Erfurter Deklaration Urbio 2008

Im Erfurter Kaisersaal hatten sich mehr als 400 Wissenschaftler aus 50 Ländern der Erde in einer viertägigen Tagung mit fünf Arbeitsschwerpunkten befasst: 1. Biologische Vielfalt in Städten und ihre Bewertung; 2. Kulturelle Aspekte der Biologischen Vielfalt in Städten; 3. Soziale Aspekte der Biologischen Vielfalt in Städten; 4. Biologische Vielfalt in Städten und Klimawandel sowie 5. Gestaltung und Zukunft der Biologischen Vielfalt in Städten.

Die Tagung war im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Fachhochschule Erfurt mit Unterstützung des BfN und Mitteln des BMU vorbereitet worden. Der Urbio 2008- Organisator Dr. Norbert Müller, Stadtökologe und Naturschutzprofessor/ FH Erfurt, wurde vom CBD-Generalsekretär vom 26. – 29. Mai nach Bonn zur UN- Artenschutzkonferenz eingeladen, um die Deklaration und Ergebnisse dort direkt in die Verhandlungen einzubringen.

Nachfolgend Langfassung mit . Rückfragen Prof. Dr. Müller: 0179 5123761
Ergebnisse der Erfurter Artenschutzkonferenz Urbio 2008
Arbeitsschwerpunkte und Ergebnisse der Tagung
Die Tagung umfasste 5 Arbeitsschwerpunkte mit 20 thematischen Symposien (120 Vorträge und 110 Posterpräsentationen) sowie 5 Fachexkursionen (1. Tagungsstadt Erfurt, 2. und 3. UNESCO Weltkulturerbe Ilmpark Weimar und Wartburg, 4. Hauptstadt Berlin, 5. Nationalpark Hainich)

1. Biologischen Vielfalt in Städten und ihre Bewertung

Hier ging es um die Bewertung der Wildpflanzen -und -tiere und ihrer Lebensräume in Städten sowie der ökologischen Dienstleistungen der biologischen Vielfalt.

Städte weisen eine erstaunlich hohe Vielfalt auf, die mehr zu bieten hat als viele Schutzgebiete. Viele dieser Stadt-Arten werden aktiv von den Stadtbewohnern erlebt: Tauben, Eichhörnchen, Enten, Schwäne. Auch stark gefährdete Arten wie die Fledermäuse, Igel, Turmfalke, Eisvogel („Kolibri Europas“ hinter der Krämerbrücke in Erfurt) sind in unseren Städten heimisch geworden. Städte entwickeln sich häufig in Hotspots der Biologischen Vielfalt. Sie sind deshalb häufig selbst Hotspots der Biologischen Vielfalt – z.B. in Erfurt 1200 Pflanzenarten (im Umland nur 300 – 400), in Kapstadt 9500 Pflanzenarten, in Berlin 60 % aller in Deutschland vorkommenden Vogelarten.

2. Kulturelle Aspekte der Biologischen Vielfalt in Städten

Hier ging es um die Bewertung der vom Menschen geschaffenen Natur in Städten wie Zier- und Kulturpflanzen sowie Parkanlagen und Gärten. Beispielsweise weisen alte Parkanlagen eine deutliche höhere Vielfalt auf wie viele unser Wälder und landwirtschaftlichen Flächen. z. B.UNESCO Weltkulturerbe Ilm- Park. Zierpflanzen sind wie Kulturpflanzen das Ergebnis einer z. T. jahrhundertelangen Evolution und haben darum die gleiche Bedeutung für die Erhaltung der Artenvielfalt wie Nutzpflanzen -Beispiel in Erfurt gezüchtete Pfingstrosen (EF als altes Zentrum der Gartenkultur). In der Neuen Welt sind dagegen mit den europäischen Siedlern eingeführte Pflanzen z. B. Ahorn in Nordamerika eine große Gefahr für die biologische Vielfalt (Biologische Invasionen).

