Mit einer "Selbstverpflichtungserklärung" wollen Industrie und große Lebensmittelketten Mehrweg beerdigen
Brauereien und Getränkehandel
unterstützen mehrheitlich die Pläne des Bundesumweltministeriums
73,5 Prozent der Bundesbürger begrüßen Dosenpfand
Die „Selbstverpflichtung“ ist kein taugliches Instrumente, um die
Mehrwegquote für Getränke zu stabilisieren. Dagegen bestätigen das
Umweltbundesamt und der Zuspruch der Bevölkerung die Lenkungswirkung
einer Rücknahme- und Pfandpflicht auf Einweg. „Der vehemente
Widerstand von Großformen des Handels und der Getränkeindustrie ist
ein weiteres Indiz für die das Mehrwegsystem stabilisierende
Wirkung“, schließt GFGH-Vorstand Günther Guder, der gemeinsam mit der
Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), den Bundesverbänden der
mittelständischen Privatbrauereien und des Getränke-Einzelhandels an
die Politiker appelliert, die anstehende Novelle der
Verpackungsverordnung zügig zu verabschieden.
Mehrheit des Getränkehandels und der Brauereien für Pflichtpfand
Die heute in Berlin von Teilen des Handels und der Industrie
vorgestellte „Selbstverpflichtungserklärung“ zeigt die
Interessenslage weniger großer Lebensmittelketten und industrieller
Getränkeabfüller. Das Gros der bundesdeutschen Brauereien,
Mineralbrunnen, Getränkegroß- und Getränkeeinzelhandel stehen hinter
der Einführung eines Pflichtpfandes und lehnen die
„Selbstverpflichtungserklärung“ rundweg ab. Im Einzelnen fordern das
Pflichtpfand:
* 800 von insgesamt 1.200 Brauereien mit insgesamt 60 Prozent der
Beschäftigten in der Brauwirtschaft.
* 3.600 Betriebe des Getränkefachgroßhandels, über die rund 70%
des gesamten Getränkeabsatzes in Deutschland läuft.
* Die Hälfte des mit dem Vertrieb von Getränken befassten
Einzelhandels in Deutschland (davon 60 % Getränkeabholmärkte und 40%
selbstständige Einzelhändler).
Vorschlag ist „Alter Wein in neuen Schläuchen“
Bereits die 1991 eingeführte Mehrwegquote von 72 Prozent war das
Ergebnis einer Selbstverpflichtung von Industrie und Handel, die in
den letzten Jahren von eben diesen Beteiligten systematisch
torpediert worden ist. Mittlerweile liegt der Mehrweganteil an
Getränken bereits bei rund 66 Prozent. Und der ebenfalls alte
AGVU-Vorschlag einer Kombinationsquote würde Mehrweg- und
Recyclingquoten in einen Topf werfen, der europaweiten Forderung
„Vermeidung vor Verwertung“ widersprechen und so jeglichen Schutz des
bewährten Mehrwegsystems gefährden. Das ist „alter Wein in neuen
Schläuchen“, so Guder.
Die Initiatoren der Selbstverpflichtungserklärung wollen gar die
Mehrwegquote in einem ersten Schritt um 10 Prozent senken. Neue
Messgröße ist laut diesem Konzept „jährlich 23 Milliarden Liter
Getränke in ökologisch vorteilhaften Verpackungen“. Außerdem will die
Industrie über das einfache „Vorlegen eines Nachweises“ die
automatische Anerkennung bestimmter Einwegverpackungen als
„ökologisch vorteilhafte Verpackungen“ erreichen. Verbunden mit einer
Kombinationsquote von 90 % „Wiederbefüllung bzw. Verwertung“ (nach
österreichischem Vorbild) fordert somit die Industrie eine völlige
Handlungsfreiheit. Selbst eine Mehrwegquote von Null Prozent ist mit
dieser Regelung theoretisch möglich (bei einer Recyclingquote von 90
Prozent). Konsequenterweise sieht die Selbstverpflichtungserklärung
keinerlei Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung vor. Bei so
vielen „Gestaltungsspielräumen“ ist dies auch nicht mehr notwendig.
Repräsentative EMNID-Umfrage: 73,5 % der Verbraucher wollen
Mehrweg
Auch breite Kreise der Bevölkerung befürworten die Rücknahme- und
Pfandpflicht für Einweg. Dies zeigte das Ergebnis einer vom 9. bis
15. März 2001 im Auftrag der DUH und des GFGH durchgeführten
EMNID-Meinungsumfrage unter 3.015 Bundesbürgern. 32,8 % der Befragten
kündigten an, bei einem Dosenpfand von 50 Pfennigen künftig weniger
Getränke in Einweg-Verpackungen zu kaufen. Befragt nach der
grundsätzlichen Akzeptanz eines 50-Pfennig-Pfands auf Getränkedosen
und Einwegflaschen befürworteten drei Viertel der Befragten (73,5 %)
ein Einwegpfand.
Negative Erfahrungen mit Selbstverpflichtungserklärungen und
Wiederverwertungsquoten
Günther Guder, Geschäftsführender Vorstand des GFGH, verwies auf
die in Österreich und Belgien gesammelten negativen Erfahrungen mit
derartigen Selbstverpflichtungserklärungen von Handel und Industrie:
So ist in Österreich die Mehrwegquote allein von 1997 bis 2000 um 14
Prozent gefallen, bei Mineralwasser sogar um 30 Prozent. In Belgien
brach die Mehrwegquote bei Mineralwasser und Softdrinks binnen sieben
Jahre sogar von 70 auf 20 Prozent praktisch völlig zusammen. Außerdem
werde die 1,9 Pfennige ausmachende Gebühr die heute zu beobachtenden
Dumpingpreise von in Einweg abgefüllten Getränken nicht beenden.
Wirtschaftsminister Schwanhold zum „Dosenminister“ mutiert
Als treibende Kraft hinter der Selbstverpflichtungserklärung haben
DUH und GFGH den NRW-Wirtschaftsminister Schwanhold ausgemacht.
Dieser unterhalte sich ausschließlich mit den Großformen der
Industrie und des Handels. „Seit Monaten erhalten wir vom Mittelstand
weder einen Gesprächstermin noch eine Antwort auf unsere Schreiben“,
beklagt Guder vom GFGH die Missachtung mittelständischer Interessen,
die ansonsten gerne als Lippenbekenntnisse verkündet würden. Er
forderte Schwanhold auf, sich vom „Dosenminister“ zum
Mittelstandsminister zurückzuverwandeln.
ots Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
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Jürgen Resch,
Deutsche Umwelthilfe e.V.
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Günther Guder,
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