Von Seegurken lernen: umweltfreundliche Biolacke aus dem Meer?
Bootsbesitzer kennen die Problematik: Liegt das Boot erstmal länger im Hafen, wird es schnell bunt unter der Wasseroberfläche. Mikroorganismen wie beispielsweise Bakterien oder Algen bilden einen sogenannten Biofilm und bewachsen Rumpf, Kiel und Ruderblatt. Darauf siedeln sich später auch größere Tiere wie Muscheln oder Seepocken an.
Warum sind aber manche im Wasser lebende Tiere frei von diesen Biofilmen?
Diese Frage hat ein Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Peter Schupp vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Tiere vor Bewuchs schützen können, indem sie bestimmte chemische Verbindungen produzieren.
Der Schutz hängt dabei von der Art, Menge und Struktur der Verbindungen ab. Dieses Wissen könnte helfen, umweltfreundliche Lacke zu entwickeln, die beispielsweise Schiffe, aber auch marine Messgeräte länger vor Bewuchs schützen können.
Ihre Erkenntnisse haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Marine Drugs“ veröffentlicht. Die Untersuchungen fanden im Rahmen des Förderprogramms „Biodiversity & Health“ statt, das das Bundesforschungsministerium (BMBF) förderte.
Seegurken leben auf dem Meeresboden und sind weltweit zu finden. Die Tiere haben eine walzenförmige Form und bewegen sich sehr langsam – und bieten damit eigentlich eine ideale Besiedelungsfläche für Biofilme. Seegurken produzieren jedoch – je nach Gattung unterschiedliche – Wirkstoffe, die ein solches Ansiedeln verhindern können: dazu gehören die sogenannten Saponine. Damit sind auch die Seegurken mit einem natürlichen Antifouling ausgestattet.
Um die Wirkung der unterschiedlichen Saponine beim Antifouling aufzuklären, nutzten Schupp und sein Team Seegurkenarten aus Gewässern vor Indonesien und Guam. Außerdem verwendeten sie die Kieselalge Cylindrotheca closterium, die häufig in Biofilmen zu finden ist. Elham Kamyab, Doktorandin in der Arbeitsgruppe Umweltbiochemie von Schupp, untersuchte in verschiedenen Versuchen, wieso nur gewisse Saponine einen effektiven Schutz gegen Biofilme darstellen.
Das Ergebnis: Die Antifouling-Wirkung ist abhängig von der Art der Seegurke, der Saponin-Konzentration und der molekularen Struktur der Saponine. „Mit unseren Methoden konnten wir bestimmte Saponine identifizieren, die sich besonders gut als Antifouling-Substanzen eignen“, sagt Kamyab.
Für die Umweltbiochemiker sind diese Erkenntnisse ein erster Schritt hin zu einem biologisch abbaubaren Lack, der sowohl der Umwelt als auch der Industrie zugutekommt: Viele der bisherigen Lacke sind nicht biologisch abbaubar und dazu noch giftig für die Umwelt. Deshalb ist die Suche nach neuen Schutzanstrichen für Schiffe, Messgeräte und weitere marine Technik wichtig. So können gleichzeitig Wartungsarbeiten und Kosten gespart sowie die Umwelt geschützt werden.
Da die Saponine recht komplexe Verbindungen darstellen, eignen sie sich wegen zu hoher Kosten nicht für die synthetische Herstellung. „Wissen wir jedoch genauer über die molekularen Strukturen Bescheid, können wir die wirksamen Teile des Moleküls identifizieren, um sie später industriell herzustellen“, sagt Schupp.
Prof. Dr. Peter Schupp, Institut für Biologie und Chemie des Meeres
Tel.: +49 441/798-3282, E-Mail: peter.schupp@uol.de
Kamyab, E.; Goebeler, N.; Kellermann, M.Y.; Rohde, S.; Reverter, M.; Striebel, M.; Schupp, P.J. Anti-Fouling Effects of Saponin-Containing Crude Extracts from Tropical Indo-Pacific Sea Cucumbers. Mar. Drugs 2020, 18, 181.
https://doi.org/10.3390/md18040181
https://uol.de/icbm/umweltbiochemie/
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz
Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.
Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.
Neueste Beiträge
Neue Erkenntnisse zur Blütezeit-Regulation
Einfluss von Kohlenstoff- und Stickstoff-Signalwegen auf Blütenrepressoren bei Arabidopsis. In einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Plant Physiology hat ein internationales Forschungsteam, dem unter anderem Dr. Justyna Olas als eine…
Wenn Hepatitis-E-Viren Nervenzellen angreifen
Hepatitis-E-Viren (HEV) verursachen normalerweise Leberinfektionen. Sie können aber auch andere Organe befallen und insbesondere neurologische Erkrankungen auslösen. Über die Details ist noch wenig bekannt. Ein Forschungsteam um Michelle Jagst und…
Was T-Zellen im Tumor müde macht
Detaillierte Analyse im Journal Blood von Extramedullären Läsionen beim multiplen Myelom und neue Therapieansätze. Die extramedulläre Erkrankung (EMD) ist ein Hochrisikofaktor beim Multiplen Myelom. Angela Riedel und Leo Rasche vom…