Forscher untersuchen Öko-System an großem Küstenabschnitt

Patrizia Ruiz de Vinaspre auf dem Weg, um Wartungsarbeiten am Messturm durchzuführen (Fotos: privat)

Viele Küstenabschnitte in Mecklenburg-Vorpommern sind durch Schutzbauten gesichert. Ob die auch für die Zukunft unter dem prognostizierten Meeresspiegelanstieg die beste Lösung sind, ist ungewiss. Der Rückbau von Dämmen also?

Wissenschaftler der Universität Rostock untersuchen seit sieben Jahren im Naturschutzgebiet (NSG) Heiligensee und Hütelmoor im Nordosten Rostocks, welches sich entlang der Küste von Markgrafenheide bis zum Rosenort erstreckt, auf der so genannten Rodewiese die Vergetationsdynamik und den Stoffaustausch zwischen Moor und Atmosphäre. Im Klartext heißt das, penibel zu ergründen, wie sich die Vegetation von Jahr zu Jahr verändert. Und vor allem auch, wie der Stoffaustausch im Moor sich verändert und was ihn antreibt.

„Dieser Küstenmoorkomplex bietet sich hervorragend als Modellsystem an“, sagt Dr. Gerald Jurasinski, kommissarischer Leiter der Professur Landschaftsökologie und Standortkunde der Uni Rostock. Der Abschnitt sei seit einigen Jahren der natürlichen Küstendynamik überlassen worden. Für den Wissenschaftler ist es interessant zu beobachten, „wie sich ein Ökosystem durch menschliche Eingriffe verändert und wie lange Anpassungsprozesse andauern“. Das Küstenmoor wurde seit Ende der 60iger Jahre entwässert und bis zur Wende landwirtschaftlich genutzt. Die aktive Entwässerung durch Pumpen wurde 1992 eingestellt.

Interessant: „Das Moor wurde aber nicht, wie erwartet, wiedervernässt“, blickt Dr. Jurasinski zurück. Deshalb habe das damalige Staatliche Amt für Umwelt und Natur beschlossen, den Hauptentwässerungsgraben mit einer Sohlschwelle zu verschließen. Zur Vorbereitung dieser Maßnahme wurde im Herbst 2003 der 'Ringdeich Markgrafenheide' um den Heideort gezogen. Danach wurde die Unterhaltung der Küstenschutzbauwerke, also der Buhnen und der Küstenschutzdüne, im Strandabschnitt von Markgrafenheide bis zum Rosenort aufgegeben. Das Naturschutzgebiet wurde dann im Winter 2009 durch den Einbau einer Sohlschwelle wiedervernässt. Seit dem ist auch im Sommer der Wasserstand ausreichend hoch.

„Über 30 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Mecklenburg-Vorpommern kommen, in Form von Kohlendioxid, aus entwässerten Mooren, deswegen sind Wiedervernässungen eine wichtige Option zur Verbesserung der Klimabilanz des Landes“, konstatiert Dr. Gerald Jurasinski. „Nach Wiedervernässung ist allerdings mit einem erhöhten Ausstoß von Methan zu rechnen, ebenfalls ein bedeutendes Treibhausgas.“ Daher sei die Untersuchung der tatsächlich ablaufenden Prozesse von großer Bedeutung für das zukünftige Management von Moorstandorten.

„Als Forscher hatten wir in diesem Fall das Glück, den Zustand des Gebietes schon vor der Wiedervernässung zu beschreiben“, sagt Dr. Jurasinski. Seit nunmehr sieben Jahren begleitet er die ökologische Entwicklung in diesem Gebiet mit Argusaugen. Die Erkenntnisse des Forschers, der im Harz-Vorland aufgewachsen und Vater zweier Kinder ist, an der Uni Rostock studierte und in Bayreuth promovierte: „In den ersten Jahren nach der Wiedervernässung haben sich die Methan-Emissionen nicht so entwickelt, wie wir uns das wünschen würden“.

Bedauerlicherweise seien hier Werte gemessen worden, die im Vergleich mit ähnlichen Standorten in der Welt sehr hoch gewesen seien. „Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass ein großflächiger Zusammenbruch der Vegetation, kombiniert mit starken Veränderungen der Torf- und Wasserchemie ausschlaggebend für diese starken Methanemissionen waren“, bilanziert der Forscher. Inzwischen verzeichnet er eine kontinuierliche Abnahme der Methanemissionen in dem Naturschutzgebiet. „Wir haben das Ende aber noch nicht erreicht“. Auf der Grundlage von Erfahrungen mit länger wiedervernässten Mooren z.B. im Trebeltal rechnet er etwa zehn bis 15 Jahre nach der Wiederverwässerung des Moores mit einem Einpegeln des Systems.

Für ihn sei es interessant, mit der Brille der Wissenschaft zu beobachten, wie die Funktion eines zuvor bereits durch Menschen stark veränderten Ökosystems sich durch erneute menschliche Eingriffe entwickelt. So komisch es auch klingt, Jurasinski wartet auf das nächste Hochwasser. Dann fließe, entsprechend der vor dem Eingriff des Menschen bestehenden Situation Ostseewasser in das Ökosystem. Die Methanemissionen würden sich dann wahrscheinlich verringern, weil durch Sulfat aus dem Ostseewassser das Entstehen von Methan gehemmt werde. Allerdings sind auch jetzt schon die Sulfatkonzentrationen im Gebiet hoch und es wird – entgegen der allgemeinen Lehrmeinung – trotzdem viel Methan ausgestoßen. „Hier besteht definitiv noch Forschungsbedarf“ sagt Dr. Jurasinski „das gilt insbesondere auch für die Wechselwirkungen zwischen Land und Meer an der Flachküste generell“.

An dieser Stelle setzt nun ein neues, großes Forschungsprojekt an, das die Uni Rostock und das Leibniz Institut für Ostseeforschung Warnemünde bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworben haben. Das Graduiertenkolleg Baltic TRANSCOAST bietet zunächst 12 Doktorandinnen und Doktoranden die Chance, gemeinsam die Wechselwirkungen zwischen Land und Meer an der Deutschen Ostseeküste zu erforschen. Das Projekt bildet einen zentralen Baustein beim Ausbau des Standortes Rostock zum Zentrum für Küstenforschung. Text: Wolfgang Thiel

Kontakt:
Universität Rostock
Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät
Dr. Gerald Jurasinski
Telefon: 0381/498 3225
Mail: gerald.jurasinski@uni-rostock.de

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Ingrid Rieck Universität Rostock

Weitere Informationen:

http://www.uni-rostock.de

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