Mikroplastik in Korallen

In der Meerwasseranlage des ZMT wurden vier verschiedene Korallenarten Mikroplastik ausgesetzt
Florian Hierl /
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Wie Plastik das Leben im Ozean beeinträchtigt, ist eine der drängenden Fragen der Meeresforschung. Eine neue Studie des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) befasst sich mit der Auswirkung von Mikroplastik auf Korallen.

Die Aufnahme im Digitalmikroskop offenbart: eine Dornenkronenkoralle (Seriatopora hystrix) hat eine Faser in ihr Kalkskelett eingebaut
Florian Hierl /
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Von Mikroplastik spricht man, wenn die Plastikpartikel 5 mm und kleiner sind. Im Meer entsteht es, indem sich Plastikmüll durch Reibung, Salz, Bakterien oder UV-Strahlung zersetzt. Eine weitere, bisher kaum beachtete Quelle sind Anstriche und Lacke von Schiffen, die beachtliche Mengen an abgeplatzten Kunststoffteilchen in ihrem Kielwasser hinterlassen. Die winzigen Plastikpartikel werden aber auch vielen industriell hergestellten Produkten zugesetzt, wie Kosmetikartikeln oder Waschmitteln, und gelangen durch Abwässer ins Meer.

Heutzutage ist Mikroplastik fast überall im Ozean zu finden, vom Wattenmeer bis in die Tiefseegräben, von den tropischen Korallenriffen bis ins arktische Meereis. Jedes Jahr gelangen laut Weltnaturschutzunion (IUCN) an die 1,5 Millionen Tonnen Mikroplastik in die Ozeane – zusätzlich zu geschätzten fünf bis zwölf Millionen Tonnen Makroplastik.

Es ist bekannt, dass sich Meerestiere und Vögel in Plastiknetzen verfangen oder Plastikmüll verschlucken können. Aber sind auch die winzigen Plastikteilchen für die Fauna eine Gefahr? Die Polypen der Korallen beispielsweise ernähren sich unter anderem von organischen Partikeln, die sie mit ihren Tentakeln einfangen. Es stellt sich die Frage, ob sie sich so auch Plastikfragmente einverleiben, die dann nicht abgebaut werden können.

Am ZMT untersuchten Mitarbeiter der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hildegard Westphal die Kontamination von Korallen mit Mikroplastik. In der Meerwasseranlage des ZMT setzten sie fünf Monate lang Exemplare von vier verschiedenen Steinkorallenarten alle zwei Wochen für einen Tag in ein Becken, dessen Wasser mit winzigen Plastikpartikeln angereichert war. Danach fertigten sie speziell angefärbte Dünnschliffe der Korallenstücke an und untersuchten sie im Licht- und Rasterelektronenmikroskop.

Es zeigte sich, dass Korallenpolypen die Fremdkörper als solche erkennen und wieder ausscheiden können. Die Versuche offenbarten jedoch, dass die Plastikpartikel nicht in allen Fällen den Weg aus der Mundhöhle herausgefunden hatten. In rund einem Drittel der untersuchten Dünnschliffe fanden sich ein oder mehrere Partikel direkt am Übergang zum Kalkskelett der Korallen, oder sie waren bereits dort eingebaut.

Mithilfe der Dünnschliffe konnten die Forscher rekonstruieren, wie die Mikropartikel ins Skelett gelangen. „Möglicherweise geben die Plastikteilchen im Verdauungstrakt der Polypen Gifte wie Weichmacher ab, oder es entstehen mechanische Reizungen, die ihr Gewebe nicht verträgt“, vermutet der Geologe Florian Hierl, Erstautor der Studie. Um den Fremdkörper herum stirbt das Gewebe ab und schiebt den Partikel in Richtung Kalkskelett, das die Polypen der Steinkorallen an ihrem Fuß ausscheiden. Im Laufe der Zeit überwuchern weitere Kalkablagerungen den Fremdkörper, bis er im Skelett einzementiert ist.

Zu seiner Überraschung fand Hierl auch noch winzige Kunststofffasern im Kalkskelett der Korallen, die dem Wasser im Versuch gar nicht zugegeben worden waren. Kleine Faserteile von synthetischen Textilien, die beim Waschen freigesetzt werden, gehören zu den wichtigsten Quellen für Mikroplastik. Sie können mit den Abwässern ins Meer gespült werden. „Vermutlich haben die Fasern das Meersalz verunreinigt, das wir in unserer Anlage dem Wasser zusetzen“, so Hierl. „Die mikroskopisch kleinen Kunststoffpartikel finden sich mittlerweile fast überall in unserer Umwelt.“

Der Kalk von Steinkorallen und anderen Rifforganismen ist die Basis für den Aufbau und die Stabilität von tropischen Korallenriffen und vielen benachbarten Inseln und Küsten. „Was genau solche Kontaminationen im Skelett der Korallen bewirken, können wir noch nicht sagen“, meint Hierl. „Möglicherweise wirken sie sich auf die Vitalität der Korallen und die Robustheit ihrer Skelette aus. Ein instabiles Korallenskelett kann dann dazu führen, dass die Koralle bei starkem Wellengang oder Stürmen leichter zu Bruch geht.“

Und nicht zuletzt können die Plastikteile der Korallen auch in die Nahrungskette geraten, etwa durch Papageienfische, die mit ihrem schnabelartigen Maul das Kalkskelett von Korallen anknabbern. Vor allem in Ländern Südostasiens stehen diese Fische regelmäßig auf dem Speiseplan.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Florian Hierl
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)
Mail: florian.hierl@leibniz-zmt.de

Originalpublikation:

Hierl, F., Wu, H.C. & Westphal, H. Scleractinian corals incorporate microplastic particles: identification from a laboratory study. Environ Sci Pollut Res (2021). https://doi.org/10.1007/s11356-021-13240-x

http://www.leibniz-zmt.de

Media Contact

Dr. Susanne Eickhoff Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

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