Nachhaltig fliegen bis an die Grenzen
Flugzeuge sollen energieeffizienter werden und gleichzeitig stabil und ruhig fliegen. Um dies zu erreichen, muss man die physikalischen Zusammenhänge bis an die Grenzen des Flugbereichs besser verstehen und prognostizieren.
Genau dies ist das Ziel einer neuen Gruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem Titel „Erforschung instationärer Phänomene und Wechselwirkungen beim High-Speed Stall“. Sprecher ist Dr. Thorsten Lutz vom Institut für Aerodynamik und Gasdynamik der Universität Stuttgart, des Weiteren sind die Technischen Universitäten München und Braunschweig sowie die RWTH Aachen University und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an der Forschungsgruppe beteiligt.
Wenn ein Flugzeug mit sehr hoher Geschwindigkeit unterwegs ist, kann eine Stoßwelle und dahinter ein Strömungsabriss auftreten. Dieses als „High Speed Stall“ bezeichnete Phänomen hat wechselnde Lasten zur Folge, welche die Struktur schädigen und die Flugstabilität beeinflussen können. Um dies zu vermeiden, werden beim Bau von Flugzeugen Sicherheitsreserven einkalkuliert.
Das Problem dabei: Legt man den Flieger zu schwer aus, verbraucht er unnötig Kerosin, das schadet der Umwelt und treibt die Kosten in die Höhe.
Die Aerodynamik von Transportflugzeugen an den Grenzen des Flugbereichs ist von physikalischen Phänomenen gekennzeichnet, die teilweise noch nicht verstanden sind. Dabei können instationäre Lasten, also sehr schnelle Änderungen der Kräfte auftreten. Diese können Vibrationen am Flügel hervorrufen, was zu einem Schütteln führt.
Aufgrund der komplexen Wechselwirkungen dieser Faktoren lassen sich die Belastungsgrenzen eines Flugzeugs bisher nur unzureichend vorhersagen und werden final erst am fertigen Prototyp im Rahmen von Testflügen nachgewiesen.
Leisere und sparsamere Triebwerke im Fokus
Ziel der neuen Forschungsgruppe ist es vor diesem Hintergrund, die offenen strömungsphysikalischen Fragen beim High-Speed Stall von Transportflugzeugen grundlegend zu erforschen und numerische Modelle zu entwickeln, die es erlauben, die aerodynamischen Effekte schon vor dem Bau des Flugzeugs genauer als bisher zu vorherzusagen.
Dies ist ein wichtiger Aspekt, um leichtere und sparsamere Flugzeuge entwickeln zu können. Ein besonderer Fokus ist dabei auch auf die derzeit von vielen Triebwerksherstellern vorangetriebene „Ultra High Bypass“-Technologie gerichtet. Diese Triebwerke der Zukunft sollen das Fliegen leiser, sparsamer und sauberer machen. Sie sind aber größer und brauchen mehr Platz unter den Flügeln, was wiederum Rückwirkungen auf die Kräfteverhältnisse und die Stabilität hat.
Tests im Kryo-Windkanal
Die Forschungsgruppe will hierzu Strömungsfeldmessungen sowie numerische Studien der physikalischen Mechanismen durchführen. Einige dieser Messungen können nur in einem so genannten Kryo-Windkanal durchgeführt werden. Statt Luft, wie in konventionellen Windkanälen, strömt hier Stickstoff, welcher auf extreme Minusgrade gekühlt wird. Dadurch können am Modell die für die Aerodynamik entscheidenden Bedingungen simuliert werden, wie sie beim tatsächlichen Flug eines großen Flugzeuges auftreten.
Die Messungen sollen am Europäischen Transsonischen Windkanal ETW durchgeführt werden, finanziert durch die Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) und das DLR, wobei Airbus ein geeignetes Windkanalmodell zur Verfügung stellt. Solche Tests können leicht mehr als 100.000 Euro pro Messtag verschlingen, weshalb der ETW bisher vorrangig von der Industrie genutzt wird.
„Es ist sehr erfreulich, dass der Europäische Transsonische Windkanal durch die gemeinsame Förderung der DFG, der HGF und des DLR nun auch stärker der Wissenschaft zugutekommt“, sagt der Sprecher der neuen Forschungsgruppe, Dr. Thorsten Lutz von der Universität Stuttgart. „Neben detaillierten numerischen Simulationen werden so aufwändige Windkanalexperimente zur Erforschung der Aerodynamik von Transportflugzeugen an den Flugbereichsgrenzen möglich.“
Dr. Thorsten Lutz, Universität Stuttgart, Institut für Aerodynamik und Gasdynamik, Arbeitsgruppe Luftfahrzeugaerodynamik, Tel. +49 (0) 711/685-63406, Email Lutz@iag.uni-stuttgart.de
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