Organ Care System: MHH-Ärzte behandeln kranke Lunge außerhalb des Körpers

Dr. Norman Zinne (links) und Professor Dr. Axel Haverich an einem Organ Care System (OCS), das eine Schweinelunge enthält. Professor Haverich hält die Steuereinheit für das OCS. Karin Kaiser/MHH

Aufgrund der vermehrt auftretenden Antibiotikaresistenzen gibt es für schwere Lungenentzündungen immer öfter keine alternative Behandlungsmöglichkeit mehr. Ärzte der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben erstmals mit dem Organ Care System (OCS) erfolgreich eine von antibiotikaresistenten Bakterien verursachte Lungenentzündung außerhalb des Körpers behandelt.

Der Vorteil: Wenn die Lunge für die Behandlung explantiert wird, können die Mediziner sehr hoch dosierte Antibiotika einsetzen. Diese Dosierungen wären aufgrund der Nebenwirkungen für den Körper giftig. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal „PLoS One“.

In der Pilotstudie untersuchte das Team um Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, ob sich die Behandlung von Schweinen, die an schwerer Lungenentzündung erkrankt waren, mit hoch dosierten Antibiotika in einem Organ Care System (OCS) als neue Therapie für ansonsten unheilbare antibiotikaresistente Lungeninfektionen eignet.

Die Mediziner behandelten zum einen erkrankte Tiere mit der für den Körper verträglichen Dosis des Antibiotikums Colistin und zum anderen den explantierten erkrankten Lungenflügel im OCS mit der hundertfachen Dosis des Antibiotikums. „Eine solche Dosis wäre für den Patienten nicht verträglich. Sie würde zu Nierenversagen und Schäden am zentralen Nervensystem führen“, erklärt Dr. Norman Zinne, Facharzt in der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie.

Um die Infektion der Lunge im OCS zu behandeln, explantierten die Ärzte zunächst den betroffenen Lungenflügel und implantierten ihn in ein OCS. Das OCS ist ein mobiles Gerät für die ex vivo-Lungenperfusion. In dem Gerät wird das Organ körperwarm transportiert, von Spenderblut durchflossen und mit Nährstoffen versorgt – oder eben auch mit Antibiotika. Die Lunge wird im OCS während der Behandlung beatmet und kann sich so selbst mit Sauerstoff versorgen.

Nach der zweistündigen Behandlung implantierten die Ärzte den Lungenflügel wieder in das Tier. „Während in der nicht behandelten Kontrollgruppe und der konventionellen behandelten Gruppe nur ein Drittel der Schweine die Lungenentzündung überlebte, erholten sich Zweidrittel der Tiere, deren Lungen wir außerhalb des Körpers behandelt haben, von der Erkrankung“, sagt Dr. Zinne.

Auch die klinischen Symptome der Infektion waren in der OCS-Gruppe weniger schwerwiegend als in den anderen Gruppen. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Behandlung von multiresistenter Lungenentzündung mit sehr hoch dosierten Antibiotika außerhalb des Körpers eine neue therapeutische Strategie für schwer verlaufende Infektionen darstellt, für die es ansonsten keine alternativen Therapien mehr gibt“, sagt Professor Haverich.

„Bevor wir die Methode auf den Menschen übertragen können, werden wir zur Sicherheit der Patienten noch weitere Studien im Tiermodell durchführen“, betont er. „Es ist durchaus denkbar, die Methode auf weitere Organe wie das Herz oder andere Therapieoptionen wie Chemo- oder Zelltherapien zu übertragen.“

Das Antibiotikum Colistin
Colistin ist ein Antibiotikum, das bereits seit den fünfziger Jahren bekannt ist, aufgrund seiner für den Körper giftigen Eigenschaften bisher jedoch nur sehr selten verwendet wurde. Bedingt durch das Auftreten von antibiotikaresistenten Bakterien wird Colistin seit einiger Zeit auch vermehrt als Reserveantibiotikum zur Behandlung von Lungenentzündungen eingesetzt, die durch das antibiotikaresistente Bakterium Pseudomonas aeruginosa verursacht werden.

Das Projekt wurde unterstützt vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung BREATH (Biomedical Research in Endstage and Obstructive Lung Disease), gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung – und vom Exzellenzcluster REBIRTH (Von Regenerativer Biologie zu Rekonstruktiver Therapie), gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Axel Haverich, Telefon (0511) 532-6581.

http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0193168

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Stefan Zorn idw - Informationsdienst Wissenschaft

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