Zucker versüßen Nervengift den Weg

Dr. Andreas Rummel (links) und Dr. Stefan Mahrhold. Quelle: MHH/Kaiser.

Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) klärten in einer internationalen Studie auf, wie das extrem starke Gift des Bakteriums Clostridium botulinum hochspezifisch in die Nervenzellen gelangt.

Dr. Andreas Rummel und Dr. Stefan Mahrhold vom MHH-Institut für Toxikologie veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Zeitschrift „Nature Structural & Molecular Biology“ – gemeinsam mit Dr. Markus Kalkum, City of Hope, Duarte, Dr. Daniel Stern, Robert Koch-Institut, Berlin, Dr. Min Dong, Harvard Medical School, Boston, und Professor Rongsheng Jin, University of California, Irvine.

Mit Botulinum-Neurotoxin werden schwere Bewegungsstörungen erfolgreich behandelt, und als „Botox“ wird es bei der kosmetischen Faltenglättung angewendet. Es verursacht jedoch auch die schwere Lebensmittelvergiftung Botulismus. Wie kommt es, dass dieses Gift ausschließlich in Nervenzellen wirkt?

Die Wissenschaftler um Dr. Rummel erforschen den Wirkmechanismus Schritt für Schritt: 2012 konnten sie zeigen, dass es sich mit Hilfe einer „Eiweißverpackung“ vor der Verdauung im Magen und Dünndarm schützt, erst im Darm freigelassen wird und so ins Blut gelangen kann. Im Jahr darauf klärten sie den Aufbau des 14-teiligen Eiweißkomplexes und dessen Andocken an die Dünndarmwand auf.

2014 beobachteten sie, dass eine ungiftige Untereinheit die äußerste Schicht des Dünndarms durchwandert, um von der Rückseite die Kontakte zwischen den Zellen aufzubrechen und so das Gift effizient ins Blut gelangen zu lassen.

„Jetzt fanden wir heraus, warum das Botulinum-Neurotoxin ausschließlich an Nervenzellen bindet und dann so effizient aufgenommen wird, dass weniger als ein Millionstel Gramm für die Vergiftung eines Erwachsenen ausreichen“, berichtet Dr. Rummel. Den Mechanismus entdeckten sie anhand des Botulinum Neurotoxin vom Serotyp A – dem Wirkstoff in „Botox“.

Mit Röntgenstrahlen ermittelten die Forscher die Raumstruktur des Gifts, während es an seinen Nervenzellrezeptor gebunden ist, an das „Synaptische Vesikel Glykoprotein 2“ (SV2). Der entscheidende Trick: Sie versahen den Rezeptor mit Zuckern, so wie es im menschlichen Körper natürlicherweise der Fall ist. Dadurch verankerte sich das Gift über verschiedene Punkte an seiner Zielstruktur und ging nicht wieder verloren. Zellbiologische Experimente konnten die Wichtigkeit des Zuckers zeigen.

„Ein Toxin ohne Zuckerbindung war nicht mehr giftig. Daraus schließen wir, dass die Zuckerbindung essenziell für eine Vergiftung mit Botulinum-Neurotoxin ist“, erläutert Dr. Rummel. „So ergibt sich auch eine neue Therapiestrategie gegen Botulismus: Kurze, mit Zuckern versehene Proteine können im Fall einer Vergiftung verabreicht werden, um so die Toxinaufnahme in die Nervenzelle zu verhindern.“

Weitere Informationen erhalten Sie von Dr. Andreas Rummel, Tel. (0511) 532-2819, rummel.andreas@mh-hannover.de.

Die Publikation finden Sie im Internet unter folgendem Link: www.nature.com/nsmb/journal/vaop/ncurrent/full/nsmb.3245.html

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Stefan Zorn idw - Informationsdienst Wissenschaft

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