Organoide, Innovation und Hoffnung

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Jun.-Prof. Michael Böttcher and Prof. Sonja Kessler are the spokespersons of the mikroPank research network. Image: University Medical Center Halle

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative ist das Forschungsnetzwerk „mikroPank“, eine Zusammenarbeit zwischen dem Universitätsklinikum Halle und dem Institut für Pharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Dieses innovative Projekt setzt neue Maßstäbe in der Entwicklung realistischer Tumormodelle, um die Wirksamkeit von Behandlungsstrategien zu verbessern.

Der ehrgeizige Umfang von „mikroPank“ wird durch eine erhebliche finanzielle Unterstützung getragen: insgesamt 3,7 Millionen Euro. Diese Mittel stammen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wissenschaft Sachsen-Anhalt. Diese großzügige Förderung unterstreicht die Bedeutung dieser Forschung und ihr Potenzial, die Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs zu revolutionieren.

Die Beziehung Zwischen Tumoren und Ihrer Umgebung

Einer der faszinierendsten Aspekte der Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung liegt in den komplexen Wechselwirkungen zwischen Tumoren und ihrer Umgebung. „Tumoren manipulieren andere Zellen in ihrer unmittelbaren Umgebung, um Vorteile zu erlangen und schneller zu wachsen. Gleichzeitig beeinflusst die Umgebung die Tumoren. Dieses Zusammenspiel der Zellen hat weitreichende Auswirkungen darauf, wie Tumoren auf bestimmte Therapien reagieren. Es kann bei einzelnen Krebspatienten, abhängig von genetischen Unterschieden, erheblich variieren“, erklärt Juniorprofessor Dr. Michael Böttcher, Leiter der Arbeitsgruppe für Molekulare Medizin der Signaltransduktion und Sprecher des Projekts „mikroPank“ an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU).

Um die Individualität und Komplexität von Bauchspeicheldrüsentumoren im Labor nachzubilden, verwenden die Forscher in Halle im Rahmen der „mikroPank“-Initiative Organoidkulturen. Diese Organoide sind kleine, dreidimensionale Einheiten von Tumorzellen, die direkt von Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs gewonnen werden. Dadurch sollen die einzigartigen genetischen und molekularen Merkmale jedes einzelnen Tumors in den kultivierten Organoiden erhalten bleiben. Dieser Ansatz ermöglicht es den Forschern, die Unterschiede zwischen Tumoren verschiedener Patienten sowie die Vielfalt der Tumorzellen innerhalb eines einzelnen Patienten zu berücksichtigen.

Die Forscher planen außerdem, die Krebszellen zusammen mit anderen relevanten Zellen aus der Tumorumgebung zu kultivieren. Dazu gehören Fibroblasten aus dem Bindegewebe, Makrophagen aus dem Immunsystem und Adipozyten aus dem Fettgewebe. Diese Co-Kultur-Technik soll die natürliche Tumorumgebung besser nachbilden und so genauere und personalisierte Einblicke in die Biologie und die Behandlungsstrategien von Bauchspeicheldrüsenkrebs ermöglichen.

„Einige Tumoren entwickeln Resistenzen gegen gängige Chemotherapien, sodass sie nicht mehr auf die Behandlung ansprechen, aber bisher ist zu wenig darüber bekannt, wie und warum Tumoren Resistenzen entwickeln. Es gibt auch noch keinen Test, um dies frühzeitig zu erkennen. Mit Hilfe von Tumororganoiden hoffen wir, mehr über die Wechselwirkung der Zellen mit ihren genetischen Eigenschaften zu verstehen“, sagt Prof. Dr. Sonja Kessler, Apothekerin und Sprecherin des Projekts „mikroPank“ am Institut für Pharmazie der Naturwissenschaftlichen Fakultät I der MLU. Darüber hinaus könnten Organoide den Weg für die Entwicklung patientenspezifischer Therapien ebnen und so unnötige und risikoreiche Behandlungen minimieren.

Organoid-Kultur mit Organoiden unterschiedlicher Größe und Zellzusammensetzung, hier kenntlich gemacht durch Anfärbung des Zellgerüsts (rot) und der Zellkerne (blau). Bild: Uni Halle / Sonja Keßler

Das Projekt „mikroPank“ integriert die wissenschaftliche Expertise mehrerer Institutionen, um die Forschung zu Bauchspeicheldrüsenkrebs voranzutreiben. In der Klinik für Viszeral-, Gefäß- und Endokrine Chirurgie, wo Bauchspeicheldrüsenkrebs chirurgisch behandelt wird, werden verschiedene Zelltypen für Studien isoliert. Diese Zellen werden dann im Bereich der Molekularmedizin unter der Leitung von Jun.-Prof. Dr. Michael Böttcher zur Herstellung von Organoiden verwendet.

