Nur mit einer ausreichend hohen Sauerstoffsättigung funktioniert der menschliche Körper einwandfrei. Ein gesunder Körper reguliert die Sauerstoffsättigung im Blut über die Atmung. Ein zu geringer oder zu hoher Wert zeigt daher an, dass etwas mit dem Atmungssystem nicht stimmt. Bei der Beatmung von Patientinnen und Patienten mit respiratorischen Problemen ist es deshalb wichtig, die Sauerstoffkonzentration im Blut zuverlässig zu bestimmen. In der Regel wird ein Sauerstoffmangel heute mit einem nicht invasiven Verfahren, der Pulsoxymetrie, festgestellt: Auf den Finger gesteckte Clips, sogenannte Pulsoxymeter, zeigen die O2-Sättigung im Blut an. Das Problem: Die Messergebnisse sind nicht genau. Zuverlässigere Werte erhält man nur per arterieller Blutentnahme und anschließender Blutgasanalyse – eine für Betroffene unangenehme Prozedur. Schmerzfreie und zugleich äußerst präzise Messungen soll künftig ein nicht-invasiver Sensor des Fraunhofer IPM in Freiburg ermöglichen. Integriert in Atemmasken oder Beatmungsschläuche kann er künftig den Stand der Technik in puncto Genauigkeit und Kosteneffizienz übertreffen und bestehende Messsysteme ablösen.
»Mit unserem Sensor messen wir den Sauerstoffgehalt im Atemgas, was Rückschlüsse auf die Sauerstoffkonzentration im Blut zulässt«, sagt Mahmoud El-Safoury, Projektleiter am Fraunhofer IPM. »Wir nutzen den Effekt der Fluoreszenzlöschung, auch Quenching genannt, mit dem O2-Sensor.« Dabei wird eine fluoreszierende Schicht, die auf einem Substrat aus Aluminium abgeschieden ist, mit kurzwelligem Licht bestrahlt, was die Schicht zum Leuchten bringt. Das emittierte Licht ist langwelliger beziehungsweise energieärmer als das anregende Licht. Treten dann Sauerstoffmoleküle in Kontakt mit der Schicht, schwächt sich das fluoreszierte Licht zusehends ab. Je schwächer das Licht ausfällt, desto höher ist die Sauerstoffkonzentration. »Wir können dabei atemzugaufgelöst und somit sehr schnell messen«, erläutert El-Safoury.
Methode der Fluoreszenzlöschung ist in der Medizintechnik ein Novum
Für die Entwicklung der Fluorophor-Schicht haben die Forschenden am Fraunhofer IPM Fluorophore untersucht, die im Hinblick auf ihre Ansprechzeit, Signalintensität und Langzeitstabilität optimale Eigenschaften aufweisen. Die Wahl fiel auf eine Pyren-Variante. Um die Schicht herstellen zu können, musste das Fluorophor in eine geeignete Matrix eingebettet werden – ein komplexer Prozess. »Das Verfahren zur Fluoreszenzlöschung wird bereits zur Konzentrationsbestimmung von gelöstem Sauerstoff in Flüssigkeiten angewendet, etwa in der Lebensmittelindustrie, bei Wasserwerken oder auch Kläranlagen. In der Medizintechnik ist der Einsatz der Methode ein Novum«, sagt Dr. Benedikt Bierer, Gruppenleiter am Fraunhofer IPM. Ein weiterer Vorteil des Prinzips: Der Sensor ermöglicht eine kontinuierliche Messung der Sauerstoffkonzentration über den ganzen Tag hinweg. Die invasive arterielle Blutentnahme hingegen wird nur täglich und bei kritischen Intensivpatientinnen und -patienten mehrmals täglich durchgeführt. Für die Zeiten zwischen den einzelnen Blutentnahmen fehlen aber jegliche Daten zur gesundheitlichen Entwicklung der Erkrankten.
Der miniaturisierte Sensor mit einem Durchmesser von 26 Millimeter lässt sich in jeden T-Konnektor, einen standardisierten Adapter, integrieren – die Konnektoren wiederum werden an Atemmasken und Beatmungsschläuche angeschlossen. Der Sensorkopf mit integrierter Optik umfasst neben der LED-Lichtquelle einen Detektor sowie zwei Saphirlinsen und eine Probe mit der Fluorophor-Schicht, die das Klinikpersonal regelmäßig wechseln muss und die wie Pflaster steril ohne Luftkontakt zu lagern ist.
Derzeit prüfen die Forschenden Querempfindlichkeiten zu anderen Gasen wie CO2, die das Sauerstoff-Messsignal des Sensors beeinträchtigen könnten. Auch der Einfluss von Parametern wie Feuchtigkeit und Temperatur auf das Messsignal werden untersucht ebenso wie die Langzeitstabilität des Systems und die diversen sterilen Lagerungsmöglichkeiten. »Die künftigen Einsatzszenarien sind breit gefächert – der winzige Sensor kann von Rettungskräften, in Kliniken, aber auch zuhause von Patientinnen und Patienten mit Lungenerkrankungen angewendet werden«, so El-Safoury.