Weniger produktiv, aber stabiler
Extensiv genutztes Grünland kommt besser mit den Folgen des Klimawandels zurecht.
Der Klimawandel wird die Artenvielfalt und Produktivität von Wiesen und Weiden künftig deutlich beeinflussen. Doch wie groß diese Veränderungen ausfallen, hängt von der Bewirtschaftung ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, für die ein Team vom UFZ Daten aus dem großen Klima- und Landnutzungsexperiment GCEF, das seit zehn Jahren am UFZ betrieben wird, ausgewertet hat. Auf Hochleistung getrimmtes Grünland reagiert demnach deutlich empfindlicher auf Dürreperioden als weniger intensiv genutzte Wiesen und Weiden. Das kann durchaus wirtschaftliche Konsequenzen für die betroffenen Landwirte haben, warnen die Forscherinnen und Forscher im Fachjournal „Global Change Biology“.
Artenarmes, intensiv bewirtschaftetes Grünland in der GCEF, dem Klima- und Landnutzungs-Experiment des UFZ. Bild: André Künzelmann / UFZ
Grünland gehört zu den wichtigsten und am weitesten verbreiteten Ökosystemen der Erde. Solche offenen Landschaften mit Gräsern und Kräutern bedecken nicht nur mehr als ein Viertel der gesamten Landoberfläche. Sie speichern auch mindestens ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffs, sind entscheidend für die Produktion von Nahrungsmitteln und können auf relativ kleiner Fläche sehr artenreich sein. Welche Zukunft aber haben solche Lebensräume? Zu dieser Frage liefert die Studie neue Erkenntnisse.
Schon länger ist klar, dass vor allem zwei Entwicklungen die Grasländer der Erde in Schwierigkeiten bringen. So werden sie besonders in Europa heutzutage deutlich stärker gedüngt, häufiger gemäht und intensiver beweidet als früher. Zudem säen Landwirte oft nur eine Handvoll Grassorten auf ihre Flächen, die einen besonders hohen Ertrag versprechen. Diese Intensivierung der Landnutzung verändert die Artenzusammensetzung und die Funktionsfähigkeit von Wiesen und Weiden massiv. Das Gleiche gilt auch für den Klimawandel, der für Deutschland unter anderem eine Verschiebung der jahreszeitlichen Verteilung der Niederschläge sowie eine Zunahme von hydrologischen Extremen (z.B. Starkregen, Dürren) mit sich bringen wird. Er gilt als zweiter großer Gefährdungsfaktor für diese Ökosysteme.
Wenn beide Entwicklungen zusammenkommen, können sie sich gegenseitig verstärken. Was dabei im Einzelnen passiert, weiß allerdings noch niemand so genau. Denn die meisten Experimente zu diesem Thema haben sich bisher entweder auf das Klima oder auf die Landnutzung konzentriert. „Das Besondere an unserer Studie ist, dass wir das Zusammenspiel beider Faktoren untersucht haben“, erklärt Dr. Lotte Korell, Biologin am UFZ und Erstautorin der Publikation.
Möglich wurde das durch das groß angelegte Langzeitexperiment des UFZ in Bad Lauchstädt bei Halle, die GCEF (Global Change Experimental Facility). Sie besteht aus insgesamt 50 Parzellen von jeweils 16 Meter mal 24 Meter Größe, die unterschiedlich intensiv genutzt werden. Gleichzeitig lassen sich dort mithilfe von Foliendächern die Temperaturen und Niederschlagsmengen manipulieren. Einige Flächen erhalten so zum Beispiel im Frühjahr und Herbst zehn Prozent mehr und im Sommer zwanzig Prozent weniger Niederschlag als die unbeeinflussten Vergleichsflächen. Das entspricht ungefähr den Verhältnissen, die Klimamodelle in Zukunft für Mitteldeutschland erwarten lassen.
Eine acht Jahre lange Datenreihe aus diesem Experiment ist nun in die neue Studie eingeflossen. Die Forscherinnen und Forscher haben die Artenvielfalt und Produktivität der Pflanzen auf den unterschiedlich bewirtschafteten Flächen für die Jahre 2015 bis 2022 ausgewertet. „In diese Zeit fielen drei der trockensten Jahre, die diese Region seit dem Beginn der Aufzeichnungen erlebt hat“, erinnert sich Lotte Korell. Diese Dürren hatten offenbar einen deutlich stärkeren Effekt auf die Pflanzenwelt als der experimentell simulierte Klimawandel.
