Was Krebsmetastasen besonders gefährlich macht
Nicht alle Krebsmetastasen wirken gleich zerstörerisch. Forschende weisen im Experiment unterschiedliche Mechanismen nach.
Bei den meisten Krebserkrankungen bestimmt nicht das Wachstum des Primärtumors die Prognose für den Patienten, sondern ob es zu einer Streuung und Ausbildung von Tochtergeschwüren kommt, der sogenannten Metastasierung. Dieser Prozess ist sehr komplex. Zwischen der ursprünglichen Ausbreitung und dem tatsächlich aggressiven Wachstum der Metastasen, die viele Organe wie etwa Lunge, Leber oder Gehirn angreifen können, liegen oft Monate oder sogar Jahre. Forschende am Hautkrebszentrum der Ruhr-Universität Bochum, des Helmholtz-Zentrums München, des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg und der Eidgenossenschaftlichen Technischen Hochschule Zürich haben die Umstände des Metastasen-Wachstums bei Brustkrebs untersucht. Dazu wurden auch Biopsien von zehn betroffenen Patientinnen untersucht. Sie berichten in der Zeitschrift Cell Reports vom 30. Mai 2023.
Zellen wechseln ihre Identität
Die Forschenden betrachteten einen speziellen zellulären Mechanismus, die sogenannte epithelial-mesenchymale Transition (EMT). Dadurch gewinnen die an sich sesshaften Krebszellen Mobilität, können zunächst in das umgebende Gewebe eindringen und schließlich über Blut- und Lymphbahnen in entfernte Organe transportiert werden. Dabei wechseln die Krebszellen, wie der Begriff EMT beschreibt, ihre zelluläre Identität von „epithelial“ nach „mesenchymal“, was anhand verschiedener Marker nachgewiesen werden kann.
In den Metastasen-Biopsien waren jedoch beide Arten von Zellen vorhanden. Anschließende Experimente zeigten, dass diejenigen Zellen, die ihre ursprüngliche epitheliale Identität bewahrt hatten, neue Metastasen bilden konnten, also die Krebserkrankung vorantrieben. Die Forscher wiesen nach, dass ein komplexes zelluläres Programm die zelluläre Identität der Krebszellen schützt und verhindert, dass diese ihre Fähigkeit verlieren, sich zu vermehren.
Künftige Arbeiten müssen Erkenntnisse in Therapie überführen
„Über die genaue Relevanz des EMT-Mechanismus in Metastasen gibt es unterschiedliche, sich teilweise widersprechende Daten“, betont Co-Autorin Dr. Christina Scheel von der Dermatologischen Universitätsklinik Bochum im St. Josef-Hospital (Katholisches Klinikum). „Wir glauben jedoch, dass unsere Studie einen wichtigen Fortschritt gebracht hat, indem wir beschreiben, wie verschiedene zelluläre Programme in Krebszellen auf molekularer Ebene zusammenwirken, um das Voranschreiten der Erkrankung zu bewirken. Der Prozess des Metastasen-Wachstums ist hier besonders wichtig, da Krebserkrankungen grundsätzlich in diesem Stadium am schwierigsten zu behandeln sind.“ Es wird nun Aufgabe künftiger Forschung sein herauszufinden, wie diese experimentellen Erkenntnisse für eine Therapie der aggressivsten Krebszellen genutzt werden können.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Jürgen Frech
Unternehmenskommunikation
Katholisches Klinikum Bochum
Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 509 6104
E-Mail: juergen.frech@klinikum-bochum.de
Originalpublikation:
Massimo Saini et al.: Resistance to mesenchymal reprogramming sustains clonal propagation in metastatic breast cancer, in: Cell reports, DOI: 10.1016/j.celrep.2023.112533, https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(23)00544-2
https://news.rub.de/wissenschaft/2023-06-07-medizin-was-krebsmetastasen-besonders-gefaehrlich-macht
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.
Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.
Neueste Beiträge
Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik
Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…
Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…
Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…