Würzburger Forscher identifizieren Schlüssel zur Kontrolle von Immunreaktionen
Das aus norwegischen Schlauchpilzen isolierte Arzneimittel Cyclosporin A wird seit Jahrzehnten zur Hemmung des Immunsystems nach Organtransplantationen eingesetzt und rettete bereits Tausenden von Patienten das Leben.
Allerdings zeigte sich, dass die langjährige Einnahme von Cyclosporin A eine Reihe von Nebenwirkungen verursacht, darunter auch gravierende wie etwa Nierenversagen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Cyclosporin A verschiedene Abläufe im Körper hemmt – auch solche, die nichts mit der angestrebten Kontrolle des Immunsystems zu tun haben.
Prof. Dr. Serfling aus der Abteilung für Molekulare Pathologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg fand nun mit seiner Arbeitsgruppe heraus, welcher spezielle „Transkriptionsfaktor“, also welches die Immunreaktion auslösende Protein, gehemmt werden muss, um das Abwehrsystem spezifisch – ohne Nebenwirkungen – kontrollieren zu können. Die Ergebnisse entstanden im Rahmen eines Forschungsprojekts, das durch eine Förderung der Wilhelm Sander-Stiftung innerhalb von drei Förderperioden in Höhe von insgesamt 962.000 Euro ermöglicht wurde.
Von der infizierten Zelle zur Immunreaktion
Immunreaktionen kommen durch die Aktivität von Leukozyten, auch weiße Blutkörperchen oder Immunzellen genannt, zustande. Sie patrouillieren durch unseren Körper, erkennen infizierte Zellen oder Krebs-Zellen und töten diese ab. Eine Unterart der Leukozyten sind die Lymphozyten. Sie werden durch sogenannte Immunrezeptoren gesteuert, die an der Oberfläche der Lymphozyten gebildet werden und als „Antennen“ fungieren:
Die Rezeptoren erkennen kranke Zellen und senden Signale in die Lymphozyten, die zu deren Aktivierung führen. Die im Gesundheitszustand meist ruhenden Lymphozyten-Zellen mobilisieren ihren Stoffwechsel, nehmen an Größe zu und vermehren sich rasant.
Die entscheidenden Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass die Immunrezeptoren die infizierten oder „entarteten“ Zellen erkennen, sind sogenannte „zytoplasmatische Transkriptionsfaktoren“. Dabei handelt es sich um spezielle Proteine, die – ausgelöst durch Signale, die die kranken Zellen verursachen – innerhalb weniger Minuten in den Zellkern von Lymphozyten transportiert werden. Dort schalten sie eine Vielzahl von Genen und damit die Synthese von Proteinen an, die den Stoffwechsel, das Wachstum und die Vermehrung der Lymphozyten kontrollieren.
Kontrolle des Immunsystems ohne Nebenwirkungen
Zu diesen Transkriptionsfaktoren gehören die NFAT (`Nuclear Factor of Activated T Cell‘-) Faktoren. Seit den 80er Jahren ist bekannt, dass der Arzneistoff Cyclosporin A die Aktivierung der NFAT-Faktoren und somit auch das Immunsystem hemmt. Prof. Serfling und seine Arbeitsgruppe konnten nun durch ihre Forschung zeigen, dass lediglich ein bestimmter NFAT-Faktor den Stoffwechsel von Lymphozyten und dadurch die Immunreaktion kontrolliert: der sogenannte NFATc1.
Dieser Faktor spielt eine wesentliche Rolle bei der Versorgung der Lymphozyten mit Glukose (Traubenzucker), die von den Lymphozyten zur Ankurbelung ihres Stoffwechsels benötigt wird.¹ In verschiedenen Maus-Modellen der Arbeitsgruppe führte die Zerstörung des NFATc1-Gens in Lymphozyten zu einer deutlichen Abnahme Schuppenflechte-ähnlicher Hautentzündungen², zur Unterdrückung von Gehirnentzündungen von Mäusen, die der menschlichen Multiplen Sklerose ähneln ³,⁴, zur Unterdrückung der Abstoßung transplantierter Herzen (J. Baur et al., in Vorb.) und allergischer Reaktionen.
In einem weiteren Schritt konnten die Forscher noch spezifischere Ergebnisse liefern, indem sie zeigten, dass vor allem NFATc1/αA, eine kurze, induzierte Form von NFATc1, für die Lymphozyten-Aktivierung verantwortlich ist.
Transplantationen, Autoimmun- und Krebserkrankungen als Einsatzgebiete
„Würde es gelingen, die Synthese von NFATc1/αA bei Autoimmunerkrankungen oder bei Transplantations-Patienten zu dämpfen beziehungsweise bei Krebserkrankungen zu steigern, könnten darauf aufbauend Therapien entwickelt werden, die es ermöglichen, die Immunreaktion ohne Nebenwirkungen zu kontrollieren“, so Prof. Serfling, der seine Forschungsarbeit fortführen und sich auf die Suche nach einem Hemmer für NFATc1/αA machen will. Eine Möglichkeit sieht er im Einsatz der sogenannten „Antisense-Technik“, durch die die Bildung von Proteinen beeinflusst werden kann. Jüngste Erfolge bei der Therapie der Krankheit SMA (‚Spinal Muscular Atrophy`) zeigen, dass dies prinzipiell möglich ist.⁵
Referenzen
¹ Klein-Hessling, S. et al., NFAT controls the cytotoxicity of CD8+ T cells. Nature Comm. (2017), in press.
² Alrefai, H. et al. NFATc1 supports imiquimod-induced skin inflammation by suppressing IL-10 synthesis in B cells. Nat Commun 7, 11724, doi:10.1038/ncomms11724 ncomms11724 [pii] (2016).
³ Bhattacharyya, S. et al. NFATc1 affects mouse splenic B cell function by controlling the calcineurin–NFAT signaling network. J Exp Med 208, 823-839, doi:10.1084/jem.20100945 jem.20100945 [pii] (2011).
⁴ Dietz, L. et al. NFAT1 deficit and NFAT2 deficit attenuate EAE via different mechanisms. Eur J Immunol, doi:10.1002/eji.201444638 (2015).
⁵ Wan, L. and G. Dreyfuss, Splicing-Correcting Therapy for SMA. Cell 170, 5 (2017). (und A.R. Krainer, 17.05.17, Seminar in Würzburg).
Kontaktdaten
Prof. Dr. Edgar Serfling
Universität Würzburg
Abteilung für Molekulare Pathologie
Pathologisches Institut
Josef-Schneider-Str. 2
D-97080 Würzburg
Tel.: 0931 31 81207 Fax: 0931 31 81 224
serfling.e@mail.uni-wuerzburg.de
Förderung der medizinischen Forschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses von Prof. Dr. Edgar Serfling ins Leben gerufene Forschungsprojekt in der letzten Förderperiode mit 340.000 Euro unterstützt. Ihr Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 225 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Weitere Informationen zur Stiftung unter:
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