Kommission will die städtische Luftverschmutzung mit modernsten Mitteln messen

Die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) der Europäischen Kommission hat eine innovative Pilotstudie zusammen mit der regionalen italienischen Umweltschutzagentur Agenzia Regionale per la Protezione dell’Ambiente (ARPA) Lombardia eingeleitet, um im Januar und Februar 2003 die städtische Luftverschmutzung in Mailand zu messen. Diese Studie soll die Quelle gefährlicher Schadstoffe ermitteln und nutzt als erste die neueste GFS-Technologie – das Single Particle Analysis and Sizing System (SPASS) auf der Grundlage eines Massenspektrometers. Die Umweltforschung der EU hat zum Ziel, durch die Ermöglichung der vollständigen Bestimmung und Messung unterschiedlicher Arten der Luftverschmutzung (etwa durch Verkehr, Heizung oder Fabriken) in ganz Europa eine annehmbare Luftqualität zu erreichen.

„Die Luftverschmutzung in unseren Städten erfordert rasches Handeln. Wir brauchen mehr Umweltforschung“, erklärte Philippe Busquin, der Europäische Kommissar für Forschung. „Wir müssen die Luftverschmutzung aufdecken und messen und Änderungen der Verschmutzungsmuster aufmerksam beobachten. Wir wollen den nationalen und regionalen Behörden dabei helfen, das Problem besser zu analysieren, Gesundheitsrisiken in Verbindung mit gefährlichen Stoffen in der Luft zu erkennen und mit Hilfe der EU-Stellen geeignete, kostenwirksame Gegenstrategien zu entwickeln und umzusetzen.“

Viele europäische Städte leiden während des Winters unter starker Luftverschmutzung, die auf Partikel (PM, particulate matter) zurückzuführen ist. Aus einer neueren Studie der GFS geht hervor, dass der Grad der Partikelverschmutzung in Norditalien zu den höchsten in Europa gehört. Die GFS setzt neue Mittel ein, um wesentliche Informationen über Einzelpartikel – einschließlich ihrer möglichen Herkunft – zu erhalten und damit lokalen und nationalen Behörden in der ganzen EU bei der Bekämpfung dieser Verschmutzung zu helfen.

SPASS ermöglicht die Bestimmung aller Partikel und liefert gleichzeitig ein Positiv-und Negativ-Ionenspektrum für jedes Partikel. Dann verwendet es diese Information in speziell entwickelten Statistikprogrammen, um den Beitrag jeder Quelle zur Partikelkonzentration in der Atmosphäre zu quantifizieren. Zu diesen Quellen zählen der Verkehr, die Beheizung von Wohnraum und die Industrie. Diese Studie wird die wissenschaftlichen Kenntnisse über die Herkunft von Luftschadstoffen stark erweitern und kostengünstige Bekämpfungsmaßnahmen ermöglichen, wie sie im Programm „Saubere Luft für Europa“ (CAFE) der Kommission festgelegt sind.

Partikelverschmutzung gefährdet Gesundheit und Klima

Die PM10-Konzentration (Masse aller in der Atmosphäre schwebenden Partikel und Tröpfchen mit einem Durchmesser von weniger als 10 µm (zehn Mikrometer) – ein Mikrometer ist ein Millionstel eines Meters) überschreitet oft die zulässige Grenze nach dem Gesundheitsnormen der Europäischen Kommission. Darin ist eine Höchstgrenze von 50 µg/m3 (Mikrogramm pro Kubikmeter) PM10, gemittelt über 24 Stunden, oder 40 µg/m3, gemittelt über ein Jahr, vorgesehen.

Hohe PM10-Konzentrationen führen zu Lungen- und Herz-Kreislauf-Problemen. Zur Lösung dieser Probleme wurden bereits drastische und kostspielige Maßnahmen getroffen, wie Verkehrsverbote in Städten während bestimmter Zeiträume des Tages oder der Woche.

