Standardisierte Verletzungen an Hautmodellen für die Entwicklung von Wundheilungstherapien
Am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC wurde in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer IGB-Projektgruppe Würzburg und dem Translationszentrum »Regenerative Therapien für Krebs- und Muskuloskelettale Erkrankungen« (TLZ) ein automatisiertes Verfahren entwickelt, mit dem in künstlich hergestellter Haut standardisierte Wunden gesetzt werden können.
Dafür wurde vom Fraunhofer ISC das Gerät »ARTcut® – Artificial Tissue Cutter« entwickelt und patentiert. Die Maschine ist in dieser Form einmalig. Auf dem Fachsymposium »Medtech meets Pharma« präsentierte das Translationszentrum seine Arbeit am Dienstag, den 21. Oktober 2014, im Würzburger Vogel Convention Center.
Mit zunehmender Lebenserwartung steigt gleichzeitig die Häufigkeit von altersbedingten Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Insuffizienzen, Demenz, Krebserkrankungen und Diabetes. Als eine Begleiterscheinung des sogenannten Altersdiabetes (Diabetes mellitus Typ II) tritt häufig eine chronische Abberration der Haut, das sogenannten diabetische Fußsyndrom, auf. Es ist neben dem »Dekubitus« und dem »Ulcus cruris« die dritthäufigste chronische Wunde der Haut.
Auf dem Gebiet der Wundheilungsforschung kommen zunehmend In-vitro-Wundmodelle zum Einsatz. Dabei werden entsprechend aufgebaute Hautmodelle gezielt verletzt, um neue Therapieformen im Bioreaktor evaluieren zu können.
Wie chronische Wunden simulieren?
Künstliche Haut aus Collagen und Zellen wird im Labor mit Makrophagen (Zellen des Immunsystems) versetzt, die aus menschlichen Blutproben gewonnen werden. Dabei simuliert die Zugabe eines bestimmten Verhältnisses unterschiedlicher Makrophagen-Zelltypen näherungsweise den Zustand einer “kranken Haut“.
Zur Evaluierung neuer Therapiemöglichkeiten werden die auf diese Weise modifizierten Hautmodelle einheitlich verletzt. An dieser Stelle kommt das vom Fraunhofer ISC entwickelte Gerät ARTcut® zum Einsatz. Dabei werden unter sterilen Bedingungen die jeweiligen Proben einheitlich maschinell verwundet.
Der mittels entsprechender Software gesteuerte hohlzylindrische Bohreinsatz setzt dabei unter hoher Drehgeschwindigkeit, kontrollierter Vortriebsgeschwindigkeit und per Lichtschranke einstellbarer Eindringtiefe reproduzierbare Wunden in dreidimensionale In-vitro-Modelle. Gleichzeitig wird die reproduzierbare Wundsetzung in mehreren Proben innerhalb einer Titerplatte möglich.
Das erhöht den Durchsatz bei der Probenherstellung signifikant. Um eine zusätzliche Qualitätskontrolle zu erreichen, werden von einem Kamerasystem Bilder von der jeweiligen Bohrung erfasst und gespeichert. Der Arbeitsraum lässt sich mithilfe einer eingebauten UV-C-Lampe zeitgesteuert sterilisieren.
Das Gerät ist in einer hochflexiblen Modulbauweise konzipiert. So kann es an individuelle Wünsche des Anwenders bzgl. Design und Funktion angepasst bzw. entsprechend erweitert werden.
Tierversuche werden auf ein Minimum reduziert
Für die Simulation der chronischen Wunde bzw. akuten Wunde werden aus dem Vollblut von Blutspenden Makrophagen gewonnen und in ein künstliches Hautmodell implementiert. Ein erster Schritt, um realen Bedingungen möglichst nahe zu kommen, damit auf dieser Basis entwickelte Therapien auf den Menschen übertragen werden können.
Ein weiterer Vorteil der In-vitro-Modelle: Tierversuche werden auf ein Minimum reduziert. Je mehr Aussagen mit einem solchen Modell über Wundheilungsprozesse abgeleitet werden können, desto weniger Tierversuche müssen gemacht werden.
Das Würzburger Translationszentrum
Medizinprodukte, die auf innovativen Werkstoffen und zellbasierten regenerativen Therapien basieren, werden ein wesentlicher Bestandteil der zukünftigen medizinischen Versorgung sein. Sie werden sowohl Krankheiten effektiver heilen können als auch das Gesundheitssystem langfristig entlasten und für die in Deutschland mittelständisch geprägte Industrie ein neues Marktsegment eröffnen.
Der unter der Leitung von Frau Prof. Dr. biol. hum. Heike Walles vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB neugegründete Institutsteil »Würzburger Translationszentrum Regenerative Therapien für Krebs- und Muskuloskelettale Erkrankungen« am Universitätsklinikum Würzburg soll als Partner der Industrie den schnellen Transfer von Entwicklungen aus der Forschung in neue Produkte unterstützen.
Im Translationszentrum arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Ingenieurinnen und Ingenieure des Lehrstuhls Tissue Engineering und Regenerative Medizin (TERM) des Universitätsklinikums Würzburg und des Würzburger Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC zusammen. Ebenfalls direkt eingebunden sind das Muskuloskelettale Zentrum Würzburg (MCW), der Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde (fmz), das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) sowie das Tumorzentrum der Uni Würzburg (CCC).
In Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbereich Gesundheit des Fraunhofer ISC werden u.a. neue Trägermaterialien für das Tissue Engineering sowie biofunktionalisierte Partikel für Diagnostik und Therapie entwickelt und getestet. Das Fraunhofer ISC verfügt über langjährige Expertise und umfangreiches Equipment im Bereich biokompatibler und bioresorbierbarer Materialien und kann GMP-nah ausgestattete Labore für die Entwicklung, Analytik und Herstellung zellbasierter Trägersysteme bereitstellen.
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