Feuerwerk im Edelgascluster

Ein erstes Experiment am neuen „Freie-Elektronen-Laser“

Ein erstes Experiment an dem neuen „Freie-Elektronen-Laser“ (FEL) für weiche Röntgenstrahlung beim Helmholtz-Forschungszentrum DESY hat jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam in der Fachzeitschrift Nature (Bd. 420, S. 482-485 und S. 467) veröffentlicht. Anhand von winzigen „Klümpchen“ aus Edelgasatomen, so genannten Clustern, konnten die Forscher erstmalig die Wechselwirkung von Materie mit intensivem Röntgenlicht aus einem FEL auf extrem kurzen Zeitskalen untersuchen. „Wir benutzen die Edelgascluster als Modell-substanzen, um grundlegende Vorgänge zu verstehen, die für die spätere Untersuchung von technologisch interessanten Werkstoffen oder medizinisch wichtigen Biomolekülen mit dem Freie-Elektronen-Laser relevant sind“, erläutert Professor Jochen R. Schneider, Forschungsdirektor und Leiter des Hamburger Synchrotronstrahlungslabors HASYLAB bei DESY.

Der Freie-Elektronen-Laser bei DESY erzeugt hochintensives Laserlicht mit Wellenlängen unter 100 millionstel Millimetern, dem Bereich der weichen Röntgenstrahlung. Das sind die kürzesten Wellenlängen, die je ein FEL erzeugt hat. Die Spitzenleuchtstärke des neuen Lasers ist tausendfach höher als die der besten bisherigen Lichtquellen in diesem Wellenlängenbereich. Zudem ist ein Röntgenblitz des FEL ist nicht länger als 100 billiardstel Sekunden – das ist die Zeitdauer, in der sich chemische Bindungen ausbilden und Atome ihre Lage ändern. Damit lassen sich chemische Reaktionen direkt verfolgen.

In einem ersten Experiment waren es Cluster aus dem Edelgas Xenon, die mit dem intensiven Laserlicht bestrahlt wurden. „Was passiert, lässt sich mit einem „mikroskopischen Feuerwerk“ vergleichen“, so der DESY-Physiker Dr. Thomas Möller, der das Clusterexperiment geleitet hat und für seine Arbeiten mit dem Bjørn H. Wiik Preis 2002 ausgezeichnet wurde. „Die Edelgasatome geben, angeregt von den intensiven Röntgenlichtblitzen, mehr und mehr Elektronen ab und bilden ein Plasma. Es entstehen zum Teil sogar mehrfach elektrisch positiv geladene Atome, die den Cluster förmlich „explodieren“ lassen, weil sie sich gegenseitig abstoßen.“ Die Details dieser Explosion verraten den Wissenschaftlern grundlegende Gesetzmäßigkeiten der Wechselwirkung von intensiver Röntgenstrahlung mit Materie, die bisher noch nicht zugänglich waren. Weil die Strahlung aus dem Freie-Elektronen-Laser so intensiv ist, kann ein einziger Lichtblitz wesentlich mehr Informationen über die Struktur der Materie offenbaren als zuvor möglich war.

Ein Forscherteam von DESY, vom brasilianischen Forschungszentrum Laboratório Nacional de Luz Síncrotron und vom russischen Joint Institute for Nuclear Research hat das Experiment an dem Freie-Elektronen-Laser durchgeführt, der an einer 100 Meter langen Testanlage für das Zukunftsprojekt TESLA bei DESY betrieben wird. Diese wird derzeit ausgebaut – zum einen, um daran die Technologie für den TESLA-Linearcollider für die Teilchenphysik zu testen, zum anderen, um daran einen noch leistungsfähigeren Freie-Elektronen-Laser zu betreiben, der noch kurzwelligere Strahlung bis hinunter zu sechs Nanometern (millionstel Millimeter) erzeugt. Diese einzigartige Lichtquelle wird ab 2004 Wissenschaftlern aus aller Welt für ihre Experimente zur Verfügung stehen. Gleichzeitig dient sie als Pilotanlage für den TESLA-Röntgenlaser, der noch kurzwelligere Röntgenstrahlung im Bereich von 0,1 bis 1 Nanometer erzeugen soll.

TESLA steht für TeV-Energy Superconducting Linear Accelerator, also supraleitender linearer Beschleuniger für Tera-Elektronenvolt-Energien. Die Anlage umfasst einen 33 Kilometer langen Linearbeschleuniger, in dem Elektronen auf ihre Antiteilchen, die Positronen, stoßen sollen, sowie ein Röntgenlaserlabor. Das Besondere: Neuartige supraleitende Beschleuniger ermöglichen Teilchenkollisionen mit höchster Energie und dienen als Quelle für intensive und extrem kurze Röntgenblitze mit Lasereigenschaften. Die Forschungs- und Anwendungsgebiete reichen vom Aufbau der Materie und ihrer Entstehung im Urknall bis hin zur Erforschung von Werkstoffen und dem Ablauf der Lebensvorgänge. Mit einer Entscheidung über das TESLA-Projekt kann 2003 gerechnet werden. TESLA soll als internationales Zentrum gegründet und betrieben werden. Nach seiner Genehmigung und dem Ablauf des Planfeststellungsverfahrens könnte TESLA nach etwa achtjähriger Bauzeit den Betrieb Anfang des nächsten Jahrzehnts aufnehmen.

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