UKE-Forscher entwickeln neues optisches Verfahren: Nervenzellen bei der Arbeit zusehen
Der Botenstoff Glutamat ist für die schnelle Informationsübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten von großer Bedeutung. Der Neurotransmitter wird von den Nervenzellen in kleine Membranvesikel verpackt und nur bei Aktivität freigesetzt:
Im Durchschnitt besitzt jede präsynaptische Nervenendigung etwa 200 solcher Vesikel, die nach der Fusion mit der Zellmembran jeweils wieder recycelt werden. Der Mechanismus der Vesikelfusion wurde bisher hauptsächlich an isolierten Nervenzellen untersucht, die auf Glasplatten kultiviert werden. Bei diesem Verfahren nutzen Synapsen nur etwa die Hälfte ihres Vesikelvorrats, die andere Hälfte liegt brach.
In der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Oertner, Direktor des Instituts für Synaptische Physiologie am Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg (ZMNH), wurde nun ein neues optisches Verfahren entwickelt, um die Fusion von Vesikeln in intakten Gewebekulturen eines speziellen Hirnareals, des Hippokampus, zu untersuchen. Bei den Untersuchungen mit der Zwei-Photonen-Mikroskopie zeigte sich, dass im Laufe der ersten drei Lebenswochen der Gewebekultur immer mehr der vorhandenen Vesikel genutzt werden. Außerdem beschleunigt sich der Recyclingprozess enorm, so dass in ausgereiftem Hirngewebe jede Synapse mit extrem hoher Effizienz auf ihren gesamten Vorrat an dem Neurotransmitter Glutamat zugreifen kann.
„Bislang war unklar, wie die Informationsübertragung an Synapsen überhaupt dauerhaft aufrecht erhalten werden kann“, erläutert Prof. Oertner. „Rein rechnerisch müsste den Synapsen relativ schnell das Glutamat ausgehen, bei einem so kleinen Vorrat“. Die neuen Messungen, die heute in Neuron veröffentlicht werden, lösen dieses scheinbare Paradoxon auf, das neurobiologische Grundlagenforscher seit vielen Jahren beschäftigt.
Diese grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse könnten in Zukunft für psycho- oder verhaltenstherapeutische Verfahren von Bedeutung sein. „Unsere Studie zeigt, dass Synapsen eine lange Zeit brauchen, um die volle Leistungsfähigkeit zu erreichen. Der Hippokampus ist für die Umwandlung von Kurz- in Langzeitgedächtnis von zentraler Bedeutung. Wir vermuten, dass die Stabilität von Gedächtnisinhalten mit der Stabilität und Leistungsfähigkeit von Synapsen im Hippokampus zusammenhängt“, sagt Prof. Oertner. Eines Tages könnte es zum Beispiel möglich sein, traumatische Erinnerungen durch eine gezielte Destabilisierung der beteiligten Synapsen zu löschen. Die Verhaltenstherapie bei posttraumatischen Belastungsstörungen beruht heute bereits auf einem ähnlichen Konzept.
Kontakt:
Dr. Thomas G. Oertner
Institut für Synaptische Physiologie
Zentrum für Molekulare Neurobiologie (ZMNH)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Falkenried 94
20251 Hamburg
E-Mail: thomas.oertner@zmnh.uni-hamburg.de
Telefon: (040) 7410-58228
Literatur:
¹Rose, Schoenenberger, Jezek, Oertner (2013) Developmental refinement of vesicle cycling at Schaffer collateral synapses. Neuron (March 20, 2013), advanced online: http://dx.doi.org/10.1016/j.neuron.2013.01.021
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-hamburg.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.
Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…