Kommunikation mithilfe von Molekülen

Prof. Dr. Härteis (Universität Regensburg) und Prof. Dr. Aung (TH Deggendorf)
Foto: Julia Drahan

Die Europäische Union finanziert ein Projekt für die Entwicklung eines neuen Konzepts der Informationsübertragung für aktive implantierte medizinische Geräte im Rahmen ihres Förderprogramms Horizont Europa.

Für das Projekt ERMES stellt die Europäische Union im Rahmen des hoch kompetitiven Förderprogramms Horizont – EIC (European Innovation Council) Pathfinder Open – über einen Förderraum von 36 Monaten mehr als 3,7 Millionen Euro zur Verfügung. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines neuen Konzepts der Informationsübertragung für aktive implantierte Geräte (Active Implantable Medical Device, kurz: AIMD). Aus Bayern beteiligt sind die Universität Regensburg (Prof. Dr. Härteis), die TH Deggendorf (Prof. Dr. Aung) und die FAU Erlangen-Nürnberg (Dr. M. Schäfer). „Ihnen wurden mehr als ein Drittel der Fördersumme bewilligt. Ein grandioser Erfolg. Von 1119 eingereichten Anträgen wurden in diesem Jahr nur 40 bewilligt“, sagt Prof. Silke Härteis, die das Regensburger Teilprojekt leitet. Weitere Partner des Verbundprojekts sitzen in Finnland und Frankreich. Die Federführung hat die Università di Catania in Italien. Neben den Universitäten sind auch vier Firmen beteiligt.

Mit der Zunahme chronischer Erkrankungen wachsen auch die Einsatzmöglichkeiten für AIMDs mit denen fehlende oder defekte Körperteile ersetzt, Medikamente verabreicht, Körperfunktionen überwacht oder Organe und Gewebe unterstützt werden können. Bekannteste Beispiele für AIMDs sind technische Geräte wie Herzschrittmacher oder implantierbare Defibrillatoren. Sie werden durch einen medizinischen oder chirurgischen Eingriff in den Körper eines Patienten implantiert, um dort vor Ort für unbestimmte Zeit ihre Dienste zu verrichten. Solche Geräte arbeiten autonom und müssen Daten nach außen übertragen. Die eingeschränkte Möglichkeit, ihre Funktion zu steuern und zu überwachen stellt ein wesentliches Hemmnis für neue Entwicklungen dar. Dies liegt vor allem daran, dass AIMDs innerhalb des Körpers, auf klassischen Übertragungswegen wie etwa mittels elektromagnetischer Wellen, nur eingeschränkt les- und steuerbar sind.

Um eine effiziente Kommunikation mit AIMDs zu gewährleisten, müssen neuartige Wege der Informationsübertragung zwischen den Geräten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Körpers entwickelt und etabliert werden. In ihrem Projekt ERMES (INFORMATION TRANSFER BETWEEN MEDICAL DOCTORS AND IMPLANTED MEDICAL DEVICES VIA SYNTHETIC MOLECULAR COMMUNICATION) wollen die Projektpartner diese Lücke schließen. Ihr Ziel ist es, neuartige Kommunikations- und Sensor-Konzepte für AIMDs zu entwickeln. Sie bauen dabei auf drei Säulen:

1. das chemische Design und die Synthese geeigneter Botenstoffe

2. die Entwicklung geeigneter Systeme, um die Botenstoffe über das Blutkreislaufsystem in den Körper einzubringen

3. die Entwicklung von Nachweisstrategien für die entsprechenden Botenstoffe im Blutkreislauf.

