Für neue Diagnoseverfahren: Physiker erzielen Messrekord für extrem schwache magnetische Signale

Mit dem Magnetfeldsensor im Zylinder lässt sich auch der Magnetismus von Blättern messen: Uwe Hartmann demonstriert dies an einem getrockneten Lotus-Blatt. Foto: Oliver Dietze

Die Physiker suchen auf der Hannover Messe vom 1. bis 5. April Partner, um die Messmethoden weiterzuentwickeln: in Halle 2 am Forschungsstand B46.

Wollen Ärzte heute das Herz ihres Patienten darauf untersuchen, ob es stolpert oder flimmert, müssen sie erst Elektroden auf Brust, Handgelenke und Fußknöchel kleben. Gleiches gilt für die elektrische Aktivität des Gehirns: Erst muss verkabelt werden, dann lassen sich die Hirnströme messen. Wenn es schnell gehen muss, verlieren Helfer dadurch wertvolle Zeit.

Einfacher wären Geräte, die ähnlich wie ein Metallsucher über Körper oder Kopf gehalten werden und trotzdem zuverlässige Werte liefern. Bislang scheitern derart berührungsfreie medizinische Diagnoseverfahren daran, dass sie wenig alltagsstauglich sind.

Hinreichend empfindliche Messsensoren, die biomagnetische Körpersignale messen können, brauchen heute extreme Bedingungen: Sie müssen gegen Störungen von außen stark abgeschirmt, bei unpraktischen Temperaturen von unter 200 Minus-Graden gekühlt oder im Vakuum betrieben werden.

Jetzt haben der Experimentalphysiker Professor Uwe Hartmann und sein Forscherteam an der Universität des Saarlandes ihre Magnetfeldsensoren so weiterentwickelt, dass sie ohne solche Weltraumbedingungen in normaler Umgebung sehr schwache Signale erfassen können – wie etwa die vielfältigen Körperfunktionen, die sich durch Magnetfelder äußern.

„Verglichen mit bekannten Maßstäben entspricht unsere Messung dem Auffinden eines Sandkorns im Gebirge: Wir können über verhältnismäßig große Distanzen Magnetfelder messen, die annähernd eine Million Mal kleiner sind als das Erdmagnetfeld – etwa einige Picotesla, 10 hoch -12“, erklärt Uwe Hartmann. Bislang erfassen Sensoren unter normalen Bedingungen nur Magnetfelder, die etwa tausend Mal kleiner sind als das Erdmagnetfeld.

Die eigentliche Herausforderung lag weniger im kaum messbar kleinen Signal selbst. „Das Hauptproblem ist, diese Signale in einer gewöhnlichen Umgebung aus einer Vielzahl von Störsignalen sauber herauszulesen“, sagt Hartmann.

Denn alles Mögliche verrauscht, überlagert und verfälscht das Messsignal, das eigentlich interessiert – angefangen vom Erdmagnetfeld über Elektrogeräte, vorbeifahrende Autos bis hin zu Signalen anderer Organe oder gar Sonnenstürme.

Hartmanns Arbeitsgruppe forscht seit Jahren an den Magnetfeldsensoren und entwickelt diese für verschiedenste Anwendungen beständig weiter. „Wir haben unsere Sensoren in den vergangenen Jahren kontinuierlich sensibler und selektiver gemacht. Durch diese fortwährende Weiterentwicklung der Sensoren, ihres Materials und vor allem auch der Software zur Datenverarbeitung wurde die jetzt erreichte Empfindlichkeit möglich“, erläutert er.

Hartmann und sein Team haben in verschiedenen Projekten daran gearbeitet, aus Messsignalen Störungen herauszufiltern. So haben die Forscher ein Sensor-Kabel entwickelt, in dem Magnetfeldsensoren miteinander verbunden und vernetzt sind. Verschiedene solcher Systeme sind bereits als Verkehrsleitsysteme zum Beispiel an Flughäfen testweise im Einsatz.

