Plasma-Kamm gegen Läuse – Technologie erobert Medizin und Haushalt
Gezähmte Blitze
Plasma ist der vierte Aggregatzustand der Materie. Nach fest, flüssig, gasförmig folgt ein weiterer energiereicher Zustand, das Plasma. Bekannt ist dieser Zustand vom Gewitterblitz.
„Wir haben die Möglichkeiten, diese großartige Energie ganz klein zu machen, zu zähmen, kalt zu lassen, so dass man sogar solche Gewitterblitze auf die Haut einwirken lassen kann, ohne dass etwas zu spüren ist“, sagt der Leiter und Initiator der entsprechenden Forschungsgruppe, Prof. apl. Prof. Dr. Wolfgang Viöl, Vizepräsident für Forschung und Transfer der HAWK und Leiter des Anwendungszentrums für Plasma und Photonik des Fraunhofer IST im niedersächsischen Göttingen.
Viöl ist für seine Entwicklungen vielfach ausgezeichnet worden. Die HAWK-Plasma-Forschung ist auch in den Medien aufgegriffen worden. N-TV, arte, NDR, MDR, Heise.de, Süddeutsche Zeitung oder die Deutsche Apotheker Zeitung haben berichtet.
Schlüsseltechnologie
Plasma ist eine Schlüsseltechnologie, die industriell schon in vielen Bereichen eingesetzt wird. Die HAWK-Wissenschaftler untersuchen jedoch als weltweit erste die Behandlung menschlicher Haut mit Atmosphärendruck-Plasma.
Es ist im Verhältnis zu anderen Plasmen, die sich etwa zur Bearbeitung von Metallen oder Kunststoffen nutzen lassen, vergleichsweise kühl und sein Druck entspricht etwa dem normalen Luftdruck. Die weltweit ersten klinischen Studien zur plasmaunterstützten Wundheilung liefen am Klinikum Schwabing (München) und an der Universitätsmedizin Göttingen.
PlasmaDerm gegen Hautkrankheiten
Entwickelt wurde schon das PlasmaDerm, mit dem man Wunden heilen kann. Hautkrankheiten wie Neurodermitis, die Schuppenflechte oder das sogenannte Offene Bein gelten als Volkskrankheiten. Um Hautwunden zu behandeln, müssen unter anderem der gestörte Sauerstoffzufluss wiederhergestellt und Keime bekämpft werden.
„Bislang wurde Plasma hauptsächlich unter Vakuum-Bedingungen erzeugt oder bei atmosphärischen Bedingungen mit so hohen Energiedichten, dass es am Menschen nicht anwendbar war. Die Herausforderung für die Forschergruppe bestand also darin, ein gewebekompatibles Plasma bei atmosphärischem Druck bereitzustellen. Und natürlich mussten eine schmerzfreie Behandlung und die Einhaltung der hohen Sicherheitsanforderungen der Medizintechnik gewährleistet sein. Den Wissenschaftlern gelang dies mit nicht thermischem, also kaltem Plasma, das in etwa Körpertemperatur besitzt“, erläutert Dr. Andreas Helmke, Gruppenleiter für Plasmamedizin.
Klinische Studien
Prof. Dr. Steffen Emmert konnte an der Hautklinik der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) in einer klinischen Studie die positive Wirkung der Behandlung nachweisen. Weit über hundert PlasmaDerm-Geräte sind bereits im Einsatz und deutlich über 10.000 Behandlungen wurden durchgeführt.
Emmert: „In einer älter werdenden Gesellschaft nehmen gerade Hauterkrankungen immer weiter zu. Und das geht natürlich mit zunehmenden Kosten für das Gesundheitswesen einher. Es werden dringend genau in diesem Bereich deshalb neue, effektive Behandlungsmethoden gesucht. Wir konnten in unserer Zulassungsstudie für PlasmaDerm zeigen, dass Plasma die Keime auf Wunden reduzieren und die Wundheilung fördern kann.“
Läusekamm
Kurz vor der Markteinführung ist der Läusekamm auf Plasmabasis, mit dem man Läuse auf den Haaren töten kann – aber auch zusätzlich die Nissen, was andere Produkte nicht können. Der Läusekamm wird voraussichtlich in etwa ein bis zwei Jahren auf dem Markt erhältlich sein. Die Plasma-Technologie macht hier Schluss mit Chemie auf dem Kopf unzähliger Kita- oder Schulkinder oder Bettwäsche im Gefrierschrank.
