Von der Bewegungskontrolle bis zur Schlafstörung – die Telemedizin erobert den Markt

Gesundheitsökonomische Zwänge, eine innovative gesundheitspolitische Gesetzgebung und Entwicklungen in der Medizintechnik führen zu besserer und zugleich kostengünstigerer Versorgung von vornehmlich chronisch kranken Patienten. Einen wesentlichen Beitrag dazu können moderne Informations- und Kommunikationstechniken liefern. Führende Marktforschungsinstitute wie zum Beispiel Frost & Sullivan prophezeien der Branche eine rosige Zukunft mit Umsatzsteigerungen von rund 40% pro Jahr.

Intelligente Schuhsohlen kommunizieren mit dem Mobiltelefon

Im Bereich der Herz-Kreislauferkrankungen ist Bewegung der Schlüssel zur Prävention. „Bereits mit 2000 Schritten über dem normalen Durchschnitt lässt sich pro Tag eine Gewichtsabnahme erreichen“, versichert Heinz-Georg Scholz von der Kirchweidacher Sendsor GmbH. Mit Hilfe eines koordinierten Bewegungsprogramms lasse sich das Wohlbefinden steigern und eine Reduzierung des Bluthochdrucks erzielen.

Zu diesem Zweck hat die Sendsor GmbH eine intelligente Schuhsohle entwickelt, die personenbezogene Bewegungsparameter erfasst und die auch in der Lage ist, mit dem Mobiltelefon des Teilnehmers zu kommunizieren. Die als ActiveTrack bezeichnete Innovation verfügt über matrizenförmig angeordnete Drucksensoren, um ein detailliertes Druckprofil des Fußes zu erhalten. Mit diesen Druckdaten können sowohl Schritte gezählt als auch Schrittarten erkannt werden. Auf diese Weise werden Schrittmuster und Art der Bewegung erkannt. Verschiedene Trainingsmodelle stehen dem Benutzer zur Verfügung und können aus dem Internet auf das Mobiltelefon geladen werden. Darüber hinaus erhält der Benutzer via Mobiltelefon ein Feedback zu den absolvierten Fitnessprogrammen. Hauptziel solcher Präventionssysteme ist das Gesundheitsbewusstsein der Teilnehmer zu schulen.

Verbesserte Diagnose von Asthmaerkrankungen

Ein weiteres Beispiel für Mobile Anwendungen ist das von der Sendsor GmbH entwickelte Lungenfunktionsmessgerät – auch Spirometer genannt. Der Anwendungsbereich des Gerätes liegt in der Peak-Flow-Messung und der dadurch vereinfachten Diagnose von Asthmaerkrankungen. Damit ein Arzt solche Aussagen treffen kann, müssen bei den Patienten über einen Zeitraum von 2 Wochen mehrere Messungen durchgeführt werden. Da Atemwegserkrankungen bei ca. 10 % der Bevölkerung verbreitet sind, ist eine positive Diagnose sehr wahrscheinlich. Bisher sind nur wenige Ärzte mit einem Spirometer ausgestattet. Die Gründe hierfür sind in der fehlenden Mobilität sowie im Fehlen der automatisierten Datenübertragung und auch in den hohen Anschaffungskosten zu suchen.

Um diesem Missstand zu begegnen, wurde in einer Projektgruppe gemeinsam mit Dr. Hans-Georg Gruber von der TU – München ein kleines, kostengünstiges und einfach zu bedienendes Spirometer entwickelt. Das Gerät wird mit einem Inhalator kombiniert, der die Medikamenteneinnahme automatisch dokumentiert. Arzt und Patient erhalten so Informationen über die Wirkung von Medikamenten bezüglich der Lungenfunktionswerte. Außerdem können Arzt und Krankenkasse die Einnahme (Compliance) von Medikamenten überwachen.

Zuverlässige Blutdruckkontrolle ohne „Weißkittel-Effekt“

Am Heinz Nixdorf – Lehrstuhl für Medizinische Elektronik der TU München haben Prof. Bernhard Wolf und die Firma OMRON Europe wiederum gemeinsam ein Blutdruckmessgerät entwickelt, mit dem Patienten einfach und hochpräzise selbst ihren Blutdruck bestimmen können. Ein integrierter Positionierungssensor zeigt an, ob das Gerät korrekt am Handgelenk angebracht ist. Der Heinz Nixdorf-Lehrstuhl und OMRON forschen in einem gemeinsamen Projekt an Telemetric Personal Health (TPHM) Systemen. Im realisierten TPHM – System überträgt das Blutdruckgerät die Daten über ein Handy an den behandelnden Arzt. Arzt und Patient können jederzeit auf die Daten zugreifen. Veränderungen des Gesundheitszustands des Patienten können sofort erkannt werden.

Das Blutdruck – System besteht aus einem medizinischen Sensor und einer Einheit, die die Daten an ein Endgerät weiterleitet, etwa ein Mobiltelefon oder einen Personal Digital Assistent. So kann der Patient jederzeit und sofort die Werte als Grafik auf einem Display betrachten. Der Arzt hat zugleich die Möglichkeit, häufiger und über einen längeren Zeitraum medizinischer Gesundheitsparameter des Patienten zu erfassen – ohne direkten Patientenkontakt. Auf diese Weise können Medikamente genauer eingestellt und Abweichungen frühzeitig erkannt werden. Völlig neue Therapieformen werden somit erst möglich.

Via Handy kontrollieren Ärzte den Schlaf der Patienten

Ein bislang vernachlässigtes medizinisches Phänomen ist die starke Zunahme des Zähneknirschens, auch Bruxismus genannt. Schon heute sind ca. 10% der erwachsenen Bevölkerung betroffen. Eine telemedizinische, mit Sensoren ausgestattete Aufbiss-Schiene der Sendsor GmbH macht es möglich, die beim Bruxismus auftretenden Kräfte erstmals komfortabel und in Realzeit zu messen. Gemessen werden die Kräfte direkt zwischen den Zahnflächen. Die gesamte Sensorik und Messelektronik werden in einer Zahnschiene untergebracht, die Bruxismuspatienten üblicherweise zur Schonung ihrer Zähne verordnet bekommen. Die Daten werden kabellos nach Außen übertragen. Es kann komfortabel und in Realzeit gemessen werden, ohne wie bisher störende Elektroden im Gesicht des Patienten zu befestigen oder eine große Anzahl von Patienten im Schlaflabor zu untersuchen.

Die „Schlafwächter-Box“ empfängt und speichert die Messdaten der Schiene. Die Daten werden für den Patienten grafisch auf einem Mobiltelefon angezeigt und automatisch an den zuständigen Arzt weitergeleitet. Dadurch können sowohl Diagnose als auch Verlaufsbeobachtungen im gewohnten häuslichen Umfeld des Patienten erfolgen ohne die Schlafqualität des Patienten und damit das Messergebnis zu beeinflussen.

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Rolf Froböse Rolf Froböse

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