Roboterfische ersetzen Tierversuche

Der Wasserkanal dient den Forschenden dazu, erste Tests an Prototypen des Roboterfisches durchzuführen. Bisher wird er genutzt, um Modelle von umweltverträglichen Wasserturbinen zu testen. Foto: Jana Dünnhaupt / Universität Magdeburg

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg arbeiten in den kommenden drei Jahren daran, vom Gesetzgeber geforderte Tierversuche in europäischen Wasserkraftwerken künftig durch Roboterfische zu ersetzen.

Die künstlichen Ersatzfische sollen Informationen über Strömungsbedingungen und zu erwartende Schädigungen von Fischen in europäischen Flusskraftwerken geben.

Bisher werden laut Datenbank des Bundesinstituts für Risikobewertung an Wasserkraftwerken Tierversuche mit jährlich bis zu 450.000 Fischen durchgeführt, um deren Passage von Turbinen zu evaluieren und so die Fischverträglichkeit der Anlage zu testen.

Ziel des ab März 2019 mit 1,4 Millionen Euro vom Bund geförderten Forschungsprojektes „Reduktion von Tierversuchen zum Schädigungsrisiko bei Turbinenpassagen durch Einsatz von Roboterfischen, Strömungssimulationen und Vorhersagemodellen RETERO“ ist es, teilautonome Robotersysteme und Simulationsmodelle zu entwickeln, die den Einsatz lebender Fische für Gutachten reduzieren und langfristig vermeiden sollen.

Der interdisziplinäre Forschungsverbund verknüpft Kompetenzen aus Biologie, Ethohydraulik, Wasserbau, Strömungsmechanik, Leistungs-, Mikroelektronik und Informationstechnik. Projektpartner der Universität Magdeburg sind das Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik der TU Dresden, das Institut für Gewässerökologie und Fischereibiologie Jena und das Unternehmen SJE Ecohydraulic Engineering GmbH in Stuttgart. Ein weiterer internationaler Partner ist das Centre for Biorobotics der Technischen Universität Tallin in Estland.

„Die Behörden schreiben aufgrund der Europäische Wasserrahmenrichtlinie vor, für Wasserkraftanlagen an Fließgewässern per Gutachten nachzuweisen, dass die Anlagen für Fische und andere Flussfauna passierbar sind“, erläutert Stefan Hoerner vom Institut für Thermodynamik und Strömungsmechanik der Universität Magdeburg. „Dafür wurden allein 2015 450.000 Fische, meist aus Wildfängen, eingesetzt.“ Für die Tiere bedeute das extremen Stress und die Mortalität liegt wenn es sehr gut läuft bei rund 10 Prozent.

„Der Gesetzgeber sieht zwar Fischschutzsysteme an Wasserkraftwerken vor, diese sind aber häufig nicht voll funktionsfähig und es fehlen geeignete Abstiegsalternativen, so dass noch immer sehr viele Fische den Weg über die Turbine in das Unterwasser nehmen“, so der Strömungsmechaniker und Elektroingenieur weiter. „Darüber hinaus sitzen an den Anlagen mit Vorliebe Raubfische oder Reiher und warten auf unkompliziert zu jagende Beute.“

Bis zum Jahr 2022 wollen Stefan Hoerner und sein Team gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Elektrische Energiesysteme der Universität elektronische „Ersatzfische“ entwickeln, die sich arttypisch verhalten. Notwendige Daten für die Simulation fischgerechten Verhaltens der autonomen Robotersysteme liefern Testläufe von mit Sensoren ausgestatteten lebenden Fischen.

Auch die künftigen Roboterfische werden eine Fülle an Druck- und Beschleunigungssensoren besitzen. Die damit bei ihrem Einsatz in Wasserkraftwerken erfassten Daten erlauben es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dann, ohne Tierversuche Vorhersagen und Hochrechnungen zu Schädigungsrisiken zu treffen.
Mehr Informationen unter http://www.retero.org

Hintergrund
Wasserkraft als älteste und größte regenerative Energiequelle deckt laut Informationen der Bundesregierung global ungefähr 16 Prozent der Stromproduktion ab. Allein in Deutschland gibt es 7.000 kleinere und 400 große Laufwasserkraftwerke, die die Wanderkorridore der Fische unterbrechen.

Neben den bekannten Arten wie Aal und Lachs migrieren nahezu alle Fische zumindest innerhalb der Flüsse, um sich fortzupflanzen oder zwischen Teillebensräumen zu wechseln. Die Europäische Wasserrahmenrichtline und ihre nationale Umsetzung, das Wasserhaushaltsgesetz und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie fordern, die Durchgängigkeit aller Fließgewässer wiederherzustellen. Betreiber von Wasserkraftwerken müssen nachweisen, dass sie die Fischpopulationen nicht nachhaltig schädigen nicht verhindern.

An der Universität Magdeburg wird bereits seit mehreren Jahren an ökologisch verträglichen Wasserkraftlösungen im Rahmen des Wachstumskerns „FlussStromPlus“ geforscht. Mehr Informationen unter http://www.flussstrom.exfa.de

Weitere Informationen zum Thema unter
http://www.erneuerbare-energien.de/EE/Navigation/DE/Technologien/Wasserkraft/wasserkraft.html
und
http://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/wasserkraft-317778

Stefan Hörner, Institut für Thermodynamik und Strömungsmechanik, Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Tel.: +49 391 67-52876, E-Mail: stefan.hoerner@ovgu.de

http://www.retero.org

http://www.flussstrom.exfa.de

http://www.erneuerbare-energien.de/EE/Navigation/DE/Technologien/Wasserkraft/

http://wasserkraft.html

http://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/wasserkraft-317778

Media Contact

Katharina Vorwerk idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz

Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.

Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…