Messung der Aufnahme eines Co-Enzyms in einzelnen Zellen
Vielversprechende Messmethode soll Daten und Einblicke für die Bekämpfung chronischer Krankheiten und Krebs liefern.
Im Rahmen einer Auftragsforschung konnte ein Forschungsteam der Universität Hamburg gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP, DESY und der Beiersdorf AG einzelne menschliche Hautzellen daraufhin untersuchen, wie viel Co-Enzym Q10 sie aufgenommen haben. Diese Forschungsmethode hat das Potenzial, auf Medikamente gegen Krebs, Leberentzündungen und Nierenkrankheiten übertragen zu werden.
Mithilfe der hohen Auflösung, die die Röntgenfluoreszenz-Methode bietet, ist es möglich, die Verteilung von Molekülen, wie etwa eines Co-Enzyms, im Inneren einer einzelnen Zelle zu messen. Dazu muss das Molekül allerdings markiert werden, ohne dass die Markierung dessen Verhalten ändert.
Für die Studie, die im Fachblatt „Antioxidants“ erschienen ist, hat das Team um Experimentalphysiker Prof. Dr. Florian Grüner mit Jod-Atomen markierte Q10-Moleküle untersucht, die durch diese Markierung nach Anregung mit Röntgenstrahlung durch die Aussendung von Röntgenfluoreszenzphotonen („Röntgen-Echo“) sichtbar wurden. Es war daraufhin nicht nur möglich, die Aufnahme des Enzyms in den Zellen zu bestätigen.
„Wir konnten darüber hinaus sogar die räumliche Verteilung des Q10 innerhalb der einzelnen Zellen messen und untersuchen, wie sich die Aufnahme von Zelle zu Zelle unterscheidet. Interessant ist, dass offenbar jede einzelne Zelle Q10 aufgenommen hat und dies in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Größe“, sagt die Erstautorin und Projektleiterin Dr. Theresa Staufer, die zugleich Co-Gruppenleiterin bei Prof. Grüner ist. Dr. Mirja van Bodegraven, Co-Autorin und Projektleiterin seitens der Beiersdorf AG, ergänzt: „Im Rahmen dieser hervorragenden interdisziplinären Zusammenarbeit ist es uns erstmalig technisch gelungen, die Aufnahme des Co-Enzyms Q10 in jede Hautzelle sichtbar zu machen.“
Bereits seit einiger Zeit fokussiert sich die Gruppe von Prof. Grüner auf die Weiterentwicklung der Röntgenfluoreszenz-Bildgebung, sodass diese noch besser als Werkzeug zur Untersuchung der Wirkung von molekularen Wirkstoffkandidaten in biologischen Gewebeproben eingesetzt werden kann.
Die Ergebnisse der Weiterentwicklung sind in diversen Veröffentlichungen, aber auch Patenten wiederzufinden. In einem nächsten Schritt soll die Forschung auf die Präklinik – also die Entwicklung neuer Medikamente – ausgeweitet werden. Gemeinsam mit anderen Gruppen aus dem Fachbereich Physik der Universität Hamburg, aber auch mit Forschenden aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), plant die Gruppe um Grüner etwa, markierte Immunzellen bei chronischen Krankheiten wie Morbus Crohn zu untersuchen.
Ein weiteres Projekt konzentriert sich auf Anti-Krebs-Wirkstoffe und geht den Fragen nach, ob sie den Tumor in ausreichender Menge erreichen und ob sie auch in das Innere eines Tumors vordringen. Hierfür hat die Gruppe kürzlich eine Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erhalten. Geplant ist zudem, die Erkenntnisse auf Studien zu Leberentzündungen und Nierenkrankheiten anzuwenden. Ein weiteres Projekt plant die Nachverfolgung von mRNA-tragenden Nanopartikeln – spätestens seit der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen ein hochaktuelles Thema.
„Diese Forschung hat ein enormes Potenzial, das vor allem durch die enge Kooperation der Physik der Universität Hamburg mit dem UKE ausgeschöpft werden kann. Ebenso wichtig ist aber auch die Zusammenarbeit am Wissenschaftsstandort Hamburg, denn hier haben wir eine einmalige Forschungsinfrastruktur, wie sie das DESY betreibt“, sagt Prof. Florian Grüner.
Allein für die aktuelle Studie waren viele Kooperationspartner entscheidend: Der Hamburger Forschungsbereich CAN des Fraunhofer IAP hat die Q10-Moleküle markiert und die Röntgenfluoreszenz wurde zusammen mit einem Team des DESY-Synchrotrons PETRA III gemessen, einer der brillantesten Röntgenstrahlungsquellen der Welt. Die Hautzellen und biologischen Tests mit dem markierten Q10 im Vergleich zu nicht-markiertem hat die Beiersdorf AG übernommen, die das Projekt in Auftrag gegeben hat. „An einem solch einzigartigen Forschungsstandort wird es dann auch möglich sein, vielversprechende Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung per Technologietransfer zusammen mit der Industrie in die Anwendung zu bringen“, so Grüner.
Ein Interview mit Florian Grüner und Theresa Staufer ist im Newsroom der Universität Hamburg zu finden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Florian Grüner
Universität Hamburg
Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften
Fachbereich Physik
Tel.: +49 40 8998-6677
E-Mail: florian.gruener@uni-hamburg.de
Weitere Informationen:
https://www.uni-hamburg.de/newsroom/im-fokus/2022/1005-interview-gruener-staufer… Interview mit Prof. Dr. Florian Grüner und Dr. Theresa Staufer im Newsroom
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