Optische Biopsie – Laserendomikroskopie für die intraoperative Diagnostik
„Es kommt beispielsweise im Gallengang vor, dass wir mehrere Gewebeproben nehmen müssen, um endlich Klarheit zu bekommen“, sagt Prof. Jörg Schirra, Oberarzt an der Medizinischen Klinik II am Klinikum der Universität München (LMU). Denn mit den bisherigen Diagnoseverfahren lässt sich bei der Biopsie nicht optisch nachvollziehen, ob man wirklich eine krebsartig veränderte Stelle im Gallengang „erwischt“ hat.
Die Trefferquote könnte sich allerdings zukünftig verbessern: Mit der Anschaffung der konfonkalen Laserendomikroskopie, im Fachjargon kurz pCLE genannt, lässt sich während der endoskopischen Untersuchung des Gallengangs zumindest das Muster eines verdächtigen Bereichs identifizieren. Nach einer ersten Studie an einer anderen Klinik „erhöht sich die Trefferquote für die Gewebeentnahme mit der pCLE von bislang 75 auf 90 Prozent“, erklärt Prof. Schirra. Für den Gastroenterologen ein „deutlicher Fortschritt.“
Gekauft wurde das neue Gerät mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft von T.E.A.M., einem Netzwerk aus zwölf Kliniken und Instituten vorwiegend am Klinikum der Universität München. „T.E.A.M. leistet wissenschaftliche Pionierarbeit in der intraoperativen Diagnostik“, betont dessen Sprecher, der Physiker Dr. Herbert Stepp. Die Entwicklung der intraoperativen Diagnostik hat Tradition am LMU-Klinikum. Schon in den 1990er Jahren hat das Laser-Forschungslabor, seinerzeit Teil der Urologischen Klinik, ein Fluoreszenz-Verfahren entwickelt, das Tumorgewebe rot leuchtend darstellt.
Dieses Verfahren ist seit 2005 im Routine-Einsatz, um Harnblasenkrebs und Hirntumoren verlässlicher zu diagnostizieren. Damit sind an der Harnblasen-schleimhaut auch Krebsherde sichtbar, die zuvor Augen und medizinischem Gerät verborgen blieben. Die T.E.A.M.-Mannschaft will die Methode jetzt so weit verbessern, dass mit Rechnertechnik die gesamte Harnblase abgebildet werden kann.
Perspektiven kombinierter Techniken
Allerdings erlaubt das Fluoreszenz-Verfahren keine direkten Aussagen über die Art der Gewebeentartung der Zellen – ein rot fluoreszierendes Areal kann auch gutartig sein, zum Beispiel eine Entzündung. „Dazu braucht es eine mikro-skopische Auflösung, die mit der pCLE möglich ist“, sagt Dr. Stepp. Im Kanal eines Endoskops schiebt der Arzt dabei eine hauchdünne Sonde bis zum Gewebe vor und setzt sie auf verdächtigen Stellen auf. Dann kann man bis etwa 150 Mikrometer tief unter die Gewebeoberfläche Zellen mikroskopisch darstellen. Das Gerät ist einsetzbar in allen Organen mit einem Hohlraum – also beispielsweise in der Blase, im Rachenraum oder eben im Verdauungstrakt. Die Ausbreitung eines Tumors in das umgebende Bindegewebe kann die pCLE aber nicht bestimmen. Dies erfolgt mit einer Ultraschallsonde oder – mit deutlich besserer Auflösung – durch ein ebenfalls neues Verfahren, die optische Kohärenztomografie (OCT). Auch diese Methode wird mit zwei Leihgeräten am Klinikum klinisch erprobt. Wie sich die OCT und die pCLE entwickeln werden, „ist trotz aller Perspektiven derzeit noch nicht absehbar“, gibt Dr. Stepp zu bedenken.
Denn noch ist etwa die pCLE so neu, dass entsprechende Studien fehlen, die das Team um Prof. Schirra jetzt etwa für den Einsatz im Gallengang und in der Speiseröhre starten will. In der Speiseröhre geht es um die Erkennung von Krebsvorstufen bei Patienten mit dem „Barrett-Syndrom“ – einer chronisch-entzündlichen Erkrankung. Bei der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung „Colitis ulcerosa“ liegt dagegen bereits eine positive Studie des Universitätsklinikums Mainz vor. Nach etwa zehn Jahren haben diese Patienten ein erhöhtes Krebsrisiko, wobei sich die Tumorvorstufen im entzündeten Gewebe oft nur schwer identifizieren lassen Bei der Studie zeigte sich, dass pCLE die Trefferquote bei der Gewebeentnahme verbessert.
Zukunftsmusik
Ob eines Tages eine intraoperative Diagnose so aussehen wird, dass erst die Fluoreszenz-Diagnostik verdächtige Gewebeareale lokalisiert, dann die pCLE ohne eine nachfolgende Gewebeentnahme die verdächtigen Zellen mikroskopisch beurteilt und die OCT in einem dritten Schritt die Mikroinvasion von Tumorzellen in Bindegewebe erkennt, bleibt einstweilen eine Vision. „Bis auf weiteres“, sagt Prof. Schirra, „entnehmen wir weiter Gewebe, und der Pathologe hat bei dessen Beurteilung im Labor das letzte Wort.“ Die Proben, die er bekommt, werden allerdings dank der pCLE schon jetzt oft besser sein als zuvor. Und „nebenbei“ werden alle neuen optischen Verfahren wissenschaftlich auf ihren Wert geprüft.
Kontakt:
Prof. Dr. Jörg Schirra
Medizinische Klinik II
Klinikum der Universität München
Marchioninistr. 15
81377 München
E-Mail: joerg.schirra@med.uni-muenchen.de
Dr. Herbert Stepp
Laser-Forschungslabor
Klinikum der Universität München
Marchioninistr. 23
81377 München
Tel.: 089/7095-4880
Fax: 089/7095-4864
Klinikum der Universität München
Im Klinikum der Universität München (LMU) sind im Jahr 2010 an den Standorten Großhadern und Innenstadt 465.000 Patienten ambulant, teilstationär und stationär behandelt worden. Die 45 Fachkliniken, Institute und Abteilungen sowie 35 interdisziplinäre Zentren verfügen über mehr als 2.200 Betten. Von insgesamt über 10.000 Beschäftigten sind rund 1.800 Mediziner. Das Klinikum der Universität München hat im Jahr 2010 rund 70 Millionen Euro an Drittmitteln verausgabt und ist seit 2006 Anstalt des öffentlichen Rechts.
Gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität ist das Klinikum der Universität München an sechs Sonderforschungsbereichen der DFG (SFB 455, 571, 594, 596, 684, 824), an drei Sonderforschungsbereichen-/Transregio (TR 05, TR 22, TR 36), einer Forschergruppe (FOR 535) sowie an drei Graduiertenkollegs (GK 1091 und 1202, SFB-TR 36) beteiligt. Hinzu kommen die drei Exzellenzcluster „Center for Integrated Protein Sciences“ (CIPSM), „Munich Center of Advanced Photonics“ (MAP) und „Nanosystems Initiative Munich“ (NIM) sowie die Graduiertenschule „Graduate School of Systemic Neurosciences“ (GSN-LMU).
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