Für Pflanzen wird die Luft immer dünner
Eurac Research (Bozen, Italien): Erstmals weltweit simulieren Forscher im Extremklimasimulator terraXcube wie sich Pflanzen und Mikroorganismen an den geringen Luftdruck in höheren Lagen anpassen.
Durch den Klimawandel und den damit verbundenen Temperaturanstieg wandern Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen immer häufiger nach oben, in kühlere Höhenlagen. Aber wie passen sich diese Organismen an die Bedingungen in der Höhe an? Erstmals beobachtet ein Forscherteam in der kontrollierten Umgebung des terraXcube – dem Extremklimasimulator von Eurac Research im NOI Techpark – wie diese Organismen auf den geringeren Luftdruck reagieren. Insbesondere analysieren die Forscherinnen und Forscher, wie sich Mechanismen wie Photosynthese und Transpiration der Pflanzen verändern. Außerdem gehen sie der Frage nach, welche Mikroorganismen im Boden die Anpassung der Pflanzen unterstützen können. Die Tests werden von Eurac Research in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck durchgeführt.
Dass bestimmte Pflanzenarten aufgrund des Klimawandels immer weiter nach oben wandern, belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien. Doch wie die Pflanzen physiologisch darauf reagieren, ist bisher noch wenig erforscht: So wurde beispielsweise bisher noch nie eingehend untersucht, wie der Luftdruck, der mit zunehmender Höhe sinkt, und die Anpassungsmechanismen der Pflanzen an die Höhe zusammenhängen.
„Es ist äußerst komplex, den Einfluss einzelner Umweltfaktoren, beispielsweise des Luftdrucks, im freien Gelände zu untersuchen“, erklärt Matteo Dainese, Ökologe am Institut für Alpine Umwelt von Eurac Research. „Wenn wir Organismen in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten, sind bestimmte Umweltbedingungen – beispielsweise Luftdruck und Temperatur – eng miteinander verbunden. Sie getrennt voneinander zu untersuchen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.“
Aus diesem Grund hat das Forscherteam von Eurac Research und der Universität Innsbruck einen speziellen Test entwickelt, der in diesen Wochen in den Small Cubes des Extremklimasimulators durchgeführt wird: In vier Klimakammern stellen die Forscher unterschiedliche – für den Alpenraum typische – Umweltbedingungen nach, und zwar unabhängig voneinander. Dabei werden Pflanzenarten aus dem Matschertal, wo Eurac Research seit 2010 ein Freilandlabor betreibt und ökologische Langzeituntersuchungen durchführt, auf Knopfdruck in unterschiedliche Höhenlagen gebracht. Gleichzeitig bleiben Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichtverhältnisse unverändert.
Bei einem der simulierten Szenarien bringt das Forscherteam die Pflanzen und Organismen in 2.500 Meter Höhe. „Das ist wohl eines der wahrscheinlichen Szenarien, die wir laut bestimmten Klimamodellen um das Jahr 2100 haben könnten. Sollten die weltweiten Emissionen nicht eingedämmt werden, sehen diese Modelle bis zum Ende des Jahrhunderts einen Temperaturanstieg zwischen 4 °C und 7 °C vor. Das bedeutet, dass Pflanzenarten etwa 600 bis 1.000 Meter weiter nach oben wandern könnten”, erklärt Matteo Dainese. In einer anderen Klimakammer werden 4.000 Höhenmeter simuliert: Diese extremen Bedingungen sind zwar nicht realistisch, sie erlauben dem Forscherteam jedoch, genauer zu beobachten, wie Pflanzen auf geringen Luftdruck reagieren.
Während der Tests untersucht das Team außerdem, wie sich die Photosynthese und die Transpiration der Pflanzen in der Höhe verändern, um zu verstehen, welche Arten sich höheren Lagen gut anpassen.
Neben Pflanzen beobachtet ein Forscherteam der Universität Innsbruck im terraXcube auch die Mikroorganismen im Boden: Einige Forschungsergebnisse deuten nämlich darauf hin, dass sie Pflanzen dabei unterstützen können, sich neuen Lebensräumen anzupassen.
Ein Teil der Pflanzen wird in sterilisiertem Boden ohne Mikroorganismen gezüchtet, andere Pflanzen im Boden des Matschertals, mit den dort vorkommenden Mikroorganismen. Außerdem testet das Forscherteam die physiologische Reaktion verschiedener mikrobieller Reinkulturen, sowohl Pilzen als auch Bakterien. „Wir wollen durch diese Tests verstehen, welche Mikroorganismen sich höheren Lagen am besten anpassen, wie sich ihre Leistungen im System Boden verändern und welche Organismen imstande sind, die negativen Auswirkungen auf die Pflanzen zu reduzieren, die sich direkt oder indirekt durch die Höhe ergeben“, erklärt der Mikrobiologe Paul Illmer, der unter anderem die Arbeitsgruppe Mikrobiologie und Klimawandel der Universität Innsbruck leitet.
Diese ersten Tests werden im Rahmen des dreijährigen Projekts UPSHIFT durchgeführt. In Zukunft werden sich Ökosysteme nämlich aus neuen Arten sowie neuen Kombinationen von Pflanzen, Insekten und Bodenorganismen aus unterschiedlichen Höhenlagen zusammensetzen. Im terraXcube können die Forscherinnen und Forscher jetzt schon – mit einem Vorsprung von einigen Jahrzehnten – beobachten, wie diese Ökosysteme in Zukunft aussehen könnten.
Das Projekt wird von der Autonomen Provinz Bozen und dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanziert.
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz
Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.
Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.
Neueste Beiträge
Selen-Proteine …
Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung. Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von…
Pendler-Bike der Zukunft
– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…
Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung
Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…