Astronomen lokalisieren galaktischen Teilchenbeschleuniger

Radiogalaxien zählen zu den leuchtstärksten Himmelsobjekten – nur strahlen sie nicht Licht ab, sondern hauptsächlich Radiowellen. Diese entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen, die nahezu mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind, abgebremst werden und dadurch Energie verlieren

Wo genau die Partikel auf dermaßen hohe Geschwindigkeiten kommen, war bislang unbekannt. Eine Gruppe von Wissenschaftlern – darunter auch ein Astrophysiker der Universität Bonn – konnte nun erstmals die Region genauer bestimmen, in der die Teilchen beschleunigt werden. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in der Oktober-Ausgabe der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science veröffentlicht.

Sie sind die Giganten des Alls: Radiogalaxien zählen zu den größten Einzelobjekten im Universum. Außerdem sind sie monströse Sender: Sie emittieren Radiowellen, die noch in Millionen von Lichtjahren Entfernung in modernen Radioteleskopen sichtbar gemacht werden können. Dabei handelt es sich um so genannte Synchrotronstrahlung, die im Kosmos immer dann entsteht, wenn relativistische Teilchen – das sind solche, die sich annähernd mit Lichtgeschwindigkeit bewegen – auf ein Magnetfeld treffen und dabei abgelenkt werden.

Wo genau diese Partikel dermaßen beschleunigt werden, haben nun erstmals Astrophysiker unter Beteiligung des Wissenschaftlers Dr. Karl-Heinz Mack vom Bonner Radioastronomischen Institut feststellen können. In den Zentren vieler Radiogalaxien befinden sich wahrscheinlich riesige Schwarze Löcher, so schwer wie einige Milliarden Sonnen. Sie erzeugen zwei in entgegengesetzte Richtung laufende Düsenstrahlen aus sehr schnellen Elektronen – wie genau das vor sich geht, ist noch unbekannt. Diese Strahlen bewegen sich mit hoher Geschwindigkeit einige 100.000 Lichtjahre weit in den intergalaktischen Raum. Ähnlich wie ein Flugzeug die Luft vor seinem Bug verdichtet, schieben sie dabei die sehr dünn verteilte Materie vor sich her. Und ganz ähnlich wie bei einem Überschall-Flieger kommt es schließlich zum großen Knall: Es entstehen starke Schockwellen, die die elektrisch geladenen Teilchen in den Düsenstrahlen noch weiter beschleunigen, bis sie schließlich fast so schnell sind wie das Licht. Hierauf folgt dann ein stetiger, starker Energieverlust, der die Teilchen entsprechend wieder langsamer werden lässt. Dabei hinterlassen sie eine Art „Bremsspur“, die zunächst aus sichtbarem Licht, dann aus Infrarotstrahlung und schließlich, wenn sie schon stark abgebremst wurden, aus energieärmeren Radiowellen besteht.

Diese Radiowellen entstehen in sehr hoher Intensität und werden im Radioteleskop als helle Flecken, so genannte ’Hot Spots’ (englisch für ’Heiße Flecken’), sichtbar. Die Strahlung, die zu Beginn der „Bremsspur“ entsteht, war bislang nur in wenigen Fällen nachzuweisen – und dann meist in sehr schlechter Auflösung. Das ist den drei Astronomen Almudena Prieto, Gianfranco Brunetti und Karl-Heinz Mack nun erheblich besser gelungen: Durch lange Belichtungszeiten der Radiogalaxie 3C445 mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile konnten sie „Bremsstrahlung“ im Infrarot- und optischen Bereich nachweisen und ihre Ursprungsregionen auflösen – „eine echte Überraschung“, wie Professor Dr. Uli Klein vom Radioastronomischen Institut der Universität Bonn kommentiert. Damit konnten die Wissenschaftler erstmals exakt lokalisieren, wo die Schockbeschleunigung und der nachfolgende Energieverlust der relativistischen Teilchen in den Düsenstrahlen einsetzen.

Da die Forscher so den Beginn der „Bremsspur“ genauer orten konnten, wissen sie nun auch genauer, in welchem Bereich die enorme Beschleunigung stattfindet: In einem etwa 15.000 Lichtjahre großen Gebiet jenseits des ersten „Überschallknalls“ werden die Teilchen energetisch immer weiter „hochgeschaukelt“. „Dort scheint es zu starken Turbulenzen zu kommen, mit deren Hilfe die Beschleunigung stattfindet“, erklärt Dr. Mack, der momentan zu einem Forschungsaufenthalt in Bologna weilt. „Diese wiederum entstehen anscheinend durch die Düsenstrahlen selbst, während sie sich in das intergalaktische Medium ’bohren’.“ Die Entdeckung der drei Astrophysiker hat insofern weitreichende Konsequenzen für die Interpretation der Radiogalaxien.

Ansprechpartner:
Professor Dr. Uli Klein
Radioastronomisches Institut der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-3674
uklein@astro.uni-bonn.de

oder Dr. Karl-Heinz Mack
Telefon: 0039/051-6399373
E-Mail: kmack@astro.uni-bonn.de
mack@ira.cnr.it

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Frank Luerweg idw

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