3. Soziale Aspekte der Biologischen Vielfalt in Städten

Hier wurde die Bedeutung der Biologischen Vielfalt in Städten für die Menschen unter-sucht. Die Nutzung von Natur in Städten ist weltweit von unterschiedlicher (Kleingärten, Naturerfahrungsräume, Ecocycles). Nur wenn Menschen Biologische Vielfalt als Bestandteil ihrer Lebensqualität unmittelbar nutzen und erleben können und als Wert schätzen, werden sie sich auch für deren Schutz einsetzen (vgl. Hintergrund der CBD).

Da die meisten Menschen in Städten leben, ist die biologische Vielfalt in Städten der Schlüssel für die Zukunft der globalen biologischen Vielfalt. Das lokale Engagement des einzelnen Stadtbewohners ist entscheidend. Nicht Fernsehsendungen über gefährdete Arten wie Eisbär Knut oder Tiger und Gorilla regen die Menschen zum Handeln an, sondern die Erfahrungen mit der Biologischen Vielfalt vor der Haustüre und in ihrem Garten (allgemein im Stadtumfeld).

Bisher wurde innerhalb des Arbeitsprogramms der CBD versäumt, dass Artenschutz nur dann erfolgreich ist, wenn die Menschen lokal zum Handeln aufgefordert werden und sie den Nutzen ihres Handelns auch direkt erleben. Vielfältige Aktionen eröffnen neue Wege der Bürgerbeteiligung: „Wiese statt Rasen“, „Interkulturelle Gärten“, Kunst in Industriebrachen (z.B. Zeche Zollverein), Industriewaldprojekte (Black Forrest), Naturerlebnisräume, Kleingärten, Entente Florale „Erfurt blüht“,.

4. Biologische Vielfalt in Städten und Klimawandel

Städte nehmen mit bis zu 2°C erhöhter Jahresdurchschnittstemperatur den Klimawandel vorweg (Modellökosysteme für die Auswirkungen des Klimawandels auf die biolog. Vielfalt). Die Lage und Gestaltung von Grünflächen in Städten kann ganz wesentlich dieser Überhitzung entgegensteuern.

5. Gestaltung und Zukunft der Biologischen Vielfalt in Städten

Hier wurden „Best practise Projekte“ aus verschiedene Ebenen der ökologischen Stadtgestaltung behandelt wie
– Stadtplanung für die biologische Vielfalt
– Schnellwachsende Städte – Herausforderungen für die Biodiversität
– Schrumpfende Städte – Chancen für die Biologische Vielfalt
– Ökologische Planung und Gestaltung für die biologische Vielfalt
– Einbeziehung der Stadtbewohner bei der Planung
Dieser größte Arbeitsbereich der Tagung setzte neue Maßstäbe für eine nachhaltige Stadtplanung unter den globalen Herausforderungen Verlust der globalen Artenvielfalt und Klimawandel. Der Globalisierung der Grüngestaltung in Städten mit weltweit der gleichen Pflanzenverwendung

Als erstes Ergebnis der Tagung wurde eine Deklaration verabschiedet, die an die Teilnehmer der COP 9 gerichtet ist und folgende zentrale Forderungen stellt:

Allgemeine Forderungen
Das öffentliche Bewusstsein für die biologische Vielfalt in Städten muss geweckt werden.
Die Bildung auf dem Sektor biologische Vielfalt und Stadtgestaltung muss verstärkt gefördert werden.
Interdisziplinäre, langfristig angelegte Forschung zur biologischen Vielfalt in Städten ist zu fördern, um das Verständnis der Interaktionen zwischen Mensch, urbaner und globaler Biodiversität zu verbessern.
Der Dialog zwischen Forschern, Planern, Politikern und Bürgern muss intensiviert wer-den, um aktuelle Forschungsergebnisse in die Stadtgestaltung zu integrieren.
Folgende Institutionen sind aufgefordert, die genannten Maßnahmen umzusetzen:
Wissenschaftliche Einrichtungen, Netzwerke und Arbeitsgruppen sollen die internationale Zusammenarbeit verstärken und ausbauen, die sich mit dem Vergleich der biologischen Vielfalt in Städten und deren Auswirkungen auf das Umland beschäftigt.
Nationale und internationale Behörden und Institutionen sollen Forschung und „best practice“ Methoden hinsichtlich biologischer Vielfalt und nachhaltiger Stadtgestaltung unterstützen und fördern.
Regierungen und Naturschutzbehörden sollen nationale Zentralstellen einrichten, die Informationen zur biologischer Vielfalt und Stadtgestaltung sammeln, koordinieren und überwachen (Monitoring).
Lokale Behörden sollen den Erhalt und Förderung der biologischen Vielfalt mit nach-haltiger Stadtentwicklung verbinden.
Weiteres Vorgehen:
Zur Umsetzung der vorgenannten Forderungen muss ein neues Arbeitsprogramm innerhalb der CBD eingerichtet werden.

