Auf der Suche nach schwarzen Löchern – "Blechkapseln" des Forschungszentrums Jülich schützen Detektoren im All
Schwarze Löcher sind rätselhaft und faszinierend für Laien und Wissenschaftler gleichermaßen. Noch haben sie viele ihrer Geheimnisse nicht preisgegeben, doch das soll der neue Satellit „Integral“ jetzt ändern: Mit bisher unerreichter Genauigkeit kann er exotische Himmelsobjekte orten und analysieren unter anderem mit „Augen“ aus hochempfindlichen Germanium-Detektoren.
Diese sind zum Schutz in eine vakuumdichte Kapsel aus Aluminium eingeschweißt, die Ingenieure des Forschungszentrums Jülich mitentwickelt und -konstruiert haben. Erste vielversprechende Bilder hat der Satellit bereits geliefert.
„Integral“, das INTErnational Gamma-Ray Astrophysics Laboratory, richtet seinen Blick bis zu mehrere Millionen Lichtjahre weit in die Tiefen des Alls ein Lichtjahr sind knapp zehn Billionen Kilometer. Seit dem Start vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan jagt der Satellit Gammastrahlen. Diese hochenergetischen Verwandten des sichtbaren Lichts zeugen beispielsweise von Sternenexplosionen oder von schwarzen Löchern, die einen Stern verschlingen. Für optische Teleskope wie das Hubble-Teleskop sind Gammastrahlen „unsichtbar“. Deshalb kommen an Bord von „Integral“ Germanium-Detektoren zum Zug: Sie sind die empfindlichsten Gamma-Schnüffler der Welt, müssen aber durch Aluminiumkapseln geschützt werden. Ein entsprechendes Verfahren, um solche Germanium-Detektoren zum Schutz vor äußeren Einwirkungen ultrahochvakuumdicht einzuschweißen, entwickelten Wissenschaftler des Instituts für Kernphysik (IKP) und der Zentralabteilung Technologie (ZAT) des Forschungszentrums Jülich, der Universität zu Köln und der französischen Firma Canberra Eurisys (damals noch Intertechnique) vor mehr als zehn Jahren. Mittlerweile sind die „hermetisch gekapselten Germanium-Detektoren“ patentiert und weit gereist: Während sie an Bord von „Integral“ nach schwarzen Löchern fahnden, messen ihre „Artgenossen“ bereits seit über einem Jahr Gammastrahlen auf dem Mars.
„Integral“ ist mit vier Instrumenten ausgerüstet, die ein Objekt gleichzeitig beobachten: Im 3 Meter hohen und 1,3 Tonnen schweren Spektrometer SPI messen die Germanium-Detektoren die Energie ausgesendeter Gammastrahlung beim sichtbaren Licht würde man von Farbe sprechen. „Im SPI sind 19 sechseckige Detektoren eingebaut. Zusammengenommen sehen sie aus wie ein Fliegenauge“, erklärt Hans Kämmerling, Diplom-Ingenieur an der ZAT des Forschungszentrums Jülich. „Die sechseckige Form haben wir gewählt, um die eigentlichen Detektoren in den Aluminiumkapseln nahe zusammenzubringen: So geht ihnen möglichst wenig Strahlung durch die Lappen.“ Marc Berst von der Firma Canberra Eurisys fügt hinzu: „Wir stellen die Germanium-Detektoren her, in Jülich werden sie ,luftdicht’ verpackt. Da wir diese Detektoren nicht beliebig groß herstellen können, müssen wir die Einzeldetektoren zu Clustern zusammenstellen. Die Zahl 19 ergibt sich als Kompromiss zwischen Detektor-Fläche je größer die Fläche, desto höher die Empfindlichkeit und Gewicht, das gerade bei Messinstrumenten an Bord von Satelliten ein begrenzender Faktor ist.“
Der Integral-Satellit kreist in einer stark elliptischen Bahn um die Erde, er entfernt sich dabei bis zu 153 000 Kilometer weit von der Erde und nähert sich ihr bis auf 9000 Kilometer wieder an. Das Besondere am neuen Instrument der Europäischen Weltraumorganisation (ESA): Die Wissenschaftler können „Integral“ genauer als bisherige Satelliten ausrichten und so die Quelle, die die Gammastrahlen aussendet, besser bestimmen. Gleichzeitig registrieren zwei Begleitinstrumente an Bord von „Integral“ sowohl die Röntgen- und als auch die sichtbaren Strahlen, die von der Quelle ausgehen. Als Testobjekt nahmen die Wissenschaftler Cygnus X-1 unter die Lupe, von dem viele glauben, dass es sich um ein schwarzes Loch handelt. Diese Prüfung haben alle Integral-Instrumente mit Bravour bestanden. Auch einen Gammastrahlenausbruch, Zeuge einer gewaltigen Explosion im fernen Universum, hat „Integral“ bereits „im Kasten“. Mindestens zwei, maximal fünf Jahre soll die Mission dauern, mit der die Wissenschaftler das Drehbuch des Universums möglichst genau verstehen wollen.
Informationen:
Dr. Renée Dillinger, Wissenschaftsjournalistin
Forschungszentrum Jülich, 52425 Jülich
Tel. 02461 – 61-4771 Fax 02461 – 61-4666
E-Mail: r.dillinger@fz-juelich.de
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