Die Charakterisierung dieser Zelltypen erfolgt in Co-Zell-Kulturen durch die Zusammenarbeit von Forschungsgruppen der Chirurgie (Prof. Dr. Jörg Kleeff), der Klinik für Innere Medizin I (Prof. Dr. Jonas Rosendahl) und der Pharmazie (Prof. Dr. Sonja Kessler). Zusätzlich werden im Bereich Pharmazie unter der Leitung von Prof. Dr. Karsten Mäder Trägermaterialien entwickelt, die Co-Kulturen verschiedener Zelltypen unterstützen sollen.

Was Macht das Projekt Glaubwürdig?

Klinisch wird das Projekt im Pankreaskarzinomzentrum des Universitätsklinikums Halle durchgeführt, das von der Deutschen Krebshilfe zertifiziert ist. Dieser interdisziplinäre Ansatz gewährleistet eine solide Grundlage, um das Verständnis und die Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs voranzutreiben.

Dieses Projekt adressiert eine kritische Gesundheitsherausforderung: Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine der Hauptursachen für krebsbedingte Todesfälle in Deutschland, mit etwa 20.000 Fällen pro Jahr. Diese Krankheit wird oft in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, was die Behandlung besonders schwierig macht. Tragischerweise überleben weniger als zehn Prozent der Patienten fünf Jahre nach ihrer Diagnose. In Sachsen-Anhalt machen bösartige Tumoren der Verdauungsorgane ein Drittel der Krebstodesfälle aus, wobei Bauchspeicheldrüsenkrebs nach Darmkrebs an zweiter Stelle steht.

„Die Forschung zu personalisierten Therapieansätzen an der Medizin und Pharmazie der Universität Halle könnte dazu beitragen, in Zukunft unnötige Therapien zu vermeiden und damit die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Ich freue mich, dass wir mit den EU-Mitteln ein weiteres zukunftsweisendes Forschungsprojekt ermöglichen können“, erklärt Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft des Landes Sachsen-Anhalt.

Der Erfolg von „mikroPank“ wird durch die enge Zusammenarbeit zwischen der Medizinischen Fakultät und der Naturwissenschaftlichen Fakultät der MLU gestützt. Diese Partnerschaft zeigt sich auch im Graduiertenkolleg „InCuPANC“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Im Rahmen dieses Kollegs erforschen Wissenschaftler bereits eingehend die Rolle entzündlicher Prozesse in den frühen Stadien des Bauchspeicheldrüsenkrebses. Ihre Arbeit zielt darauf ab, potenzielle Wege für eine frühzeitige Diagnose und die Entwicklung neuer Therapieansätze zu identifizieren, und unterstreicht die interdisziplinären Bemühungen, die Innovation in diesem kritischen Bereich der Krebsforschung vorantreiben.

Hoffnung für die Zukunft: Neudefinition der Ergebnisse bei Bauchspeicheldrüsenkrebs

Das Projekt „mikroPank“ steht als Hoffnungsträger im Kampf gegen eine der tödlichsten Krebsarten. Durch innovative Ansätze wie patientenspezifische Organoidkulturen und interdisziplinäre Zusammenarbeit ebnet diese bahnbrechende Initiative den Weg für effektivere und personalisierte Behandlungen bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Mit der Unterstützung durch umfassende Fördermittel und Spitzenforschung bietet „mikroPank“ nicht nur die Möglichkeit, die Patientenversorgung zu transformieren, sondern setzt auch neue Maßstäbe für die wissenschaftliche Erforschung der Onkologie. Während Forscher weiterhin die Geheimnisse der Tumorbiologie und -resistenz entschlüsseln, rückt das Potenzial für frühere Diagnosen und lebensrettende Therapien immer näher, was Patienten und ihren Familien neue Hoffnung schenkt.

Link zur Forschungsarbeit: https://www.umh.de/news/forschung-zu-bauchspeicheldruesenkrebs-in-mikropank

Medienkontakt
Jonas Machner
Wissenschaftsredakteur
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