Stickstoff bleibt lange Zeit im Boden

Bodenprofil: Was passiert mit dem Nitrat im Boden? (Quelle: © iStockphoto.com/klikk)<br>

Die Verunreinigung von Trinkwasser durch Stickstoff in Form von Nitrat ist ein Problem unserer Zeit. Auch wenn viele Mechanismen, die mit der Düngung und Aufnahme von Nährstoffen durch Pflanzen zusammen hängen, bereits ausführlich untersucht wurden, ist bisher kaum bekannt, wie lange der als Nitrat eingebrachte Stickstoff wirklich im Boden bleibt. Wissenschaftler haben jetzt ihre Ergebnisse aus einem dreißig Jahre dauernden Langzeitexperiment veröffentlicht.

Nitrat im Boden

Nitrat (NO3-) ist eine Stickstoffverbindung, die direkt von den Pflanzen aufgenommen werden kann. Es gelangt hauptsächlich durch Düngung landwirtschaftlicher Flächen in den Boden, aber auch durch übermäßige Düngung von Gärten oder durch undichte Abwasserleitungen. Nitrat wird ebenfalls von Mikroorganismen gebildet. Sie wandeln dabei Ammonium-Ionen in Nitrat um (Nitrifikation).

Da Nitrat-Ionen negativ geladen sind, werden sie von den überwiegend ebenfalls negativ geladenen Bodenteilchen (Humus, Tonminerale) nur schlecht festgehalten („sorbiert“) und schnell ausgewaschen.

Die Gefahren von hohen Nitrat-Konzentrationen

In der Nahrung kann Nitrat in hohen Mengen gesundheitsschädlich wirken: Im menschlichen Darm wird es über Nitrit zu den krebserregenden Nitrosaminen umgewandelt. Daher darf Nitrat einen gewissen Grenzwert im Trinkwasser (in Deutschland 50 mg/l) nicht überschreiten. Besonders betroffen sind Kleinkinder im Alter von ein bis drei Jahren. Durch den Verzehr von z.B. Spinat mit hohen Nitrat-Gehalten erhöht sich das Risiko an Methämoglobinämie zu erkranken – eine Erkrankung, die zu einer verminderten Sauerstoffversorgung des Körpers führt.

Neben der Belastung des Trinkwassers kann ein zu hohes Nitratangebot auch zur Überdüngung (Eutrophierung) von Gewässern beitragen. In Deutschland wird das Ausbringen von Wirtschaftsdünger (meist in Form von Gülle, d. h. Exkremente von Nutztieren) durch die Düngeverordnung (DüV) von 1996 geregelt. Diese soll verhindern, dass zu viele Nährstoffe in den Boden und damit in das Grundwasser gelangen.

Boden unter der Lupe

Die Vorgänge, die zur Eutrophierung und zur Belastung des Trinkwassers führen sind gut untersucht. Relativ unbekannt ist aber, wie lange der einmal eingebrachte Stickstoff sich im Boden aufhält und welche Veränderungen er durchmacht, bis er wieder im Grundwasser auftaucht.

Für Praktiker ist Stickstoff ein essentiell notwendiger Nährstoff, der nicht in Vorratsspeicherung, sondern unmittelbar in der Vegetationsperiode zur Verfügung gestellt werden muss. Nur so ist Stickstoff pflanzenphysiologisch wirksam und fördert deren Wachstum. Die nun vorliegenden Ergebnisse werfen ein etwas anderes Licht auf den Makronährstoff Stickstoff.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler zwei Lysimeter. Lysimeter bestehen in der Regel aus 2 mal 2 mal 2 Meter großen Zylindern, die in den Boden eingelassen werden. Sie werden mit einem unveränderten Bodenstück befüllt. Die in den Zylinder eingebauten Messinstrumente ermöglichen die Untersuchung verschiedener Bodenparameter wie Nährstoffhaushalt und Sickerwasseraustrag.

In der vorliegenden Untersuchung wurden beide Lysimeter mit Ackerboden befüllt. Es wurden im Wechsel Zuckerrüben und Winterweizen angebaut. Zu Beginn des Experiments im Jahr 1982 bekam jedes Lysimeter eine einmalige Gabe Nitratdünger, der mit dem stabilen Stickstoff-Isotop N-15 angereichert war. Da N-15 in der Natur nur relativ selten vorkommt, konnte so der Weg dieser Stickstoffgabe gut verfolgt werden. Pflanzenmasse, Böden und Sickerwasser wurden regelmäßig untersucht.

