Hitzeextreme im Boden werden unterschätzt

Klimawandel verstärkt extreme Hitze im Boden
(c) André Künzelmann / UFZ

Klimawandel verstärkt extreme Hitze im Boden.

Bodentemperaturen wurden lange Zeit wenig beachtet, weil im Unterschied zu den oberflächennahen Lufttemperaturen aufgrund der deutlich aufwendigeren Messung kaum verlässliche Daten vorlagen. Ein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) angeführtes Forschungsteam hat nun festgestellt, dass sich Boden- und Lufttemperaturen nicht nur unterscheiden können, sondern auch, dass sich der Klimawandel auf die Intensität und Häufigkeit von Hitzeextremen im Boden deutlich stärker auswirkt als in der Luft. Vor allem in Mitteleuropa sei dies der Fall, schreiben sie im Fachjournal Nature Climate Change.

Das Forschungsteam unter der Koordination der UFZ-Fernerkundlerin Dr. Almudena García-García hat für seine Studie Daten aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen: Daten aus meteorologischen Messstationen, von Fernerkundungssatelliten, aus dem Datenanalyseset ERA5-Land sowie aus Simulationen von Erdsystemmodellen. Damit fütterten die Forschenden den Index TX7d – einen in der Wissenschaft gängigen Index, der als Durchschnitt der täglichen Höchsttemperatur in der heißesten Woche des Jahres definiert wird. Er gibt die Intensität der Hitzeextreme wieder, also wie hoch Extremtemperaturen ausfallen. So berechneten sie den Index für die 10 Zentimeter dicke obere Bodenschicht und für die oberflächennahe Luft in bis zu 2 Metern Höhe für die Jahre 1996 bis 2021.

Der Trend in den Hitzeextremen im Boden ist an zwei Dritteln der insgesamt 118 ausgewerteten meteorologischen Messstationen stärker als in der Luft. „Das bedeutet, dass Hitzeextreme im Boden viel schneller entstehen als in der Luft“, sagt die Erstautorin Almudena García-García. Wie die verfügbaren Daten zeigen, trifft das vor allem auf Deutschland, Italien und Südfrankreich zu. In Mitteleuropa beispielsweise nimmt laut den Stationsdaten die Intensität der Hitzeextreme im Boden um 0,7 Grad Celsius/Jahrzehnt schneller zu als in der Luft.

Das Forschungsteam untersuchte aber nicht nur die Intensität, sondern auch die Häufigkeit von Hitzeextremen im Boden. Um diese zu berechnen, nutzten die Wissenschaftler den Index TX90p. Er berücksichtigt den Prozentsatz der Tage pro Monat, an denen die Tageshöchsttemperatur zwischen 1996 und 2021 höher war als der statistische Grenzwert. Das Ergebnis: Die Anzahl der Tage mit Hitzeextremen nimmt im Boden doppelt so schnell zu wie in der Luft. „Gibt es zum Beispiel monatlich 10 Prozent heiße Tage im Boden und in der Luft, wird es ein Jahrzehnt später 15 Prozent heiße Tage in der Luft und 20 Prozent heiße Tage im Boden haben“, sagt Almudena García-García. Ausschlaggebend dafür ist die Bodenfeuchtigkeit, die eine wichtige thermische Rolle im Austausch zwischen Luft- und Bodentemperaturen spielt. Die Bodenfeuchtigkeit ist stark von der Landbedeckung abhängig: So können in Wäldern Bäume mit ihren Wurzeln tiefer liegendes Bodenwasser ziehen und im Sommer die Verluste durch Verdunstung reduzieren. Landwirtschaftliche Nutzpflanzen oder Grünländer können dagegen nur auf oberflächennahes Bodenwasser zugreifen.

Dass sich im Boden extreme Temperaturen schnell entwickeln können und dabei von denen in der bodennahen Luftschicht deutlich unterscheiden, hat Folgen. Ist die Temperatur im Boden höher als in der Luft, wird zusätzliche Wärme an die untere Atmosphäre abgegeben – und lässt die Temperaturen in der Atmosphäre steigen. „Die Bodentemperatur wirkt als ein Faktor in der Rückkopplung zwischen Bodenfeuchte und Temperatur und kann so in bestimmten Regionen Hitzeperioden verstärken“, erklärt Prof. Dr. Jian Peng, Co-Autor und Leiter des UFZ-Departments Remote Sensing. Diese Rückkopplung hat Einfluss auf viele hydrologische Prozesse, die etwa für die Landwirtschaft und damit für die Nahrungsmittelsicherheit bedeutsam sind, auf Ökosysteme, weil temperaturtolerante Arten begünstigt werden könnten, oder auf die Speicherung des terrestrischen Kohlenstoffs. „Angesichts dieser Ergebnisse wären Studien über die Auswirkungen von Hitze-Extremen, die vor allem die Lufttemperaturen berücksichtigen, den Faktor der Hitze-Extreme im Boden aber unterschätzt haben, neu zu bewerten“, sagt er.

Das Forschungsteam untersuchte zudem anhand der Daten aus Erdsystemmodellen, wie häufig extreme Bodentemperaturen in Zukunft Hitzewellen in der Atmosphäre verstärken könnten – in Abhängigkeit des zu erwartenden globalen Klimaszenarios. Das Ergebnis: Tritt das 2 Grad- beziehungsweise das 3 Grad-Szenario ein, wirkt sich das insbesondere auf Mitteleuropa deutlich stärker aus als eine 1,5 Grad-Erwärmung. So könnte es in Zukunft beispielsweise 8 Prozent mehr heiße Tage geben, an denen der Boden Wärme an die Atmosphäre abgibt. „Dies verstärkt wiederum die Hitzeperioden in der Luft“, sagt Almudena García-García. Es ist also davon auszugehen, dass Böden in Zukunft eine wichtigere Rolle bei der Entwicklung von Hitzeextremen spielen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Almudena García-García
UFZ-Department Remote Sensing
almudena.garcia-garcia@ufz.de

Prof. Dr. Jian Peng
UFZ-Department Remote Sensing
Jian.peng@ufz.de

Originalpublikation:

Almudena García-García, Francisco José Cuesta-Valero, Diego G. Miralles, Miguel D. Mahecha, Johannes Quaas, Markus Reichstein, Jakob Zscheischler and Jian Peng. Soil heat extremes can outpace air temperature extremes, Nature Climate Change, doi: 10.1038/s41558-023-01812-3
https://www.nature.com/articles/s41558-023-01812-3

https://www.ufz.de/index.php?de=36336&webc_pm=32/2023

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