Die Wissenschaftler haben in Erfurt ein internationales Netzwerk für Bildung und Forschung „Urbio“ gegründet, das in 2 Jahren beim nächsten Treffen der Vereinten Natio-nen – der COP 10 in Japan – die Konferenz Urbio 2010 ausrichten soll, um die CBD zu unterstützen.

C. Weitere Informationen
Die wichtigsten ersten Ergebnisse der Tagung – Erfurt Deklaration Urbio 2008 und die 6 Plenarvorträge sind wie die Konferenzunterlagen über die Web Seite http://www.urbio2008.com bereits erhältlich.

Tagungsprogramm Urban Biodiversity & Design, Erfurt 2008

Die Konferenz gliederte sich in 5 Schwerpunkte
1: Untersuchung und Bewertung der biologischen Vielfalt in Städten
Symposium 1.1 – Ursprung und Entwicklung von Flora und Fauna in Städten
Symposium 1.2 -Nutzen unterschiedlicher städtischer Lebensräume für die biologische Vielfalt

Symposium 1.3 – Städtische Lebensräume und ökologische Dienstleistungen

Schwerpunkt 2: Kulturelle Bedeutung der biologischen Vielfalt in Städten
Symposium 2.1 – Bewertung von fremdländischen Pflanzen und Tieren in Städten
Symposium 2.2 – Kulturelle Einflüsse auf die biologische Vielfalt in Stadtwäldern

Symposium 2.3 – Bewertung historischer Parkanlagen und Gärten für die biologische Vielfalt

Schwerpunkt 3: Soziale Bedeutung der biologischen Vielfalt in Städten
Symposium 3.1 – Städtische Landwirtschaft, Gemeinschaftsgärten, Kleingärten und Nutzpflanzen
Symposium 3.2 – Menschliches Wohlergehen und die städtische Grünflächen / Grün in Städten
Symposium 3.3 – Naturerfahrung und Wildnisgebiete in Städten
Symposium 3.4 – Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung und beim Bewirtschaften von städtischen Grünflächen
Schwerpunkt 4: Biologische Vielfalt und der Klimawandel
Symposium 4.1 – Städtische Ökosysteme – in Erwartung des Klimawandels
Symposium 4.2 – Potential von städtischen Grünflächen bei der Milderung von klimati-schen Extrema
Schwerpunkt 5: Planung und Zukunft der biologischen Vielfalt in Städten
Symposium 5.1 – Von der Analyse biologischer Vielfalt zu Bewertung und Gestaltung
Symposium 5.2 – Städtische Biosphärenreservate und Masterpläne für biologische Vielfalt
Symposium 5.3 – Erhalt der ursprünglichen natürlichen Vegetation in Städten
Symposium 5.4 – Schrumpfende Städte – neue Chancen für die biologische Vielfalt
Symposium 5.5 – Schnell wachsende Städte – Herausforderungen für die biologische Vielfalt
Symposium 5.6 – Naturnahe Renaturierung und Gestaltung für die biologische Vielfalt im urbanen Raum
Symposium 5.7 – Ökologische Gestaltung und Management von Parks und Gärten
Symposium 5.8 – Lebende Wände und Dächer

Media Contact

Roland Hahn idw

Weitere Informationen:

http://www.urbio2008.com

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