Mehr Lebensqualität für Patient*innen mit Herzschwäche

Studie belegt: Durch den Einsatz des MitraClip-Verfahrens wird bei Patient*innen mit Herzschwäche die Lebensqualität deutlich verbessert und die Zahl der Krankenhauseinweisungen reduziert.
Foto: DHZC

In einer internationalen Studie konnten Wissenschaftler*innen des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) nachweisen, dass der Einsatz des MitraClip-Verfahrens bei Herzschwäche-Patient*innen deren Lebensqualität deutlich verbessert und die Zahl der Krankenhauseinweisungen reduziert. Die Ergebnisse der Studie wurden auf dem Kongress der European Society of Cardiology in London vorgestellt und gleichzeitig im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.

Laut der „European Society of Cardiology“ leiden rund 18 Millionen Menschen weltweit an einer Mitralklappeninsuffizienz. Die Mitralklappe ist das Ventil zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer. Die beiden Segel der Klappe schließen sich, wenn das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge in die linke Herzkammer gepumpt wird, und verhindern so, dass Blut zurück in den Vorhof gelangt. Bei einer Mitralklappeninsuffizienz schließen die Klappensegel aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr richtig. Die Folge: Blut gelangt aus der linken Herzkammer bei jedem Herzschlag zurück in den Vorhof. Dies führt bei betroffenen Patient*innen zu zunehmenden Beschwerden, die bis hin zu einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) reichen können. Bei der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz liegt die Ursache in einer Schwächung des Herzmuskels, die zu einer Veränderung der Herzstruktur und damit zu einer Funktionsstörung der Klappe führt.

Eine undichte Mitralklappe wird häufig bei Patient*innen mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz) angetroffen und verschlechtert die Lebenserwartung. Außerdem führt die Mitralinsuffizienz zu einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz-Symptomatik mit Krankenhauseinweisung.

Seit 2008 gibt das minimal-invasive MitraClip-Verfahren zur Reparatur der Mitralklappe. Hierbei wird ein kleiner Clip über einen Katheter durch die Leistenvene bis zum Herzen geführt und an der undichten Klappe angebracht. Der Clip bringt die Klappensegel näher zusammen und verbessert so deren Schließfunktion. Dies reduziert den Rückfluss von Blut und entlastet das Herz, was wiederum die Symptome der Herzinsuffizienz lindert.

„Die Frage, ob eine Katheter-basierte Clip-Behandlung die Sterblichkeit der Patientinnen und Patienten und die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung reduziert, war bislang unklar, da zwei kontroverse Studien vorlagen: Während die Mitra-FR-Studie keinen Nutzen des Verfahrens zeigte, wies die COAPT-Studie hingegen auf einen deutlichen Nutzen hin“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Vorsitzender des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). „Mit der RESHAPE-HF2-Studie, die aus dem Herzzentrum der UMG initiiert und koordiniert wurde, wollten wir Klarheit schaffen. Das MitraClip- Verfahren und andere innovative Verfahren zur Behandlung von Herzkappenerkrankungen werden mit hoher Expertise am Herzzentrum der UMG durchgeführt“

Ein Forscherteam des Herzzentrums der UMG und des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Anker, Kardiologe an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin (Campus Virchow-Klinikum) des Deutschen Herzzentrums der Charité, ehemals Professor für Innovative Clinical Trials an der UMG, Prof. Dr. Wolfgang Schillinger, Chefarzt Medizin I (Kardiologie, Pneumologie und Intensivmedizin) im Helios Albert-Schweitzer-Klinikum Northeim, ehemals Oberarzt der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und Prof. Hasenfuß hat nun die Ergebnisse der RESHAPE-HF2-Studie veröffentlicht.

Prof. Dr. Ulf Landmesser, stellvertretender Ärztlicher Direktor des DHZC und Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin (Campus Benjamin Franklin) gehört zum Steering Committee der Studie. Zu den Co-Autoren gehört Prof. Dr. Friedrich Köhler, Leiter des Arbeitsbereichs Telemedizin am DHZC.

