Neue Einsatzmöglichkeiten im menschlichen Körper: Titan wird zunehmend in der Medizintechnik verwendet
Und auch im Ohr kann ein aus Titan nachgebildetes Knöchelchen, der Steigbügel, die Hörqualität wieder verbessern. Ein erheblicher Anteil des Stabmaterials und der Platten für den medizinischen Einsatz kommt dabei von der ThyssenKrupp Titanium.
„Unser Unternehmen ist einer der weltweit bedeutenden Lieferanten von Titanqualitäten für die Medizintechnik. Gerade bei der Verwendung im menschlichen Körper spielen qualitative Gesichtspunkte eine nachvollziehbar große Rolle. Deswegen vertrauen viele unserer anspruchsvollen Kunden auf unser Material“, ist Dr. Markus Holz, Geschäftsführer der ThyssenKrupp Titanium, überzeugt. Bereits jede zehnte, im Essener Werk der ThyssenKrupp Titanium hergestellte Tonne Titan wird in der Medizintechnik verwendet.
Die Medizintechnik ist in den vergangenen 30 Jahren durch die Verwendung von Titan und Titanlegierungen geradezu revolutioniert worden. Und sie ist ein Wachstumsmarkt, wie Helmut Jost, Marketingleiter der ThyssenKrupp Titanium betont: „Die Umsätze der Branche haben sich seit 2003 nahezu verdoppelt.“ Europa mit einem Anteil von 25 Prozent ist nach den USA der zweitgrößte Markt. Allein 2.200 Tonnen Titan wurden 2007 weltweit in der Medizintechnik verarbeitet. Das benötigte Material wird unter anderem von der ThyssenKrupp Titanium erschmolzen. Mit ihren Produktionsstätten in Essen und im italienischen Terni bedient sie vor allem den westeuropäischen Markt.
Prof. Dr. Gert Muhr ist Direktor und Chefarzt der anerkannten Chirurgie des Bochumer Bergmannsheil, wo jährlich etwa 12.000 Operationen durchgeführt werden, davon etwa ein Drittel unter Verwendung von Implantaten aus Titan und Titanlegierungen. „Der große Vorteil des Werkstoffs liegt vor allem in seiner Oberflächenbeschaffenheit“, erklärt Prof. Dr. Muhr. Titan ist biokompatibel und bioadhäsiv, d. h. es wird problemlos vom Körper angenommen und Gewebs- und Knochenzellen können besonders gut am Implantat anwachsen. Es ist im höchsten Maße korrosionsbeständig gegenüber Körperflüssigkeiten. „Titan verursacht keine allergischen Reaktionen“, ergänzt Prof. Dr. Muhr. All diese medizinisch wichtigen Eigenschaften vereint Titan in sich und ist dabei mit seiner geringen Dichte nur halb so schwer wie Stahl und dennoch stabil und belastbar. „Dabei macht die Verwendung für orthopädische Implantate, insbesondere Hüft- und Kniegelenke, mit rund der Hälfte den mengenmäßig größten Anteil aus“, so Jost.
Die Region rund um Nürnberg gilt in Deutschland als ein Zentrum der Medizintechnik. In den Geschäftsräumen der Peter-Brehm GmbH zeigt Modell-Skelett „Edgar“, welche Teile heutzutage schon durch Titanimplantate ersetzt werden können. „Bei Gelenksarthrosen leiden die Patienten unter starken Schmerzen, die teilweise zu einer deutlichen Einschränkung der Mobilität und somit auch der Lebensfreude führen. Ziel einer Operation ist, die Funktion und Stabilität des Gelenkes bei größtmöglicher Beweglichkeit und Beschwerdefreiheit wieder herzustellen“, erklärt Oliver Brehm, Mitglied der Geschäftsleitung. Das Unternehmen hat sich auf die Herstellung von Hüft-, Knie- und Wirbelsäulenimplantaten aus Titan und Titanlegierungen spezialisiert. „Titanwerkstoffe haben aufgrund ihres Elastizitätsmoduls, der im Vergleich zu allen anderen metallischen Implantatwerkstoffen dem des menschlichen Knochens am nächsten kommt, in Verbindung mit der hohen Ermüdungsfestigkeit eine konkurrenzlos hohe Biofunktionalität. Aus diesem Grunde verwenden wir bevorzugt Titan als Implantatwerkstoff“, ergänzt Brehm.