Professor Viöl: „Wir erzeugen ein Hochspannungsfeld auf dem Kopf. In der Luft zündet dann so etwas wie ein ganz kleiner Gewitterblitz. Das hört sich sehr gefährlich an, aber wir benutzen Hochspannungspulse, die man gar nicht spürt, die absolut ungefährlich sind, weil sie ganz bestimmte Frequenzen besitzen. So ist das Plasma kalt. Das Besondere an diesem Kamm ist, dass es mit einem rein physikalischen Verfahren funktioniert – eben ohne Chemikalien.“
Milbenstaubsauger und Handdesinfektion
Zudem wurde ein Staubsauer entwickelt, der die Milben in einem Teppich tötet. Oder DesiHand – ein Plasmasystem zur Trocknung und Desinfektion der Handoberfläche, das in großen Sanitäranlagen installiert werden kann.
Elektronen unter Hochspannung
Plasma ist ein Zustand, den jedes beliebige Gas, zum Beispiel Luft, unter elektrischer Ladung annimmt. Die Elektronen gewinnen unter Hochspannung so viel Energie, als wären sie bis zu 80.000 Grad heiß. So heiß wird es normalerweise noch nicht mal auf der Sonne.
Alle anderen Bestandteile des Plasmas bleiben aber kalt. Und deswegen ist es für Mensch und Haustiere völlig ungefährlich, nicht aber für kleinere Lebewesen, wie zum Beispiel Läuse. Die stille elektrische Entladung ist eine Wechselspannungs-Gasentladung, bei der mindestens eine der Elektroden vom Gasraum durch galvanische Trennung mittels eines Dielektrikums elektrisch isoliert ist.
In Zukunft mit Plasma-Stick
„Die Zukunft stelle ich mir so vor: Die Mutter greift zu einen Plasma-Stick und nicht mehr nach Jod, um das aufgeschlagene Knie ihres Kindes zu heilen, der Allergiker ‚saugt‘ Milben mit dem Plasma-Staubsauger weg und in Arztpraxen ist die Behandlung von Hautproblemen mit Plasma ein gängiges Verfahren“, sagt Viöl.
http://www.hawk-hhg.de/aktuell/default_211593.php
http://www.hawk-hhg.de/naturwissenschaften/179220.php
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.
Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.
Neueste Beiträge
Spezielle Beschichtungen auf der ISS im Test
Montanuniversität Leoben bringt Innovation ins All: Ein bedeutender Schritt für die Weltraumforschung und die Montanuniversität Leoben: Nach langen Vorbereitungsarbeiten sind hochentwickelte Dünnfilmbeschichtungen aus Leoben nun auf der Internationalen Raumstation (ISS)…
Holzfeuerungen mit bis zu 80% weniger NOx-Emissionen
Fraunhofer Forscher haben gemeinsam mit dem Projektpartner Endress Holzfeuerungen eine neuartige Feuerungstechnik entwickelt, die NOx-Emissionen um bis zu 80 Prozent reduzieren kann. Damit können auch zukünftige Grenzwerte zuverlässig eingehalten werden….
Ein neues Puzzlestück für die Stringtheorie-Forschung
Wissenschaftlerin vom Exzellenzcluster Mathematik Münster beweist Vermutung aus der Physik. Dr. Ksenia Fedosova vom Exzellenzcluster Mathematik Münster hat mit einem internationalen Forschungsteam eine Vermutung aus der Stringtheorie bewiesen, die Physikerinnen…