Kaprun als Vorwand für Naturzerstörung
WWF befürchtet schwere ökologische Schäden in Tiroler Gletschergebiet
Während heute die Untersuchung zum Unglück von Kaprun veröffentlicht wird, machen neue Planungen in Österreich deutlich, wie die Katastrophe als Vorwand für großflächige Naturzerstörung missbraucht werden kann. Am Pitztaler Gletscher in Tirol ist eine neue Talabfahrt geplant, die unberührte Gletscherlandschaften zerstören würde. Um sie zu bauen und den Gletscher zu erschließen, soll das Tiroler Naturschutzgesetz geändert werden, das bisher die Beeinträchtigung von Gletschergebieten verbietet. Die Gesetzesänderung dient angeblich der Sicherheit: Die neue Piste soll in Notfällen der Evakuierung aus dem Schigebiet dienen, das nur über eine Stollenseilbahn erschlossen ist. Sie ist eine von fünf Stollenseilbahnen gleicher Bauart wie in Kaprun, die es in Österreich derzeit noch gibt.
Der WWF Österreich hat nun Beweise dafür, dass die neue Piste sowohl aus Sicht des Naturschutzes als auch aus Sicherheitsgründen sehr fragwürdig ist. Das belegt eine Faktensammlung, die heute von Andreas Baumüller und Gerald Steindlegger vom WWF Österreich in Innsbruck vorgestellt wurde. „Es drängt sich die Vermutung auf, dass das schreckliche Unglück in Kaprun missbraucht wird, um den Ausbau des Gletscherschigebietes durchzusetzen und dabei geschützte, unberührte Bergwelt zu zerstören“, meint Andreas Baumüller. Die Faktensammlung belegt, dass der Bau der Talabfahrt eines der letzten unberührten Gletscher- und Hochgebirgsgebiete Tirols zerstört. Hier sind sogar einst ausgestorbene Arten wie der Bartgeier wieder zu sehen. Gletscher zählen zu den letzten Refugien unberührter Natur im Alpenraum. „Die Gesetzesänderung in Tirol würde zu einer neuen Runde im Gletscher-Schigebietswahnsinn der Alpen führen. Das wäre ökologisch verheerend und ökonomisch sinnlos“, so Andreas Baumüller, der als Koordinator des WWF-Alpenprogramms international für die Erhaltung der letzten Naturgebiete kämpft.
Der WWF hält das Argument, die Piste diene die Sicherheit der Schifahrer im Falle eines Unglückes wie in Kaprun, für nicht haltbar: Die Trasse führt als schwer zu befahrende, schwarze Piste durch extrem steiles, lawinen- und steinschlaggefährdetes Gelände. Mindestens zu einem Drittel der Wintersaison müsste diese Talabfahrt gesperrt werden. „Das bedeutet, dass das geplante Projekt den geforderten Sicherheitsaspekten nicht gerecht wird. Im Gegenteil, es bleibt offen, wie ungeübte Schifahrer sowie Panoramatouristen diese Talabfahrt bewältigen können“, warnt Steindlegger, WWF-Experte für alpine Naturgefahren.
Die Entscheidung über das Projekt hat die Tiroler Naturschutzlandesrätin Christa Gangl. „Das Pistenprojekt bricht Tiroler Recht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Naturschutzlandesrätin Gangl ihrer eigentlichen Aufgabe – dem Naturschutz – entgegenarbeitet und das Gesetz einfach ändert“, so Baumüller. Die Entscheidung sei von alpenweiter Bedeutung und müsse auf einer höheren Ebene diskutiert werden.
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