Die Studie ergab, dass die Anzahl der Krankenhauseinweisungen nach einer Behandlung mit dem MitraClip um 41 Prozent gesenkt werden konnte und die Lebensqualität der Betroffenen signifikant verbessert wurde.

„Die Ergebnisse der RESHAPE-HF2-Studie zeigen eindrucksvoll, wie das MitraClip-Verfahren Patientinnen und Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz und Mitralinsuffizienz helfen kann“, sagt Prof. Dr. Stefan Anker. „Besonders für Patientinnen und Patienten, die nicht für eine chirurgische Intervention geeignet sind, stellt diese minimal-invasive Methode eine wertvolle Alternative dar.“

Im Rahmen des diesjährigen Kongresses der European Society of Cardiology (ESC Congress) in London stellten die beteiligten Forscher*innen die wichtigsten Ergebnisse vor, die nun auch im renommierten Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden.

Publikation
Anker S.D. et al. Transcatheter Valve Repair in Heart Failure with Moderate to Severe Mitral Regurgitation. New Engl J Med. 2024.
https://clinicaltrials.gov/study/NCT02444338

Details zur Studie
In der RESHAPE-HF2-Studie wurden 505 Patient*innen über einen Zeitraum von 24 Monaten beobachtet. Die Studie wurde in 30 Zentren in neun verschiedenen Ländern durchgeführt und umfasste Patient*innen mit mittelschwerer bis schwerer funktioneller Mitralinsuffizienz und Herzinsuffizienz, die trotz optimaler medikamentöser Therapie weiterhin Symptome zeigten.

Diese Patient*innen wurden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe erhielt das MitraClip-Verfahren zusätzlich zur fortgesetzten medikamentösen Therapie, die andere Gruppe erhielt ausschließlich die medikamentöse Therapie. Die Forscher*innen verglichen dann, wie oft die Patient*innen innerhalb von 24 Monaten aufgrund ihrer Herzinsuffizienz in einem Krankenhaus behandelt wurden, wie viele an kardiovaskulären Ereignissen starben und wie sich die Lebensqualität der Patient*innen im Laufe der Zeit veränderte. Die Lebensqualität wurde mit dem „Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ)“ erfasst, einem spezifischen Fragebogen zur Erfassung der Lebensqualität bei Herzinsuffizienz. Die statistische Auswertung übernahm Prof. Dr. Tim Friede, Direktor des Instituts für Medizinische Statistik der UMG. Die zentrale Koordination der internationalen Studie erfolgte durch das Studienzentrum der UMG. Die Firma Abbott Laboratories hat die Studiendurchführung finanziell gefördert.

„Wir freuen uns über die erfolgreiche Durchführung der Studie und das Ergebnis. Wir wissen nun, dass eine Behandlung der undichten Mitralklappe bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz hilft – insbesondere im Hinblick auf Symptomverbesserung mit Reduktion der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung und auf eine Verbesserung der Lebensqualität“, sagt Prof. Hasenfuß.

Prof. Ulf Landmesser ergänzt: „Am DHZC bieten wir unseren Patientinnen und Patienten dank der engen Zusammenarbeit zwischen Kardiologie und Herzchirurgie ein umfassendes Spektrum an Behandlungsoptionen. Die Ergebnisse der RESHAPE-HF2-Studie bestätigen, dass das MitraClip-Verfahren in den kundigen Händen unserer erfahrenen Spezialistinnen und Spezialisten eine zunehmend wichtige Rolle bei der Wahl der individuell bestmöglichen Therapie einnehmen kann.“

Über das Deutsche Herzzentrum der Charité
Das Deutsche Herzzentrum der Charité (DHZC) ist Anfang 2023 aus der Vereinigung der herzmedizinischen Einrichtungen des Deutschen Herzzentrums Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin hervorgegangen. Zum DHZC gehören acht Kliniken und Institute an den Charité-Campi Virchow-Klinikum, Charité Mitte und Benjamin Franklin.

