Feinstaub – vom Winde verweht
Fraunhofer Forscher vom Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme Dresden zeigen neue Verfahren zur Vorhersage der Luftbelastung auf und machen auf den gravierenden Einfluss von meteorologischen Großwetterlagen auf die Feinstaubbelastung in deutschen Städten aufmerksam. So haben beispielsweise Niederschlags- und Windereignisse sowie andere meteorologische Faktoren einen weitaus höheren Einfluss auf die Belastung als bisher angenommen.
Seit Inkrafttreten der neuen EU-Feinstaub-Richtlinie haben bereits zahlreiche Großstädte und Ballungsräume die Zahl der erlaubten Grenzwertüberschreitungen erreicht und überschritten. Die aktuell diskutierten Gegenmaßnahmen wie Fahrverbote und gezielte Straßensperrungen beruhen weitestgehend auf Simulationsmodellen aus den USA, die die Feinstaubbelastung im wesentlichen auf das Verkehrsaufkommen zurückführen und so zu aktuellen Belastungsprognosen kommen, ohne natürliche Quellgruppen sowie Witterungs- und Standortbedingungen ausreichend einzubeziehen.
Fraunhofer Forscher weisen nun gravierende Missverhältnisse dieser Modelle mit tatsächlich gemessenen Werten nach. Seit mehr als drei Jahren entwickeln Forscher in der Abteilung Umwelt, Energie, Verkehr um Dr. Matthias Klingner leistungsfähige Analyseprogramme zur Auswertung der umfangreichen Messdaten aus den Luftmessnetzen der Bundesländer. Die gewonnenen Erkenntnisse basieren auf statistischen Analysen langjähriger Messreihen der Schadstoffbelastungen in Abhängigkeit von meteorologischen Einflüssen, Verkehrsaufkommen und weiteren Faktoren. „Bisher wurde der komplexe Prozess der verkehrsbedingten Schadstoffimmissionen eher statisch und linear betrachtet. Die Beschränkung auf anthropogen verursachte Quellgruppen und deren Analysen ohne Berücksichtigung der erheblichen Wechselwirkungen mit meteorologischen Einflussfaktoren führt zumindest beim Feinstaub zu unzulässigen Vereinfachungen und Schlussfolgerungen“, so Matthias Klingner, Abteilungsleiter am IVI. Örtliche Ausbreitungsbedingungen, meteorologische Faktoren wie Niederschlag, Windgeschwindigkeit und relative Luftfeuchte würden die Immissionskonzentrationen deutlich stärker beeinflussen als die Schwankungen im Verkehrsaufkommen. Und dies vor allem großräumig und mit einer über mehrere Tage andauernden Nachwirkung.
Die IVI Forscher drängen nun auf eine zügige und sachlich geführte Diskussion. Modellrechnungen zeigen auf, dass kurzfristige Straßensperrungen keine nennenswerte Ergebnisse bringen, wenn nicht die Großwetterlage mitberücksichtigt wird. „Während niederschlagsfreier Wetterperioden nimmt die Feinstaub-Belastung auch im ländlichen Gebiet deutlich zu“, so Klingner. Lokale Sperrungen von Straßenschluchten würden also nur geringe Auswirkungen auf die Luftbelastung haben. Ähnlich verhält sich die Situation beim Wind. Hohe Windgeschwindigkeiten wirbeln zwar in den Städten den Feinstaub auf, tragen ihn aber verstärkt ins Umland aus und entschärfen deutlich das Problem. Beachtet man darüber hinaus die kontinuierliche Staubablagerung und Wiederaufwirbelung in verkehrsreichen Regionen mit schlechten Ausbreitungsbedingungen, so können Maßnahmen zur Reduktion der Staubbelastung nur dann wirksam werden, wenn sie mit einem zeitlichen Vorhalt von mehreren Tagen eingeleitet wurden.
Aus Klingners Analyse- und Vorhersagemodellen können abhängig von der Meteorologie verschiedene an die jeweiligen Bedingungen angepasste Aktionspläne abgeleitet werden, die kurzfristig die Überschreitung der zulässigen Grenzwerte verhindern. Langfristig allerdings führt nichts an dem Einsatz von Partikelfiltern vor allem für Nutzfahrzeuge, der Umrüstung auf innovative Antriebskonzepte auch im ÖPNV, einer steten Verflüssigung des Verkehrs und der Verlagerung des Schwerlastverkehrs ins Umland vorbei.
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