Der Trend ging allerdings in beiden Fällen in die gleiche Richtung: Artenreiches, nur selten gemähtes oder wenig beweidetes Grünland kam mit Hitze und Trockenheit deutlich besser zurecht als die intensiv genutzten Hochleistungswiesen. „Neben anderen Faktoren hängt das wahrscheinlich mit der Artenvielfalt zusammen“, sagt Lotte Korell. Die nämlich unterschied sich je nach Nutzung der Flächen massiv.
So wuchs auf den extensiv genutzten Wiesen und Weiden der GCEF eine bunte Mischung aus mehr als 50 heimischen Gräsern und Kräutern. Auf dem Intensiv-Grünland hatte das UFZ-Team zu Beginn des Experiments dagegen nur die fünf Gras-Sorten gesät, die auch den Landwirten von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt für trockenere Standorte empfohlen werden. Dazu gehörten zum Beispiel Varianten des Wiesen-Knäuelgrases (Dactylis glomerata) und des Deutschen Weidelgrases (Lolium perenne).
Da solche Gräser auf maximalen Ertrag gezüchtet sind und wie in der landwirtschaftlichen Praxis zudem kräftig gedüngt wurden, waren die Intensivwiesen zunächst deutlich produktiver als das vielfältigere Grünland. Allerdings konnten sie diesen Vorteil nur bei günstigen Klimaverhältnissen ausspielen. Mit Trockenheit kamen sie dagegen deutlich schlechter zurecht als die Pflanzen der extensiv bewirtschafteten Wiesen und Weiden. In Dürrezeiten starben sie daher verstärkt ab und wurden durch andere Arten wie Vogelmiere (Stellaria media), Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris), Löwenzahn (Taraxacum officinale) und Kleiner Storchschnabel (Geranium pusillum) ersetzt. „Meist sind das eher kurzlebige Arten, die als Samen überdauern“, erklärt Dr. Harald Auge, ebenfalls Biologe am UFZ und Letztautor der Studie. Wenn die konkurrenzstärkeren Pflanzen der Trockenheit zum Opfer fallen, nutzen sie die Gelegenheit und erobern deren Lebensräume: Sie wandern entweder aus dem extensiven Grünland ein oder keimen aus dem Samenvorrat im Boden.
Für Landwirte ist diese Entwicklung nicht sonderlich erfreulich. Denn die meisten der Neuankömmlinge haben einen geringeren Futterwert als die ursprünglich gesäten Gräser. Das Gewöhnliche Greiskraut (Senecio vulgaris), das im Experiment unter den einwandernden Arten durchaus häufig vertreten war, ist sogar giftig. Das alles verringert die Produktivität der Flächen.
Eine solche „Degradierung“ von Hochleistungsgrünland durch einwandernde Arten kennen Landwirte schon lange. Sie rechnen deshalb auch damit, ihre Flächen alle paar Jahre umbrechen und neu einsäen zu müssen. „Das kann durch den Klimawandel aber häufiger nötig werden und entsprechende Mehrkosten verursachen“, sagt Lotte Korell. Vielleicht geht einige Jahre lang alles gut, und es regnet genug. Es kann aber auch sein, dass wieder mehrere Dürresommer aufeinanderfolgen. Der Klimawandel macht die Verhältnisse unberechenbarer.
Wer nur Intensivgrünland hat, kann in solchen Zeiten daher schlechter planen und trägt ein höheres wirtschaftliches Risiko. Extensiv genutzte Wiesen und Weiden dagegen leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Sie helfen auch, die Produktivität des Grünlands in Zeiten des Klimawandels zu stabilisieren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Lotte Korell
UFZ-Department Biozönoseforschung
Lotte.korell@ufz.de
Dr. Harald Auge
UFZ-Department Biozönoseforschung
harald.auge@ufz.de
Originalpublikation:
Lotte Korell, Martin Andrzejak, Sigrid Berger, Walter Durka, Sylvia Haider, Isabell Hensen, Yva Herion, Johannes Höfner, Liana Kindermann, Stefan Klotz, Tiffany M. Knight, Anja Linstädter, Anna-Maria Madaj, Ines Merbach, Stefan Michalski, Carolin Plos, Christiane Roscher, Martin Schädler, Erik Welk, Harald Auge: Land use modulates resistance of grasslands against future climate and inter-annual climate variability in a large field experiment, Global Change Biology, 2024. https://doi.org/10.1111/gcb.17418
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