Um das Sensorsystem auch zur Überwachung an Zaunanlagen einsetzen zu können, haben die Forscher in vielen Versuchsreihen etliche Arten von Änderungen des Magnetfeldes simuliert und den jeweiligen Ursachen zugeordnet – etwa von Erschütterungen an Zäunen. Je nach Art der Störung unterscheiden sich die Signalmuster, die die Sensoren messen.

Die Physiker haben die Datenmuster mathematisch modelliert, in Algorithmen übersetzt und die Auswerteeinheit immer detailreicher programmiert und verfeinert. „Mit diesen Informationen haben wir das System angelernt und immer weiter ausgebaut. Es erkennt typische Muster, ordnet sie selbstständig Störungen zu. Wir können Messwerte und Signalmuster inzwischen sehr genau ihren Ursachen zuordnen“, erläutert Hartmann.

Noch handelt es sich um ein Ergebnis der Grundlagenforschung. Die möglichen Anwendungsfelder der hoch empfindlichen Magnetfeldsensoren sind jedoch vielfältig: Sie können in der Medizin Einsatz finden und in Kardiologie oder Neurologie Ergänzung zu EKG (Elektrokardiographie) oder EEG (Elektroenzephalographie) sein. Auch können sie bei geophysikalischen Untersuchungen helfen, Erdöl, Erze oder archäologische Funde aufzuspüren.

Auf der Hannover Messe suchen die Forscher Partner aus der Wirtschaft vor allem auch aus der Medizintechnik, um ihre Ergebnisse für den praktischen Einsatz weiterzuentwickeln.

Am Forschungsstand in Halle 2 (B46) demonstrieren sie die Empfindlichkeit ihrer Sensoren: Unter anderem detektieren die Forscher unerwartet magnetische Objekte aus der Umwelt.

Die Forschung wurde unter anderem von der Europäischen Union, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Bundesforschungsministerium gefördert.

Pressefotos für den kostenlosen Gebrauch finden Sie unter
https://www.uni-saarland.de/universitaet/aktuell/pm/pressefotos.html. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen.

Englische Version dieser Pressemitteilung:
https://www.uni-saarland.de/nc/universitaet/aktuell/artikel/nr/20573.html

Der saarländische Forschungsstand wird organisiert von der Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer der Universität des Saarlandes (KWT). Sie ist zentraler Ansprechpartner für Unternehmen und initiiert unter anderem Kooperationen mit Saarbrücker Forschern. www.uni-saarland.de/kwt

Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Uwe Hartmann, Lehrstuhl für Nanostrukturforschung und Nanotechnologie der Universität des Saarlandes: Tel.: (0681) 302-3799 oder -3798; E-Mail: u.hartmann@mx.uni-saarland.de
Dr. Haibin Gao Tel: (0681) 302-3654; E-Mail: h.gao@mx.uni-saarland.de

Hinweis für Hörfunk-Journalisten: Telefoninterviews in Studioqualität sind möglich über Rundfunk-Codec (IP-Verbindung mit Direktanwahl oder über ARD-Sternpunkt 106813020001). Kontakt: 0681/302-2601, oder -64091.

Media Contact

Claudia Ehrlich Universität des Saarlandes

Weitere Informationen:

http://www.uni-saarland.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizintechnik

Kennzeichnend für die Entwicklung medizintechnischer Geräte, Produkte und technischer Verfahren ist ein hoher Forschungsaufwand innerhalb einer Vielzahl von medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin.

Der innovations-report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Bildgebende Verfahren, Zell- und Gewebetechnik, Optische Techniken in der Medizin, Implantate, Orthopädische Hilfen, Geräte für Kliniken und Praxen, Dialysegeräte, Röntgen- und Strahlentherapiegeräte, Endoskopie, Ultraschall, Chirurgische Technik, und zahnärztliche Materialien.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…