Herzpflaster in der klinischen Prüfung: Dosisfindung abgeschlossen

Herzpflaster in unterschiedlichen Dosierungen: Die Herzpflaster für BioVAT werden aus 5, 10 oder 20 Herzgeweben direkt vor Anwendung im OP zusammengesetzt.
Quelle: Wolfram Hubertus Zimmermann

Weltweit einzige klinische Studie, in der Patient*innen mit Herzschwäche künstliches Herzgewebe implantiert wird, um den Herzmuskel dauerhaft zu stärken, hat den ersten wichtigen Meilenstein erreicht: Die Ermittlung der maximalen sicheren Höchstdosis konnte nach Behandlung von 10 Patient*innen abgeschlossen werden.

Die weltweit einzige klinische Studie, in der Patient*innen mit Herzschwäche künstliches Herzgewebe implantiert wird, um den Herzmuskel dauerhaft zu stärken, hat den ersten wichtigen Meilenstein erreicht: Die Ermittlung der maximalen sicheren Höchstdosis konnte nach Behandlung von 10 Patient*innen abgeschlossen werden. Mit künstlichem Herzgewebe aus 800 Millionen Herzzellen sollen jetzt insgesamt 35 Patienten behandelt werden, um Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Herzpflaster zu erhalten. Die Studie BioVAT-HF-DZHK20 wird an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, durchgeführt und vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie der Repairon GmbH finanziert.

Prof. Dr. Wolfram Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der UMG und wissenschaftlicher Leiter der BioVAT-HF-Studie.
Foto: umg / spförtner

Die klinische Studie BioVAT-HF-DZHK20 überprüft seit Anfang 2021 erstmals im Menschen, ob künstliches Herzgewebe den Herzmuskel von Patient*innen mit schwerer Herzschwäche dauerhaft durch Wiederaufbau von Herzmuskelgewebe stärken kann. Das Gewebe wird aus induzierten-pluripotenten Stammzellen in Reinräumen der Universitätsmedizin Göttingen unter der Leitung der Transfusionsmedizin hergestellt und als sogenanntes Herzpflaster auf den erkrankten Herzmuskel aufgenäht. In der ersten Phase der Studie zur Dosisfindung lag der Schwerpunkt darauf, Machbarkeit und Sicherheit der Methode zu prüfen. Ziel der klinischen Prüfung ist es, für den Einsatz von künstlichem Herzgewebe die Zulassung als Arzneimittel für neuartige Therapien zu erhalten.

Um die maximale sichere Dosis zu ermitteln, bekamen zwei Patient*innen Herzpflaster aus 200 Millionen Zellen, zwei Patient*innen Herzpflaster aus 400 Millionen und sechs Patient*innen Herzpflaster aus 800 Millionen Zellen implantiert. Damit wurde die höchste Dosis gemäß Studienprotokoll erreicht und die Phase 1 der BioVAT-HF Studie, die Dosisfindung, abgeschlossen. Insgesamt wurden in der Phase der Dosisfindung sechs Milliarden aus pluripotenten Stammzellen abgeleitete Herzzellen implantiert.

„Die an der Universitätsmedizin Göttingen hergestellten Herzpflaster lassen sich in Patienten mit Herzmuskelschwäche implantieren. Erstmals konnten wir dabei den Aufbau echter Herzmuskulatur am menschlichen Herzen beobachten. Nun sehen wir der weiteren Auswertung der klinischen Daten nach Abschluss der Dosisfindung entgegen“, sagt Prof. Dr. Wolfram Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der UMG und wissenschaftlicher Leiter der BioVAT-HF-Studie.

In einem nächsten Schritt soll die BioVAT-HF Studie als sogenannte Proof-of-Concept (PoC) Studie fortgesetzt werden. Eine erste Zwischenauswertung mit Augenmerk auf die Wirksamkeit erfolgt nach Behandlung von insgesamt 15 Patient*innen mit einer Dosis von 800 Millionen Zellen. Diese Daten werden für die zweite Jahreshälfte 2024 erwartet. Insgesamt sollen 35 Patient*innen im Rahmen der PoC Studie behandelt werden.

Die Studie BioVAT-HF-DZHK20 wird federführend an der Universitätsmedizin Göttingen unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Wolfram Hubertus Zimmermann, Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UMG und Sprecher des DZHK-Standorts Göttingen, sowie unter der klinischen Leitung von Prof. Dr. Tim Seidler, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG, durchgeführt. Beteiligt sind neben klinischen Partnern aus der Universitätsmedizin Göttingen unter anderem die Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck.

Der Studie geht eine 25-jährige präklinische Entwicklung voraus. Die letzten Entwicklungsschritte vor dem klinischen Einsatz wurden vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) im Rahmen seiner translationalen Strategie unterstützt. Die Herstellung der künstlichen Herzgewebe für die Anwendung in BioVAT-HF an der UMG wird von dem Göttinger Biotechnologieunternehmen Repairon GmbH kofinanziert.

„Wir freuen uns den Abschluss der Dosisfindung im Rahmen der Untersuchung einer grundsätzlichen neuen Behandlungsform bei schwerer Herzmuskelschwäche im Rahmen der BioVAT-HF Studie bekannt geben zu können“ sagt Prof. Dr. Tim Seidler vom Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen und Leiter der klinischen Prüfung.