Auf Grund dieser hervorragenden Materialeigenschaften greifen auch Profisportler bei Sportverletzungen oft auf Implantate aus Titan zurück. Fußballspielern werden nach Knochenbrüchen Titannägel oder nach schweren Kopfverletzungen auch Titanplatten im Gesichtsbereich eingesetzt. Rodel-Olympiasiegerin Sylke Otto hatte Gold um den Hals und Titan im Rücken: Sie bestritt ihre Rennen mit einer künstlichen Bandscheibe. „Es ist schon eine komische Geschichte, Fremdmaterial in sich zu tragen, das länger lebt als man selbst“, sagte ein bekannter deutscher Leichtathlet, dem auf Grund eines doppelten Leistenbruchs zwei etwa postkartengroße Titan-Netze eingesetzt worden waren. Hüft- und Knieprothesen aus Titan bringen Abhilfe für Erkrankungen der zwei größten und am meisten belasteten Gelenke, doch es gibt vielfältige weitere Einsatzbereiche für den Werkstoff in der Medizin. „Die Verwendung in der Dentalchirurgie nimmt mit 20 Prozent einen großen Anteil ein“, berichtet Jost. Ein entscheidender Vorteil von Titan in der Zahnmedizin liegt darin, dass es sich leicht und dauerhaft mit anderen Werkstoffen, wie z. B. Keramik für Zahnkronen, verbinden lässt. Auch im Bereich der externen medizinischen Materialien und Geräte liegen viele Anwendungs-möglichkeiten. Chirurgische Instrumente aus Titan wiegen im Gegensatz zu herkömmlichen Instrumenten nur rund die Hälfte. Dies ist vor allem bei langwierigen Operationen und millimetergenauem Arbeiten beispielsweise in der Augenchirurgie ein enormer Vorteil.
Ein junges Spezialgebiet für den Einsatz von Titan ist die Mikrotechnik. Dem Bremer Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Materialwissenschaft (IFAM) gelang in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Krämer Engineering (Rendsburg) eine Nachbildung des Steigbügels. Der Steigbügel ist Teil der Gehörknöchelchenkette und kleinster Knochen im menschlichen Körper. „Wir fertigen exakte Kopien dieses filigranen Gehörknöchelchens. Das neuartige Metallpulverspritzguss-Verfahren ermöglicht es uns zum ersten Mal, diese sehr kleinen und feinen Bauteile aus biokompatiblen Stoffen wie Titan und Titanlegierungen zu produzieren“, erläutert Dr. Philipp Imgrund vom Bereich Formgebung und Funktionswerkstoffe am IFAM. Mit diesen winzigen Implantaten, die nur 5 Milligramm wiegen, können schwerhörige Menschen durch das nachgebildete Gehörknöchelchen ihr Hörvermögen wieder zurückerlangen.
Angesicht der demografischen Entwicklung mit einer immer älter werdenden Bevölkerung steigt die Bedeutung der Medizintechnik. Daher wird auch im Bereich der medizinischen Anwendungen für Titan und Titanlegierungen weiter intensiv geforscht. Auch für die ThyssenKrupp Titanium betont Bereichsleiter Dr. Heinz Sibum die Wichtigkeit der Abteilung Forschung und Entwicklung: „Wir legen sehr viel Wert auf Kooperationen mit Universitäten und externen Forschungsinstituten, um auch für zukünftige Herausforderungen an den Werkstoff Lösungen zu entwickeln.“ In welche Richtung geht die Forschung mit Biomaterialen wie Titan? „Unsere Herausforderung sehen wir bei der Entwicklung und Herstellung neuer Implantat-Geometrien bzw. bei Implantaten, die aus semiflexiblem aber hochfestem Material hergestellt werden“, antwortet Brehm auf diese Frage. Wissenschaftler beschäftigen sich derzeit intensiv mit der Fragestellung, wie der Knochen die Prothese noch besser als Teil des Körpers annimmt. Dabei konzentrieren sich die Forscher auf die Strukturierung der Oberflächen von Prothesen, um je nach Rauheit des eingesetzten Materials den Prozess des Einwachsens zu optimieren. Die Möglichkeiten für die Medizintechnik und insbesondere für den Einsatz von Titan scheinen also längst nicht ausgereizt zu sein. Davon ist auch Prof. Dr. Muhr überzeugt: „Titan ist ein sehr gutes Produkt. Doch es gibt noch viel Potenzial. Ein Material zu entwickeln, das wie echtes Ersatzmaterial im Körper eingesetzt werden kann, dabei leicht verträglich und fest – das ist das Ziel.“
ThyssenKrupp Stainless AG
Erik Walner
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