Mit 489 Betten und rund 2.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das DHZC eines der größten Herzzentren in Europa. Jedes Jahr werden am DHZC mehr als 1.500 interventionelle Herzklappeneingriffe durchgeführt. Damit nimmt das DHZC eine weltweite Spitzenstellung in diesem Bereich ein.
Die medizinische Planung und Durchführung aller katheterbasierten Behandlungen der Herzklappen bei Erwachsenen wird am DHZC in einer klinik- und fachübergreifenden Einheit, dem „Structural Heart Interventions Program (SHIP)“, gebündelt. In enger Zusammenarbeit zwischen Herzchirurgie und Kardiologie wird so die bestmögliche Versorgung für jede Patientin und jeden Patienten gewährleistet.

Über die Universitätsmedizin Göttingen
Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) vereint im Integrationsmodell die Medizinische Fakultät der Georg-August-Universität und das Universitätsklinikum unter einem Dach. Neben Forschung und Lehre ist die Krankenversorgung der dritte zentrale Aufgabenschwerpunkt der UMG. Mit rund 1.600 stationären und teilstationären Betten ist das Krankenhaus der einzige Maximalversorger in Südniedersachsen. Mit knapp 9.700 Mitarbeitenden ist die UMG zusammen mit ihren Tochtergesellschaften einer der größten Arbeitgeber in der Region. Etwa 60 Kliniken, Institute und Abteilungen stehen für eine qualitativ hochwertige Patient*innenversorgung, exzellente Forschung und moderne Lehre. Dabei sind alle medizinischen Grunddisziplinen und darüber hinaus ein großes Spektrum medizinischer Spezialdisziplinen in Diagnostik und Therapie vertreten. Jedes Jahr werden an der UMG rund 60.000 Patient*innen stationär und zirka 220.000 ambulant behandelt. Göttingen als Stadt der Wissenschaft liegt im Zentrum Deutschlands und die Universitätsmedizin ist vor Ort eingebunden in ein attraktives Netzwerk universitärer und außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen.

Im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen arbeiten 14 Kliniken und Institute sowie die Geschäftseinheit Pflegedienst der Universitätsmedizin Göttingen auf den Gebieten Herz, Gefäße, Lunge und Niere zusammen. Diese Organe sind in ihrer Funktion besonders eng miteinander verbunden. Die Kliniken und Institute sind zu einem interdisziplinären Zentrum zusammengeführt. Dadurch werden eine optimale und effiziente Krankenversorgung, Forschung und Lehre gewährleistet. Ziel des Herzzentrums der UMG ist es, eine qualitativ hochwertige Medizin patientenorientiert, aufgeschlossen und transparent zu praktizieren.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Klinik für Kardiologie und Pneumologie
Prof. Dr. Gerd Hasenfuß
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen
Telefon 0551 / 39-67601
herzzentrum@med.uni-goettingen.de
herzzentrum.umg.eu

Deutsches Herzzentrum der Charité
Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin
Prof. Dr. Stefan Anker
Campus Virchow-Klinikum, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
s.anker@cachexia.de
www.dhzc.charite.de

Originalpublikation:

Anker S.D. et al. Transcatheter Valve Repair in Heart Failure with Moderate to Severe Mitral Regurgitation. New Engl J Med. 2024.
https://clinicaltrials.gov/study/NCT02444338

https://www.umg.eu/news-detail/news-detail/detail/news/mehr-lebensqualitaet-fuer-patientinnen-mit-herzschwaeche/

Media Contact

Lena Bösch Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizintechnik

Kennzeichnend für die Entwicklung medizintechnischer Geräte, Produkte und technischer Verfahren ist ein hoher Forschungsaufwand innerhalb einer Vielzahl von medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin.

Der innovations-report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Bildgebende Verfahren, Zell- und Gewebetechnik, Optische Techniken in der Medizin, Implantate, Orthopädische Hilfen, Geräte für Kliniken und Praxen, Dialysegeräte, Röntgen- und Strahlentherapiegeräte, Endoskopie, Ultraschall, Chirurgische Technik, und zahnärztliche Materialien.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…