„Mit der Transplantation von künstlichem Herzgewebe entsteht eine neuartige therapeutische Option für Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche, die in Zukunft als Alternative zu mechanischen Herzunterstützungssystemen dienen kann“, sagt Prof. Dr. Ingo Kutschka, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universitätsmedizin Göttingen und chirurgischer Leiter der BioVAT-HF Studie an der UMG.

„Nach vielen Jahren der präklinischen Entwicklung und Forschung konnten wir jetzt zum ersten Mal die Übertragbarkeit biologischer Herzmuskelgewebeimplantate und darüber den Aufbau neuer Muskulatur im menschlichen Herz mit schwerer Herzmuskelschwäche zeigen“, sagt Prof. Dr. Stephan Ensminger, Direktor der Klinik für Herz und thorakale Gefäßchirurgie am Universitären Herzzentrum Lübeck (UHZL) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und chirurgischer Leiter der BioVAT-HF Studie am UKSH.

„Wir sehen erstmalig den Aufbau echter Herzmuskulatur im menschlichen Herz mit schwerer Herzmuskelschwäche und sehen den Ergebnissen der BioVAT-HF Studie mit Spannung entgegen“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen.

„Wir freuen uns an der weltweit ersten Prüfung des BioVAT-Verfahrens im Menschen teilzunehmen, mit dem Versuch eine medizinische Unterversorgung in Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche zu adressieren“, sagt Prof. Dr. Ingo Eitel, Direktor der Medizinischen Klinik II (Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin) am Universitären Herzzentrum Lübeck (UHZL) des UKSH.

„Es besteht ein großer Bedarf an neuartigen, reparativen Behandlungsoptionen für Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche“, sagt Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Mitbegründer der Repairon GmbH und wissenschaftlicher Leiter der BioVAT-HF Studie. „Nach über 25 Jahren der Entwicklung untersucht die BioVAT-HF-Studie erstmalig, ob die Implantation im Labor gezüchteter Herzmuskulatur in Patienten mit austherapierter Herzmuskelschwäche eine neue Behandlungsoption darstellt. Dabei ist der neuartige Ansatz darauf ausgerichtet, die zentrale Ursache der Herzmuskelschwäche, den Verlust an Herzmuskelzellen, auszugleichen. Unsere bisherigen Beobachtungen aus BioVAT-HF decken sich dabei mit den Erfahrungen aus umfangreichen präklinischen Untersuchungen

HIntergrundinformation

Herzschwäche oder Herzinsuffizienz betrifft weltweit etwa 60 Millionen Menschen. Trotz der Fortschritte bei pharmakologischen und interventionellen Herzinsuffizienz-Therapien sterben 20 Prozent der Patient*innen mit Herzinsuffizienz innerhalb eines Jahres. Nach fünf Jahren sind trotz optimaler medizinischer Therapie 50 Prozent der Patient*innen mit Herzinsuffizienz verstorben. Aufgrund des dramatischen demografischen Wandels unserer alternden Bevölkerung wird die Häufigkeit (Prävalenz) von Herzinsuffizienz weiter zunehmen und dabei zum Tode von mehr Menschen führen als durch jede andere Krankheit. Neuartige Behandlungsoptionen für die Reparatur oder Regeneration des Herzens würden das Therapiespektrum erheblich erweitern.

Bildunterschrift: Herzpflaster in unterschiedlichen Dosierungen

Abb. Herzpflaster in unterschiedlichen Dosierungen: Die Herzpflaster für BioVAT werden aus 5, 10 oder 20 Herzgeweben direkt vor Anwendung im OP zusammengesetzt. Ein einzelnes Herzgewebe wird aus 40 Millionen Herzzellen hergestellt. Die schematische Darstellung zeigt von links nach rechts: Ein Herzgewebe, 5 überlappend angeordnete Herzgewebe aus insgesamt 200 Millionen Herzzellen, 2 Lagen von jeweils 5 überlappend angeordneten Herzgeweben aus insgesamt 400 Millionen Herzzellen, 2 Lagen von jeweils 10 überlappend angeordneten Herzgeweben aus insgesamt 800 Millionen Herzzellen. Quelle: Wolfram Hubertus Zimmermann

Weitere Informationen:

Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
Christine Vollgraf
Leiterin Öffentlichkeitsarbeit
DZHK-Geschäftsstelle Berlin, Potsdamer Str. 58, 10785 Berlin
Telefon 030 / 3465 529-02
christine.vollgraf@dzhk.de
www.dzhk.de

Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Unternehmenskommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leitung und Pressesprecher: Stefan Weller, Telefon 0551 / 39-61020
Von-Siebold-Str. 3, 37075 Göttingen
presse.medizin@med.uni-goettingen.de
www.umg.eu

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Oliver Grieve
Pressesprecher
Mobil: 0173 4055 000, Oliver.Grieve@uksh.de
Campus Kiel, Arnold-Heller-Straße 3, 24105 Kiel
Telefon 0431 / 500-10 700
Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160,23538 Lübeck
Telefon 0451 / 500-10 700

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen
Telefon 0551 / 39-65781, Fax 0551 / 39-5699
Email: biovat.info@med.uni-goettingen.de
Web: www.biovat.dzhk.de

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Universitäres Herzzentrum Lübeck
Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie
Prof. Dr. Stephan Ensminger,
Telefon 0451 / 500-42301, stephan.ensminger@uksh.de

Medizinische Klinik II
Prof. Dr. Ingo Eitel, Telefon 0451 / 500-44501, ingo.eitel@uksh.de

+++ Gemeinsame Information der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) mit dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck +++

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