Der Weg des Stickstoffs

Der 1982 eingebrachte Nitrat-Stickstoff konnte auch fast 30 Jahre nach dem Eintrag noch nachgewiesen werden. Nach 27 Jahren (2009) waren knapp über 60 Prozent von den Pflanzen aufgenommen worden. Insgesamt konnten noch mehr als 10 Prozent des ursprünglich eingebrachten Nitrats im Boden nachgewiesen werden.

Diese Ergebnisse bestätigten im Wesentlichen die Erwartungen: Nitrat wird zu einem großen Teil von den Pflanzen und Bodenorganismen aufgenommen, der Rest wird über das Sickerwasser ausgewaschen. Auffällig war allerdings, dass entgegen der Erwartungen auch knapp 30 Jahre später noch immer markiertes Nitrat im Sickerwasser gefunden werden konnte. Daher untersuchten die Forscher dieses Nitrat zusätzlich auf seine Herkunft.

Bodenorganismen bauen Nitrat um

Dazu betrachteten sie den in das Nitrat-Molekül eingebauten Sauerstoff genauer: Sauerstoff kommt in der Natur neben dem „normalen“ Sauerstoffatom (O16) auch als schweres Isotop (O18) vor. Dieses Isotop hat im Bodenwasser eine geringere Konzentration als im Oberflächenwasser. Der Sauerstoff, der im Sickerwasser-Nitrat eingebaut war, wies ebenfalls eine geringere Konzentration an schweren Isotopen auf als jener, der im ursprünglichen Dünger-Nitrat eingebaut war. Daraus schlossen die Forscher, dass das Sickerwasser-Nitrat im Boden neu gebildet wurde, mit Sauerstoff aus dem Boden. Für sie galt dies als Beweis dafür, dass das ursprünglich eingebrachte Nitrat durch Bodenorganismen verwertet und der Stickstoff später durch den Vorgang der Nitrifikation in neue Nitratmoleküle eingebaut wurde.

Der ursprünglich eingebrachte Nitrat-Stickstoff wurde also über 27 Jahre hinweg in anderer Form gespeichert und nach und nach wieder zu Nitrat zusammengebaut und an das Wasser abgegeben. So erklärt sich, warum nach 27 Jahren noch markierte Nitrat-Ionen in der Lösung waren, obwohl Nitrat im Boden nur schlecht sorbiert wird und eigentlich schnell verschwinden sollte.

Nitrateinträge halten sich lange

Die Forscher schätzen, dass es noch mindestens weitere 50 Jahre dauern wird, bis der markierte Stickstoff im Boden nicht mehr nachweisbar sein wird. Das bedeutet, dass auch noch weitere fünf Jahrzehnte markierter Nitrat-Stickstoff im Sickerwasser auftauchen wird. Es werden also auch weiterhin kontinuierlich kleine Mengen von N-15-Nitrat (pro Jahr etwa 4 bis 5 Prozent des noch vorhandenen N-15-Stickstoffs) an das Sickerwasser abgegeben.

Diese Ergebnisse decken sich mit Untersuchungen anderer Forscherteams, zum Beispiel am Mississippi-River in den USA, wo auch nach dem starken Absenken von Düngergaben über Jahre keine Verringerung der Nitratlast in den untersuchten Gewässern festgestellt werden konnte. Daher wird es für die Zukunft wichtig, bei Berechnungen der Düngermengen die hier beobachteten Verzögerungen mit einzubeziehen. Denn offenbar belasten sogar einmalige Nitratgaben das Grundwasser viel länger, als bisher angenommen wurde. Andererseits bietet sich auch die Chance, die Mikroorganismen gezielter als Speicher für Stickstoff zu nutzen. Vorausgesetzt dieser wird in einer für die Pflanzen verfügbaren Form und zum richtigen Zeitpunkt abgegeben.

Quelle:
Sebilo, M. et al (2013): Long-term fate of nitrate fertilizer in agricultural soils. In: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) (21. Oktober 2013), doi: 10.1073/pnas.1305372110.
Zum Weiterlesen:
Ein Weidegras macht die Landwirtschaft grüner – Brachiaria verhindert, dass Stickstoffdünger aus dem Boden entweicht
Schuld ist der Stickstoff – Kohlendioxid-Ausstoß in Folge von veränderter Landnutzung wurde unterschätzt

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