E. coli & Co.: Fäkalkeime in Landschaften und Fließgewässern
Um die Ausbreitung und den Verbleib von Fäkalkeimen im Gewässer zu verstehen muss man auch die Herkunftsräume, die Menge und die Fließwege des Wassers in der Landschaft erfassen und die Einträge in das Flussnetz berücksichtigen.
IGB-Forscherin Dörthe Tetzlaff, ihr Doktorand Aaron Neill und zwei ihrer Kollegen von der Universität Aberdeen (Chris Soulsby und Norval Strachan) haben in einem Untersuchungsgebiet in Schottland erforscht, wie sich markierte fäkale Indikatorkeime in einem Einzugsgebiet verbreiten.
Anschließend verknüpften sie die Daten mit hydrometrischen Werten (mengenmäßige Erfassung des Wasserkreislaufs) und stabilen Isotopenmarkern („Tracer“). Eine solche Kombination ist neuartig. Daraus entwickelten die Forschenden ein mathematisches Modell zur Verbreitung von Fäkalkeimen, welches sich auch auf andere Fließgewässer übertragen lässt.
Modell sagt Verteilung von Fäkalkeimen im Sommer sehr genau voraus:
Die Forschenden konnten in dieser kombinierten Studie zeigen, dass der Grad der Vernetzung des Wasserkreislaufs (Konnektivität) eine entscheidende Rolle für die Verteilung der Fäkalkeime spielt. Die neu entwickelte Methode erlaubte es, genau zu quantifizieren, wann und von wo Keime in das System gelangen.
„In unserem Untersuchungsgebiet waren die Konzentrationen von Fäkalkeimen im Gewässer im Sommer am höchsten, dies ist auch in anderen Regionen zu erwarten. Vor allem in den Sommermonaten kommen Starkregenereignisse häufiger vor und spülen Keime von landwirtschaftlich genutzten Flächen in Gewässer.
Im Sommer gelangen so auch Keime ins Wasser, die nicht aus der unmittelbaren Nähe des Gewässers stammen, wohingegen im Winter Keime mobilisiert werden, die in der Uferzone gespeichert worden sind. Das von uns entwickelte Modell konnte die tatsächliche Verteilung der Keime im Sommer sehr genau widerspiegeln“, so Dörthe Tetzlaff zu den Ergebnissen der Studie.
Für die Wintermonate müssen die Forschenden das indikatorgestützte Modell noch anpassen. Für diesen Zeitraum unterschieden sich nämlich die berechneten Keimbelastungen von den gemessenen Werten. Grund dafür, so vermuten die Forschenden, sind die erhöhten Absterberaten der Keime bei niedrigen Temperaturen und vor allem aber Bodenfrost; beides Aspekte, die im Modell bisher nicht erfasst wurden.
„Es ist eine sehr spannende, aber mühevolle Aufgabe, solch ein zeitlich und räumlich dynamisches mathematisches Modell zu optimieren. Es gibt so viele unbekannte Größen, die es zu berücksichtigen gilt“, resümiert Dörthe Tetzlaff. Die Forscherin ist optimistisch, dass dieses Modell und seine Weiterentwicklungen eines Tages die wissenschaftliche Grundlage bilden, um die Verbreitung von Fäkalkeimen im Einzugsgebiet von Fließgewässern abschätzen zu können.
Weitere Anknüpfungspunkte zum Thema am IGB:
• Stresstest für Flüsse: frei verfügbares Szenario-Analysetool, um verschiedene Stressoren für Europäische Flüsse zu analysieren und zu visualisieren. Dr. Markus Venohr
• Pharmaka in Oberflächengewässern und deren Auswirkungen auf Amphibien und Fische. Prof. Dr. Werner Kloas
• Wasser als Vektor für Krankheitserreger (z.B. Closterium deciphile, MRSA-Bakterien und Influenza A). Prof. Dr. Hans-Peter Grossart im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS’21
Zu Prof. Dr. Dörthe Tetzlaff: Dörthe Tetzlaff ist Leiterin der Abteilung „Ökohydrologie“ am IGB. Ihr internationales Team untersucht den gesamten Kreislauf von Wasser in der Landschaft: im Boden, im Grundwasser und in Oberflächengewässern, aber auch in Pflanzen und der Atmosphäre. Ziel ist zu erforschen, wie Einzugsgebiete auf unterschiedlichen räumlich-zeitlichen Skalen ökohydrologisch funktionieren. Es werden Interaktionen von Landschaften und Fließgewässern untersucht, um das Verständnis physikalischer Prozesse zur Entstehung von Wasserführung und die Art, wie diese Prozesse die Hydrochemie und Ökohydrologie von Gewässern beeinflussen, zu erhöhen.
Über das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB):
Das Leibniz-IGB ist das bundesweit größte Forschungszentrum für Binnengewässer. Es verbindet Grundlagen- und Vorsorgeforschung, bildet den wissenschaftlichen Nachwuchs aus und berät Politik und Gesellschaft in Fragen des nachhaltigen Gewässermanagements. Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten angesichts sich rasch ändernder Umweltbedingungen, die Renaturierung von Ökosystemen, die Biodiversität aquatischer Lebensräume sowie Technologien für eine ressourcenschonende Aquakultur. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin-Brandenburg und weltweit. Das Leibniz-IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft. www.igb-berlin.de/
Prof. Dr. Dörthe Tetzlaff
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Müggelseedamm 310
12587 Berlin
Telefon: 030/64181661
E-Mail: d.tetzlaff@igb-berlin.de
Publikation:
Aaron J. Neill; Doerthe Tetzlaff; Norval J. C. Strachan; Chris Soulsby: To what extent does hydrological connectivity control dynamics of faecal indicator organisms in streams? Initial hypothesis testing using a tracer-aided model. Journal of Hydrology. – 570(2019), S. 423-435
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz
Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.
Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.
Neueste Beiträge
Überlebenskünstler im extremen Klima der Atacama-Wüste
Welche Mikroorganismen es schaffen, in den extrem trockenen Böden der Atacama-Wüste zu überleben, und welche wichtigen Funktionen sie in diesem extremen Ökosystem übernehmen – zum Beispiel bei der Bodenbildung –,…
Hoffnung für Behandlung von Menschen mit schweren Verbrennungen
MHH-Forschende entwickeln innovatives Medikament, um die Abstoßung von Spenderhaut-Transplantaten zu verhindern. Wenn Menschen schwere Verbrennungen erleiden, besteht nicht nur die Gefahr, dass sich die Wunde infiziert. Der hohe Flüssigkeitsverlust kann…
Neue Erkenntnisse zur Blütezeit-Regulation
Einfluss von Kohlenstoff- und Stickstoff-Signalwegen auf Blütenrepressoren bei Arabidopsis. In einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Plant Physiology hat ein internationales Forschungsteam, dem unter anderem Dr. Justyna Olas als eine…