Schadstoffemissionen an Autobahnen höher als mit Emissionsmodellen berechnet
Internationales Großexperiment unter Federführung des Forschungszentrums Karlsruhe legt Ergebnisse vor
Durch den realen Fahrzeugverkehr auf Autobahnen werden 23 % mehr Kohlenmonoxid und 17 % mehr Stickoxide emittiert als dies bisher von Emissionsmodellen berechnet wurde. Für einzelne Kohlenwasserstoffe wurden deutlich höhere Abweichungen festgestellt. Dies ist das Ergebnis eines wissenschaftlichen Großexperimentes, das im Frühjahr 2001 an der Autobahn zwischen Mannheim und Heidelberg stattfand und dessen Ergebnisse nun vorgestellt wurden. Im Fokus der Messungen standen unter anderem Partikel, die sowohl direkt gesundheitsgefährdend sind, als auch auf vielfältige Weise in die Chemie der Atmosphäre und das Klima eingreifen. Daneben wurden eine Vielzahl von Spurengasen und meteorologischen Parametern erfasst. Unter Federführung des Forschungszentrums Karlsruhe waren Einrichtungen aus drei Ländern an der Messkampagne beteiligt. Nachdem wesentliche Ergebnisse bald nach der Messkampagne publiziert wurden, liegen nun die Ergebnisse der sorgfältigen Auswertung vor, die im Oktober 2005 in einem Sonderband der Fachzeitschrift Atmospheric Environment erschienen sind.
Die Schadstoffemissionen von Motoren bzw. Fahrzeugtypen werden normalerweise aus Messungen auf Prüfständen ermittelt. Mit Hilfe von Computermodellen wird dann die Gesamtemission der Fahrzeugflotte hochgerechnet. Die Ergebnisse dieser Modellrechnungen bilden die Grundlage für umweltpolitische Entscheidungen. Daher ist es wichtig, die Genauigkeit der modellierten Emissionsdaten zu kennen. Für Straßenverkehrsemissionen wurde im Projekt BAB II (BundesAutoBahn, 2. Phase) durch Spurenstoffmessungen unter realen Verkehrsbedingungen die Zuverlässigkeit berechneter Emissionen überprüft. Das Projekt wurde vom Umweltbundesamt (UBA) mit finanziert.
Die Ergebnisse des Großexperimentes zeigen, dass die von Modellen berechneten Emissionen von Partikeln und Spurengasen aus dem Autobahnverkehr bisher unterschätzt wurden: Die Kraftfahrzeugflotte emittierte 23 % mehr Kohlenmonoxid und 17 % mehr Stickoxide als angenommen. Im Nahbereich an der Autobahn wurde eine Größenverteilung von Feinstaub mit zwei Maxima um 0,02 und 0,1 Mikrometer gemessen. Außerdem ist ein sprunghafter Anstieg der Kohlenmonoxid-Emissionen zu beobachten, wenn die Autos im Stau stehen.
Parallel zu den meteorologischen und chemischen Messungen zeichnete das Institut für Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart während der Messkampagne kontinuierlich Geschwindigkeit und Kennzeichen der vorbeifahrenden Fahrzeuge auf. Über das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg wurden dann die emissionsrelevanten technischen Daten der vorbeifahrenden Fahrzeuge abgerufen.
„Durch die Messkampagne wurde die Datenbasis für unsere Modellrechnungen entscheidend verbessert. Die Fehler, mit denen die Emissionsdaten behaftet sind, konnten erstmals für einen Autobahnabschnitt quantifiziert werden“, erläutert Professor Dr. Christoph Kottmeier, Institutsleiter am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe.
Die genauen Emissionsdaten von Schadstoffen aus Kraftfahrzeugen werden benötigt, um chemische und physikalische Vorgänge in der Atmosphäre genau modellieren und damit die Schadstoffbelastungen für Mensch und Umwelt bestimmen zu können. Nur mit numerischen Simulationen an großen Computern können die komplexen Vorgänge in der Atmosphäre beschrieben und flächendeckend dargestellt werden. Inzwischen sind die Modellrechnungen so exakt, dass sich die Auswirkungen von Emissionsminderungsstrategien (zum Beispiel Geschwindigkeitsbeschränkungen, Katalysatoreinbau oder Maßnahmen an Industrieanlagen) vorhersagen lassen. So können Eingriffe in Straßenverkehr und Industrie, die mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sind, vorab auf ihre Tauglichkeit untersucht werden. Die Genauigkeit der Modelle hängt aber von der Qualität der Emissionsdaten ab. Hier konnte mit der Messkampagne eine solide – unter realen Bedingungen aufgenommene – Datenbasis geschaffen werden.
Die Messkampagne wurde – unter Federführung des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe – von Instituten aus Deutschland, Dänemark und der Schweiz getragen. Beteiligt waren das Institut für Physikalische Chemie der Universität Wuppertal, das Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg, die Institute für Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendung sowie für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen der Universität Stuttgart, das Paul Scherrer Institut aus Villigen/Schweiz, das Umweltbundesamt, die Universität Kopenhagen/Dänemark, das Zentrum für Umweltforschung der Universität Frankfurt, sowie das Ford Forschungszentrum in Aachen und die BASF AG.
Das Forschungszentrum Karlsruhe ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, die mit ihren 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,1 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands ist. Die insgesamt 24000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Helmholtz-Gemeinschaft forschen in den Bereichen Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Verkehr und Weltraum, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien.
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