Diagnostik nach dem Vorbild von Blutegeln

Ein Prototyp des neuen kleinen Blutentnahmegeräts.
(c) Zoratto et al. Advanced Science 2024

Ein neues Gerät zur Blutentnahme nutzt Mikronadeln und einen Saugnapf statt einer grossen Nadel. Menschen mit Nadelphobie könnten davon profitieren. Es lässt sich damit mehr Blut gewinnen als mit dem klassischen Fingerstich. Diagnostische Messungen sind daher zuverlässiger. Weil das Gerät kostengünstig hergestellt werden kann, eignet es sich auch für Entwicklungsländer.

Nicht wenige Menschen haben Angst vor einer Nadel. Sich von einer Ärztin oder einem Arzt am Arm Blut abnehmen zu lassen, ist ihnen unangenehm. Zwar gibt es eine Alternative: der Stich in die Fingerkuppe oder das Ohrläppchen. Doch für viele diagnostische Untersuchungen reicht der Tropfen Blut, den man am Finger gewinnen kann, nicht aus. Vor allem aber sind damit gemachte Messungen oft ungenau. Laborwerte schwanken von Messung zu Messung.

Forschende der ETH Zürich haben nun ein neues Gerät zur Blutentnahme entwickelt. Es funktioniert nach dem Blutegel-​Prinzip und ist weniger invasiv als die Blutentnahme mit einer Nadel am Arm. Zudem ist es einfach zu handhaben und kann auch von Personen ohne medizinische Ausbildung verwendet werden. Mit dem neuen Gerät lässt sich zwar nicht so viel Blut gewinnen wie mit einer Nadel, aber deutlich mehr als mit einem Fingerstich. Die Messungen werden dadurch zuverlässiger.

Geringe Verletzungsgefahr

Auf die Idee für das neue Gerät kamen die ETH-​Forschenden, als sie zuvor etwas anderes entwickelt hatten: einen Saugnapf, der Medikamente über die Mundschleimhaut ins Blut transportiert. «Für dieses Projekt hatten wir bereits Blutegel studiert. Sie saugen sich an ihrem Wirt fest. Uns wurde klar, dass wir ein ähnliches System entwickeln könnten, um Blut zu gewinnen», sagt David Klein. Er ist Doktorand in der Gruppe von Jean-​Christophe Leroux, Professor für Galenik an der ETH Zürich.

Nachdem sich Blutegel festgesaugt haben, durchdringen sie mit ihren Zähnen die Haut und erzeugen durch ihr Schlucken einen Unterdruck, über den sie Blut aus der Wunde saugen. Ganz ähnlich funktioniert auch das neue Gerät: Ein etwa zweieinhalb Zentimeter grosser Saugnapf wird am Oberarm oder am Rücken angebracht. Darin befinden sich ein Dutzend Mikronadeln, welche beim Anpressen die Haut punktieren. Der Unterdruck im Saugnapf sorgt dafür, dass sich innerhalb weniger Minuten genügend Blut darin sammelt, das dann für diagnostische Untersuchungen verwendet werden kann.

Das neue Gerät ist sehr kostengünstig herzustellen, wie Nicole Zoratto betont. Sie ist Postdoc in der Gruppe von Leroux, hat diese Entwicklung geleitet und ist Erstautorin einer Studie, die in der Fachzeitschrift Advanced Sciencec veröffentlicht wurde. Eine künftige Anwendung sieht Zoratto denn auch in ressourcenschwachen Regionen wie Subsahara-​Afrika, wo das neue Gerät einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Tropenkrankheit Malaria leisten könnte. Um Malaria zu diagnostizieren, muss den Patientinnen und Patienten Blut abgenommen werden.

Ein weiterer Vorteil des neuen Geräts: Die Mikronadeln befinden sich im Innern des Saugnapfs. Dadurch ist die Verletzungsgefahr beim Anwenden und Entsorgen geringer als bei der Blutentnahme mit klassischen Nadeln.

In der aktuellen Version des Blutegel-​Geräts besteht der Saugnapf aus Silikon und die darin verborgenen Mikronadeln aus Stahl. Die Forschenden sind allerdings dabei, eine nächste Version aus vollständig biologisch abbaubaren Materialien zu entwickeln, um ein nachhaltiges Produkt zu schaffen.

Suche nach Partner für Markteinführung

Die Forschenden haben ihr neues Gerät an Schweinen getestet. Die vollständigen Herstellungsinformationen haben sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Bevor das Gerät bei Menschen breit angewandt werden kann – in Malariagebieten und anderswo –, muss die Materialzusammensetzung noch optimiert werden. Und vor allem muss die sichere Anwendung mit einer kleinen Gruppe von Probanden getestet werden. Da solche Studien aufwändig und teuer sind, sucht die Forschungsgruppe noch einen Partner für die weitere Finanzierung, zum Beispiel eine gemeinnützige Stiftung. Dies in der Hoffnung, dass die neuen Blutegel-​Geräte schon bald einen Beitrag leisten können für die Gesundheit von Kindern und allen anderen, die sich vor Nadeln fürchten.

Originalpublikation:

Zoratto N, Klein-​Cerrejon D, Gao D, Inchiparambil T, Sachs D, Luo Z, Leroux JC: A Bioinspired and Cost-​Effective Device for Minimally Invasive Blood Sampling. Advanced Science, 7. März 2024, doi: 10.1002/advs.202308809

https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2024/05/diagnostik-nach-dem-vorbild-von-blutegeln.html

Media Contact

Peter Rüegg Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizintechnik

Kennzeichnend für die Entwicklung medizintechnischer Geräte, Produkte und technischer Verfahren ist ein hoher Forschungsaufwand innerhalb einer Vielzahl von medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin.

Der innovations-report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Bildgebende Verfahren, Zell- und Gewebetechnik, Optische Techniken in der Medizin, Implantate, Orthopädische Hilfen, Geräte für Kliniken und Praxen, Dialysegeräte, Röntgen- und Strahlentherapiegeräte, Endoskopie, Ultraschall, Chirurgische Technik, und zahnärztliche Materialien.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Selen-Proteine …

Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung. Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von…

Pendler-Bike der Zukunft

– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…

Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung

Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…