Prof. Silke Härteis vom Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie der Fakultät für Biologie und Vorklinik an der Universität Regensburg nutzt dafür das sogenannte Chorion-Allantois-Membran (CAM)-Modell. Beim CAM-Modell ersetzt die Aderhaut von befruchteten Hühnereiern – auch Chorion-Allantois-Membran genannt – klassische Tierversuche. Es ist zudem kosteneffizient und zeitsparend. Die Forscherin hat bereits Erfahrungen mit dem Modell. Sie ist mit einem Teilprojekt am Transregio 374 „Tubulussystem und Interstitium der Niere: (Patho-) Physiologie und Crosstalk“ beteiligt. Das Verbundprojekt zwischen der Universität Regensburg und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat das Ziel, Einblicke in die Entstehung verschiedener Nierenerkrankungen zu bekommen. Mit dem CAM-Modell untersucht sie das Wachstum einer besonderen, schweren Form erblicher Nierenzysten und prüft vielversprechende Medikamente auf ihre Wirksamkeit.

Für das Projekt im Rahmen des Horizont-Förderprogramms setzt Prof. Härteis auf dasselbe Modell, nur mit einem völlig anderen Ziel. Nämlich neuartige Informationssysteme für AIMDs zu entwickeln, bei denen Moleküle – also chemische Verbindungen – für die Kommunikation zwischen AIMDs innerhalb des Körpers eingesetzt werden. Dieses noch relative neue Konzept der Informationsübertragung wird „molekulare Kommunikation“ genannt. „Die molekulare Kommunikation basiert auf Prinzipien aus der Natur und kodiert Informationen in dem sie unterschiedliche Konzentrationen oder Eigenschaften von Molekülen nutzt“, so Prof. Härteis.

Für die Kommunikation zwischen AIMDs und externen Geräten außerhalb des Körpers sind sogenannte Gateways erforderlich, die es ermöglichen, ein Signal aus dem Körperinneren wie etwa eine bestimmte Molekülkonzentration (MK) in ein makroskopisches Signal wie etwa Licht oder elektromagnetische Wellen umzusetzen. Diese Signale werden dann von externen Geräten empfangen und verarbeitet.

Da die Anwendungen solcher neuartigen Konzepte vor allem in der Gesundheitsüberwachung und Behandlung von Krankheiten liegen, ist es wichtig, die Abhörsicherheit der Kommunikation zwischen AIMDs und mit externen Geräten zu gewährleisten. Daher beschäftigen sich die Forschenden auch mit der Entwicklung von neuartigen Konzepten zur abhörsicheren Kommunikation zwischen AIMDs mittels MK und mit externen Geräten.

„Die Stärke des Horizont-Projekts liegt unter anderem in seiner Interdisziplinarität. So besteht das Konsortium aus Experten im Bereich Chemie, Mikrofluidik, Kommunikationstechnik, Ethik, Biologie und Medizin“, sagt Prof. Härteis. Die Forschung erfolgt in mehreren Stufen und beinhaltet die theoretische Entwicklung neuartiger Konzepte und Simulationsmethoden zur Kommunikation zwischen AIMDs sowie deren mehrstufige experimentelle Realisierung und Verbesserung.

Über das Förderprogramm Horizont EIC Pathfinder Open

Horizont Europa ist das Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation für 2021 bis 2027. Ziel ist eine wissens- und innovationsgestützte Gesellschaft und wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen (https://www.horizont-europa.de/de/Programm-1710.html). Mit dem Pathfinder-Programm des Europäischen Innovationsrats (European Innovation Council EIC) sollen radikal innovative Technologien identifiziert werden, die das Potenzial haben, ganz neue Märkte zu schaffen. Dazu werden visionäre und risikoreiche Projekte in einem frühen Entwicklungsstadium gefördert, bei denen über die Grundlagenforschung hinaus eine klare technologische Entwicklungsmöglichkeit besteht. Bei den Antragstellern, die an einem EIC-Pathfinder-Projekt teilnehmen, handelt es sich in der Regel um visionäre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und unternehmerisch denkende Forschende aus Universitäten, Forschungseinrichtungen, Start-ups, Hightech-KMU oder um industrielle Akteure, die an technologischer Forschung und Innovation interessiert sind (https://eic.ec.europa.eu/eic-funding-opportunities/eic-pathfinder_en). Das „EIC Pathfinder Open“ ermöglicht eine themenoffene Beteiligung.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Silke Härteis
Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie
Universität Regensburg
Tel: +49 (0)941 943-2879
E-Mail: silke.haerteis@ur.de

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