Drahtlose Stromversorgung und schonender Blutfluss
Fast so gut wie das Original: DLR-Kunstherz auf MEDICA 2005 mit Innovationspreis ausgezeichnet
Das Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat ein Kunstherz entwickelt, das die Herzchirurgie revolutionieren könnte. Das Institut ist einer der Gewinner des diesjährigen Innovationswettbewerbs Medizintechnik des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Es wurde heute auf der weltgrößten Medizinmesse MEDICA in Düsseldorf ausgezeichnet. Den Preis erhält das Institut von Professor Gerd Hirzinger für die Entwicklung dieses Kunstherzens, das das Blut annähernd so gut durch den Körper pumpt wie ein natürliches Herz. Um die Entwicklung des Kunstherzens weiter voranzubringen und dadurch eine Alternative zu Herztransplantationen zu schaffen, stellt das BMBF dem Institut rund 300.000 Euro zur Verfügung. "Wir sind stolz, neben unseren neuen Roboterarmen und künstlichen Händen auch in der Medizintechnik ein schönes Beispiel für die Bedeutung der so genannten Mechatronik vorweisen zu können", sagte Professor Gerd Hirzinger.
Zusammenarbeit mit Universitätsklinik und Fachhochschule
Es ist ein alter, bisher unerfüllter Traum der Mediziner, den das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik in Zusammenarbeit mit der Herzchirurgischen Klinik der Universität Bonn (Professor Armin Welz und Dr. Wolfgang Schiller), der Fachhochschule München und der Herzchirurgischen Klinik in Großhadern verwirklichen will: ein künstliches Herz. Zwar existieren bereits eine Reihe von Apparaten, die die Pumpfunktion des Herzens ganz oder teilweise übernehmen können. Doch sind sie nach wie vor fehleranfällig und führen zu Komplikationen. Zu schaffen machen den Forschern etwa Blutgerinnsel, die entstehen, weil das Blut im Kunstherz nicht gleichmäßig genug strömt. Außerdem "stoßen" sich die Blutkörperchen an den mechanischen Strukturen und werden beschädigt. Viele Systeme können zudem nur eine der beiden Herzkammern ersetzen und benötigen zur Stromversorgung eine Verbindung mit der Außenwelt. Die Kabel und Schläuche bieten Krankheitserregern eine Eingangstür in den Körper und fesseln die Patienten an die Stromquelle. Einen kompletten Ersatz für unser zentrales Kreislaufsystem, der langfristig sicher, selbstständig und zuverlässig arbeitet, gibt es bisher nicht.
Kabel zur Außenwelt sind überflüssig
Im DLR hat man sich zum Ziel gesetzt, ein solches Kunstherz herzustellen. Wissenschaftler um Projektleiter Thomas Schmid arbeiten bereits seit 1997 im DLR-Institut für Robotik und Mechatronik an einer Blutpumpe, die die Probleme bisher existierender Systeme vermeiden soll. Mithilfe einer eigens entwickelten drahtlosen Energieübertragung wurde eine effektive Methode gefunden, um die Akkus des Kunstherzens durch die Haut hindurch aufzuladen. Der Patient muss dazu lediglich einen externen Energiegürtel tragen, den er beispielsweise beim Schwimmen länger als eine Stunde ablegen kann. Kabel zur Außenwelt sind überflüssig. Die neuartige Zweikammertechnik zeichnet sich durch einen besonders niedrigen Stromverbrauch aus. Während die Pumpe die eine Herzkammer leert, erzeugt sie in der anderen Kammer einen Sog, so dass diese sich gleichzeitig mit Blut füllt. Weiterer Pluspunkt: Je nachdem wie krank das Herz des Patienten ist, kann das Kunstherz über verschiedene Anschlussadapter so in den Kreislauf integriert werden, dass es entweder nur eine oder beide Herzkammern ersetzt. Das ermöglicht dem Chirurgen maximale Flexibilität während der Operation.
Strömungsuntersuchungen mit Lasertechnik
Um die Gefahr der Bildung von Blutgerinnseln weiter zu minimieren, wurden Pumpenkammern entwickelt, die den menschlichen Herzkammern nachempfunden sind. Dadurch werden alle Bereiche der Kammer optimal durchspült. Ähnlich wie beim natürlichen Herzen geht durch die optimierte Führung der Strömung nur wenig Energie verloren. Dies schont zudem die empfindlichen roten Blutkörperchen. Zur Optimierung der Kammern werden an der Fachhochschule München umfangreiche Strömungsuntersuchungen mittels hochauflösender Lasertechnik durchgeführt.
Das Projekt wurde 2003 mit dem Innovationspreis der European Society for Artificial Organs ausgezeichnet. Ein im August 2005 beim Münchner Businessplanwettbewerb eingereichtes Konzept zum Transfer der Forschungsergebnisse in die vermarktbare Anwendung wurde mit dem zweiten Platz prämiert.
Komponenten aus der Weltraumrobotik
Innerhalb des Kunstherzens kommen auch Technologien zum Einsatz, die das DLR-Institut ursprünglich für die Weltraumrobotik entwickelt hat. Es wird im Prinzip das gleiche Know-how genutzt, das für die Antriebstechnik von Leichtbau-Armen zum Aufbau künftiger "Robonauten" benötigt wird.
Ansprechpartner:
Jörg von Rohland
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Oberpfaffenhofen
Tel.: 08153 / 28-1970
Fax: 08153 / 28-1243
Thomas Schmid
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Robotik und Mechatronik, Oberpfaffenhofen
Tel.: 08153 / 28-2458
Fax: 0815 3/ 28-1134
Prof. Dr. Gerd Hirzinger
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Robotik und Mechatronik, Oberpfaffenhofen
Tel.: 08153 / 28-2400
Fax: 08153 / 28-1134
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.dlr.de/dlr/News/pi_161005_kunstherz.htmlAlle Nachrichten aus der Kategorie: Medizintechnik
Kennzeichnend für die Entwicklung medizintechnischer Geräte, Produkte und technischer Verfahren ist ein hoher Forschungsaufwand innerhalb einer Vielzahl von medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin.
Der innovations-report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Bildgebende Verfahren, Zell- und Gewebetechnik, Optische Techniken in der Medizin, Implantate, Orthopädische Hilfen, Geräte für Kliniken und Praxen, Dialysegeräte, Röntgen- und Strahlentherapiegeräte, Endoskopie, Ultraschall, Chirurgische Technik, und zahnärztliche Materialien.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…