergonomie an der OTH Regensburg, arbeitet an dem Projekt in Kooperation mit der AOK Bayern, Kliniken und der TU München. „In Deutschland werden heute deutlich mehr Bandscheibenvorfälle operiert als noch vor 20 Jahren“, so Prof. Grifka. Gemeinsam mit Orthopäden und Hausärzten sollen rund 100 Patienten über einen Zeitraum von drei Jahren an der Studie teilnehmen. Die Therapie besteht aus einer einwöchigen intensiven Behandlung im Krankenhaus, in der täglich spezielle Injektionen, Physiotherapie und ein gezieltes Muskeltraining zur Stärkung des Rücken- und Bauchmuskulatur durchgeführt werden.
Das Studienkonzept ist innovativ: Neben stationären Behandlungen beinhaltet das Programm exakte Übungsanleitungen für die Patientinnen und Patienten, um das Training zu Hause eigenständig fortzusetzen. Ziel der Forschenden ist es, eine möglichst breite Entlastung für den Rücken zu erreichen und so den Gang zum OP-Tisch zu vermeiden. „Schon erste Vorstudien zeigen, dass mehr als 80 Prozent der Teilnehmenden durch diese konservative Therapie langfristig beschwerdegebessert oder beschwerdefrei sind“, erläutert Prof. Grifka.
Biomechanische Analyse und gezielte Trainingsprogramme
Das zweite Projekt „Hüftfit“ soll die Anzahl der in Deutschland jährlich eingesetzten Hüftprothesen verringern – eine Zahl, die aktuell bei etwa 200.000 liegt. Damit ist Deutschland im internationalen Spitzenfeld häufiger Hüftprothesenimplantationen. Das interdisziplinäre Team um Prof. Dr. med. Joachim Grifka und Prof. Dr.-Ing. Sebastian Dendorfer, Professor für Biomechanik an der OTH Regensburg, untersucht und fördert die Hüftgesundheit mittels gezielter Trainingsprogramme, die zusätzlich in ihrer Wirkung mit biomechanischen Analysen evaluiert werden. Gemeinsam mit einer Masterandin der Medizintechnik und einer Doktorandin der Humanmedizin wird ein spezielles Trainingsprogramm entwickelt, das Beweglichkeit, Muskelkraft und Dehnfähigkeit der Hüfte steigert.
„Unser Ziel ist es, die Patientinnen und Patienten fit zu machen, bevor Operationen nötig sind“, so Prof. Dendorfer. „Hüftprobleme beginnen oft mit kleinen Beschwerden, die mit einem aktiven und gezielten Training aufgefangen werden können.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten Zugang zu einem digitalen Übungsprogramm, das sie eigenständig zu Hause absolvieren. Vor und nach dem achtwöchigen Trainingsprogramm erfolgt eine detaillierte Untersuchung am Biopark und an der OTH Regensburg, bei der modernste 3D-Bewegungsanalysen und biomechanische Messungen angewendet werden. So lässt sich der Effekt des Trainings objektiv erfassen und darstellen.
„Wir setzen gezielt auf Gamification-Elemente“
Ein innovativer Aspekt des Projekts ist die App-basierte Umsetzung: Ein Großteil der Übungen und Rückmeldungen wird spielerisch und nutzerfreundlich durch Apps vermittelt. „Wir setzen gezielt auf Gamification-Elemente, damit die Übungen Spaß machen und motivieren. So kann jeder Teilnehmende selbst Fortschritte tracken“, erklärt Dendorfer.
Die Bedeutung dieser Forschungsansätze ist gesellschaftlich weitreichend. Angesichts einer alternden Bevölkerung und der zunehmenden Inaktivität durch Homeoffice und bewegungsarme Tätigkeiten haben Rücken- und Hüftprobleme in den letzten Jahren massiv zugenommen. „Die moderne Medizin muss sich mehr auf Prävention fokussieren“, so Grifka. „Wir müssen frühzeitig ansetzen und mit praktischen Ratgebern, Trainingstools und einem besseren Zugang zu konservativen Therapien Wege aufzeigen, die ohne Operation auskommen.“
Diese Projekte eröffnen neue Perspektiven in der orthopädischen Versorgung und könnten langfristig helfen, die Operationen an Rücken und Hüfte signifikant zu reduzieren.
Für die Hüftstudie werden derzeit noch Probandinnen und Probanden gesuchten. Eine Anmeldung ist möglich bei Daniela Maier per E-Mail: hueftstudie.regensburg@web.de oder Telefon: 0151/64396556.
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