Hüftgelenksersatz in schonender Technik

Eine Endoprothese

Leipziger Orthopäden erhalten in vielen Fällen die Gelenkkapsel

In Deutschland werden jährlich rund 130.000 Hüftgelenke durch Endoprothesen, also dauerhaft im Körper verbleibende Implantate, ersetzt. Zahlreiche Krankenhäuser bieten diese Operation an. An der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universität Leipzig wurde vom Team um Dr. Torsten Prietzel eine modifizierte minderinvasive Operationsmethode entwickelt.

Ihre Herangehensweise wurde von der Fachwelt mit Interesse aufgenommen. Was ist denn neu daran?

Ein derzeit sehr aktuelles Thema ist das minimalinvasive Operieren, worunter in der Hüftendoprothetik bisher ein Eingriff mit möglichst knappem Hautschnitt und Schonung der Muskulatur verstanden wird. Unsere modifizierte Technik zielt auf eine Schonung aller hüftumgebenden Weichteile. Dabei kommt nach unserer Auffassung dem Erhalt der Hüftgelenkkapsel die größte Bedeutung zu. Der sparsame Hautschnitt, den wir gleichfalls immer anstreben, besitzt unseres Erachtens einen geringeren Stellenwert. Den Ausdruck "minimalinvasive Technik" benutzen wir nicht, da durch ein sogenanntes Knopfloch zwar eine Kniegelenksspiegelung aber keine Hüftendoprothesenimplantation zu bewältigen ist. Unsere minderinvasive Methode zeichnet sich durch eine Reihe von Modifikationen aus, welche zum Teil auch andernorts angewendet werden. Ausnahmen stellen sicherlich der Erhalt und die Wiederherstellung der Hüftgelenkskapsel dar. Während in der bisher üblichen OP-Technik und auch bei der Mehrzahl der "minimalinvasiven" Techniken die Kapsel zum Großteil entfernt wird, können wir diese in fast allen Fällen schonen und mit Hilfe einer Naht wiederherstellen. Das Einsetzen eine Hüftpfanne wird zwar durch den Kapselerhalt technisch anspruchsvoller, ist jedoch in gleicher Qualität möglich. Wir erzielen damit eine höhere Gelenkstabilität, dass heißt, die Gefahr einer Ausrenkung des künstlichen Hüftgelenkes ist geringer. Dadurch wird auch die exakte Wiederherstellung der Beinlänge erleichtert, da eine straffe Gelenkeinstellung unter Beinverlängerung nicht notwendig ist.

Was bedeutet das für den Patienten?

Bei Entfernung der Kapsel ist die Stabilität in der Frühphase nach einer Hüftendoprothesenimplantation herabgesetzt. Versucht man dies durch eine straffe Gelenkeinstellung zu kompensieren, bedeutet das in der Regel eine Verlängerung des operierten Beines und somit einen Beckenschiefstand. Der müsste durch eine Schuherhöhung auf der Gegenseite ausgeglichen werden. Die minderinvasive OP-Technik haben wir inzwischen bei über 200 Patienten in einem Zeitraum von drei Jahren angewendet. Bisher ist in dieser Patientengruppe keine Gelenkausrenkung bekannt geworden und postoperative Beinverlängerungen sind eine Seltenheit.

Was ist besonders wichtig beim minderinvasiven Operieren?

Neben dem Kapselerhalt ist die schonende Behandlung von Muskulatur und Traktus das Ziel. Der Traktus ist eine seitliche Verstärkung der Bindegewebshaut, welche die Oberschenkelmuskulatur umgibt. Wir durchtrennen diese Strukturen ausschließlich parallel zur Faserrichtung, wodurch – nachdem sie wieder zusammengenäht sind – deren Reißfestigkeit wesentlich höher ist. Die Länge des Hautschnittes beträgt meist sieben bis zehn Zentimeter und ist somit etwa halb so lang wie bei der herkömmlichen Operationsmethode. Eine wichtige Unterstützung bietet außerdem ein eigenständig entwickeltes Computerprogramm, mit welchem wir die Operation planen und begleiten. Es kommt übrigens auch in der Knieendoprothetik zur Anwendung.

Das hat nichts zu tun mit den Roboter-Operationen, die vor einigen Monaten durch eine hohe Komplikationsrate in Verruf geraten waren?

Überhaupt nicht. Wir planen und simulieren die Hüft- und Knieendoprothesenimplantation am PC, das heißt, wir passen Implantatschablonen in digitale Röntgenbilder ein, welche nach einem speziellen Verfahren kalibriert werden. Dies ermöglicht es, mit hoher Präzision, die für den betreffenden Patienten am besten geeigneten Implantate im Vorfeld der Operation zu ermitteln und die Auswirkung auf Hüftmechanik sowie Beinlänge zu überprüfen. Während der Operation werden wichtige Orientierungspunkte mit der Planung verglichen. Notfalls kann die Planung auch während der Operation verändert werden. Dies kommt allerdings relativ selten vor.

Wird das Einbringen eines künstlichen Hüftgelenkes somit zu einer unproblematischen Operation?

Dies wäre sicher übertrieben. Eine primäre Hüftendoprothesenimplantation ist als mittlerer operativer Eingriff einzustufen. Auch wenn sie statistisch gesehen zu den erfolgssichersten Operationen zählt, bestehen Risiken seitens der Operation und der Anästhesie. Es muss auch erwähnt werden, dass die minderinvasive Technik, insbesondere der Kapselerhalt, die Dauer des Eingriffes gegenüber der herkömmlichen Technik um etwa 20 Minuten verlängert, jedoch ohne erkennbare Nachteile für den Patienten. Ob Verankerung und Verschleiß der Implantate durch die modifizierte OP-Technik beeinflusst werden, kann gegenwärtig nicht abschließend beurteilt werden. Durch die optimierte Implantatauswahl erwarten wir jedoch eher eine geringere Rate von Frühlockerungen bei den zementfrei implantierten Hüftendoprothesen.

Marlis Heinz

weitere Informationen:
Dr. Torsten Prietzel
Telefon: 0341/97-23 103
E-Mail: Torsten.Prietzel@medizin.uni-leipzig.de

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Dr. Bärbel Adams idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-leipzig.de

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