Wasserqualität von Flüssen: Zusätzliche Reinigungsstufen in Kläranlagen lohnen sich
Eine zusätzliche Reinigungsstufe in Kläranlagen könnte mit geringem Aufwand große Mengen an Schadstoffen aus dem Abwasser entfernen und die Wasserqualität von Flüssen deutlich verbessern. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem von der Universität Tübingen koordinierten Forschungsprojekt.
Sie haben im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung untersucht, wie effizient weitergehende Abwasserreinigung in Kläranlagen und Regenwasserbehandlungssystemen neuartige Verschmutzungen in Flüssen beseitigt.
Medikamente, Industriechemikalien und Krankheitserreger tauchen in immer größeren Mengen in Flüssen auf, weil die bisherigen Technologien in Kläranlagen diese zu wenig ausfiltern. „Im Durchschnitt können weitergehende Reinigungsstufen über 80 Prozent der Mikroverunreinigungen entfernen und die Anzahl der Keime um mehr als das Tausendfache reduzieren“, macht Rita Triebskorn deutlich, Professorin für Physiologische Ökologie der Tiere an der Universität Tübingen.
Für das Projekt SchussenAktivplus untersuchte ein Forschungsteam unter ihrer Leitung von 2012 bis 2016 die Schussen. Der größte deutsche Bodenseezufluss ist durch Landwirtschaft, Industrie und dichte Besiedlung belastet. Die Ergebnisse wurden nun in einem Abschlussbericht sowie einem Praxishandbuch des Bundesministeriums für Bildung und Forschung veröffentlicht.
Bisher arbeiten Kläranlagen in der Regel mit zwei bis drei Reinigungsstufen. Für SchussenAktivplus testeten die Forscherinnen und Forscher den Einsatz zusätzlicher Technologien wie Ozon, Aktivkohle in Form von Pulver oder Granulat sowie Sandfilter. Vor und nach Inbetriebnahme einer Anlage mit einer Pulveraktivkohlestufe prüfte das Team von Rita Triebskorn den Schadstoff- und Keimgehalt, schädliche Wirkpotentiale im Wasser sowie die Gesundheit von Gewässerorganismen, wie Fischen und Flohkrebsen.
Mit welcher Technologie eine zusätzliche Reinigungsstufe in Kläranlagen künftig arbeiten sollte, ist abhängig von den Standortbedingungen der einzelnen Anlagen. Ozonanlagen beseitigen besonders effektiv Keime und bestimmte Medikamente wie Diclofenac, benötigen aber eine zusätzliche Nachreinigung durch eine Filterstufe. Sie sind empfehlenswert, wenn beispielsweise Badegewässer durch den Ablauf der Kläranlage beeinflusst werden. Aktivkohleanlagen entfernen vor allem Mikroverunreinigungen, zum Beispiel die Industriechemikalie Benzotriazol, das auch in Geschirrspülmitteln zum Einsatz kommt. Im Einzugsgebiet von Naturschutzgebieten oder Trinkwasserreservoirs ist diese Technologie besonders sinnvoll.
An der Pulveraktivkohleanlage in Ravensburg beobachteten die Forscherinnen und Forscher, wie schnell sich ein Gewässer durch den Einsatz der Technologie regenerieren kann: Zweieinhalb Jahre nach Anschluss des Filters zeigten Fische unterhalb der Kläranlage Langwiese weniger Schäden und entwickelten sich besser. Außerdem verbesserte sich die Lebensgemeinschaft der auf dem Gewässerboden lebenden wirbellosen Tiere. Es kamen insgesamt mehr und auch für Umwelteinflüsse empfindliche Artenvor, wie z.B. seltene und gefährdete Steinfliegenlarven.
Auch die Kosten haben die Forscher berechnet. Die Jahreskosten für die Anlagen hängen von der gewählten Technologie, der Anlagengröße – in der Praxis gerechnet in Einwohnerwerten (EW) – und den örtlichen Rahmenbedingungen ab. „Bei Anlagengrößen von 100.000 EW sind pro Bürger im Jahr Kosten zwischen sechs und vierzehn Euro realistisch“ so Professor Rita Triebskorn. „Die weitergehende Abwasserreinigung ist somit ein sehr wirksames und bezahlbares Instrument, um Mikroverunreinigungen und Keime im Wasserkreislauf zu vermindern“.
Der Abschlussbericht des Projekts mit dem Titel „Weitergehende Abwasserreinigung: Ein wirksames und bezahlbares Instrument zur Verminderung von Spurenstoffen und Keimen im Wasserkreislauf“ steht nun online zur Verfügung. Zudem hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Ergebnisse von SchussenAktivplus und elf weiteren Verbundprojekten im Praxishandbuch „Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf (RiSKWa)“ veröffentlicht.
Mehr zum Projekt und eine ausführliche Publikationsliste sind zu finden unter www.schussenaktivplus.de
Publikationen:
Triebskorn, Rita (Hrsg.): Weitergehende Abwasserreinigung: Ein wirksames und bezahlbares Instrument zur Verminderung von Spurenstoffen und Keimen im Wasserkreislauf. Tübingen 2017. Online abrufbar unter: https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/handle/10900/74316
Die Ergebnisse von allen geförderten Projekten zum Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf RiSKWa finden sich im Praxishandbuch:
http://www.bmbf.riskwa.de/_media/RISKWA_Praxishandbuch.pdf
Kontakt:
Prof. Dr. Rita Triebskorn
Universität Tübingen
Institut für Evolution und Ökologie
Telefon: +49 7071-29-78892
rita.triebskorn@uni-tuebingen.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-tuebingen.de/Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz
Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.
Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.
Neueste Beiträge
Lichtmikroskopie: Computermodell ermöglicht bessere Bilder
Neue Deep-Learning-Architektur sorgt für höhere Effizienz. Die Lichtmikroskopie ist ein unverzichtbares Werkzeug zur Untersuchung unterschiedlichster Proben. Details werden dabei erst mit Hilfe der computergestützten Bildverarbeitung sichtbar. Obwohl bereits enorme Fortschritte…
Neue Maßstäbe in der Filtertechnik
Aerosolabscheider „MiniMax“ überzeugt mit herausragender Leistung und Effizienz. Angesichts wachsender gesetzlicher und industrieller Anforderungen ist die Entwicklung effizienter Abgasreinigungstechnologien sehr wichtig. Besonders in technischen Prozessen steigt der Bedarf an innovativen…
SpecPlate: Besserer Standard für die Laboranalytik
Mehr Effizienz, Tempo und Präzision bei Laboranalysen sowie ein drastisch reduzierter Materialverbrauch: Mit der SpecPlate ersetzt das Spin-off PHABIOC aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durch innovatives Design gleich…