Die gleichen Partikel, die man in städtischen Gebieten findet, verbreiten sich über die Atmosphäre und werden zu einem regionalen und sogar einem globalen Phänomen. Ihnen wird eine bedeutende abkühlende Wirkung zugeschrieben, die der Aufwärmung durch die Treibhausgase entgegengesetzt ist. Diese Verbindung zwischen lokaler Luftverschmutzung und dem weltweiten Klimawandel bildet ein wichtiges Forschungsthema im derzeitigen Forschungsrahmenprogramm der Kommission und bei der GFS.

Komplexe chemische Zusammensetzung

PM10-Partikel haben komplexe chemische Zusammensetzungen, die ihre unterschiedliche Herkunft widerspiegeln. Städtische PM10 enthalten mindestens sieben breite Klassen chemischer Stoffe: Sulfate, Nitrate, Ammonium, elementaren Kohlenstoff, organischen Kohlenstoff, Minerale und Salze. Partikel aus Verkehrsemissionen setzen sich üblicherweise aus organischen Stoffen und Nitraten zusammen; Gebäudebeheizung und industrielle Tätigkeiten führen zu Sulfaten, Bauarbeiten zu Mineralstaub und Landwirtschaft zu Ammonium. Derzeit ist unbekannt, welcher Bestandteil am gesundheitsschädlichsten ist.

Charakterisierung einzelner Partikel

Die GFS bemüht sich unter anderem um die Entwicklung von Instrumenten zur physikalischen und chemischen Charakterisierung einzelner Partikel. Durch die Charakterisierung der Partikel an der Quelle – einschließlich Kfz-Auspuffrohren, Fabrikschornsteinen und häuslichen Heizanlagen – und in der städtischen Atmosphäre kann der Beitrag jeder Quelle zu städtischen PM10 beurteilt werden.

Neben dem erstmaligen Einsatz von SPASS in Mailand wendet die GFS auch gebräuchlichere Analyseverfahren an und arbeitet mit Geräten, die bei der ARPA in Gebrauch sind. Die Messungen erfolgen am Flughafen Bresso im Norden Mailands, um das städtische Hintergrundaerosol im Einzelnen zu charakterisieren, und in einem Tunnel unter dem Hauptbahnhof von Mailand, um Partikel aus Verkehrsemissionen zu charakterisieren.

Diese Messungen werden zur vollständigen chemischen Charakterisierung städtischer PM10 führen, die Qualifizierung des Beitrags des Verkehrs zu PM10 ermöglichen und die Bedeutung anderer Quellen der städtischen Luftverschmutzung anzeigen.

Redaktionelle Anmerkungen

Die GFS besitzt umfangreiche Erfahrung in der Erforschung der Luftverschmutzung. Sie betreibt das europäische Referenzlaboratorium für Luftverschmutzung (ERLAP), um wissenschaftliche und technische Unterstützung für die Erarbeitung und Umsetzung von Richtlinien der EU zur Luftverschmutzung zu liefern und den Kommissionsdienststellen bei ihren Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zu helfen. Die GFS arbeitet mit dem Verband nationaler Referenzlaboratorien für Luftqualität zusammen und sorgt für die allgemeine Koordinierung vereinheitlichter Luftqualitätsmessungen in ganz Europa. Daneben erarbeitet sie mit japanischen und amerikanischen Sachverständigen gemeinsame weltweite Konzepte.

SPASS ist ein Massenspektrometer, in das über eine Reihe von Düsen Partikel aus der Atmosphäre eingeschossen werden. Die Partikel werden einzeln nach Größe geordnet und dann unter Verwendung eines starken Laserpulses nacheinander gespalten und ionisiert. Anschließend werden positive und negative Ionen mit Hilfe des Massenspektrometers analysiert, um die genaue chemische Zusammensetzung jedes Partikels zu erhalten. Dieses hochtechnologische Gerät ist auf Lastwagen montiert.

Die Studie über die städtische Luft in Mailand ergänzt eine Messreihe während des Sommers 2002 auf Teneriffa, Spanien, wo Staub aus der Sahara untersucht wurde. Beide sind Teil des koordinierten Partikelforschungsprogramms der GFS. Beide Studien werden neue Einsichten bringen bezüglich der Charakteristiken von Partikeln und ihres Beitrags zu örtlichen Gesundheitsproblemen und dem weltweiten Klimawandel.

Media Contact

Fabio Fabbi Europäische Kommission

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