Astronomie – ’Rote Riesen’ und ’Weiße Zwerge’ am Himmel
Nacht für Nacht leuchten unzählige Sterne am Himmel. Ihr Funkeln hat die Menschen von jeher fasziniert. Dass Sterne nicht unbeweglich fest stehen, sondern vielmehr ’geboren’ werden und ’vergehen’, war noch bis vor einhundert Jahren kaum bekannt. Seit 1997 erforschen Wissenschaftler um den Tübinger Astrophysiker Prof. Klaus Werner Sterne im Endstadium ihres ’Lebens’ als so genannte ’Weiße Zwerge’ oder Neutronensterne.
Den Entwicklungsphasen der Sterne auf der Spur
Riesen und Zwerge gehören eigentlich ins Reich der Märchen. Sie sind jedoch auch am Himmel zu finden. Die Arbeitsgruppe ’Sternatmosphären’ vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen erforscht seit 1997 unter der Leitung von Prof. Klaus Werner das Leben der Sterne. Inzwischen ist bekannt, dass es zwei unterschiedliche Entwicklungen bei den kleinen und mittleren einerseits und den sehr schweren, massereichen Sternen andererseits gibt. Während erstere, zu denen auch unsere Sonne gehört, nach einem Stadium als ’Roter Riese’ ihre Entwicklung als ’Weißer Zwerg’ beenden, werden die sehr massereichen Sterne in ihrer Endphase zu Neutronensternen.
Das Ende eines massereichen Sterns mit bis zur hundertfachen Masse der Sonne, so haben Forscher herausgefunden, markiert eine Supernova -Explosion, durch die der Großteil der Sternmaterie fortgeschleudert und als Nebel am Himmel sichtbar wird. Als Sternüberrest verbleibt ein Eisenkern mit dem doppelten Gewicht der Sonne im Zentrum des Nebels, der schließlich unter seiner eigenen Last in sich zusammenfällt. Der kollabierte Kern bleibt als Neutronenstern zurück. Die Sonne als Beispiel für einen mittelgroßen Stern wird in etwa fünf Milliarden Jahren, wenn die vollständige Fusion von Wasserstoff zu Helium und später von Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff im Innern abgeschlossen ist, zunächst ihren Radius um etwa das Hundertfache vergrößern. Parallel dazu nimmt ihre Oberflächentemperatur stark ab, die Sonne wird zu einem so genannten ’Roten Riesen’. „In diesem Stadium befindet sich zur Zeit beispielsweise der Beteigeuze aus dem Sternbild des Orion“, erklärt Prof. Werner. Nach einem letzten Zünden der Helium-Fusion, so vermuten die Astrophysiker, verliert die Sonne schließlich ihre äußere Hülle. Der mit 200 000 bis 300 000 Grad extrem heiße Kern wird freigelegt und ein ’Weißer Zwerg’ entsteht. „Diese ’Sternleiche’ kann keine Energie mehr durch Kernfusionsprozesse erzeugen und kühlt daher in etwa einer Milliarde Jahren auf wenige tausend Grad ab“, erläutert Dr. Stefan Dreizler von der Arbeitsgruppe ’Sternatmosphären’.
Seit den 1950er-Jahren sind bisher etwa 3000 ’Weiße Zwerge’ entdeckt und in verschiedenen Lebensphasen beobachtet worden. Da ihre Helligkeit im Vergleich zum Beispiel zur Sonne nur gering ist, ist keiner davon mit dem Auge sichtbar. Selbst mit den größten Spiegelteleskopen von der Erde aus oder mit Weltraumteleskopen wie dem Hubble – Space – Telescope können sie nur bis zu einer Entfernung von einigen tausend Lichtjahren beobachtet werden. Vor zwanzig Jahren wurden erstmals ’Weiße Zwerge’ entdeckt, die nicht in das gängige Bild der Sternentwicklung passten. Diese Sterne haben am Ende ihrer Entwicklung ihre wasserstoffreiche Hülle vollständig abgestoßen. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Kiel, Bamberg und Hamburg haben die Tübinger in den letzten Jahren etliche solcher ungewöhnlichen ’Weißen Zwerge’ entdeckt, beobachtet und dabei neue Erkenntnisse über die Sternentwicklung gewonnen.
Über das Leben und Vergehen der Sterne
Wie Astronomen die Entwicklung ferner Himmelskörper verfolgen
Früher wurden Sterne als ein Bild der Ewigkeit wahrgenommen. Noch Johannes Kepler glaubte, als er 1604 Zeuge der letzten dokumentiertenSupernova – Explosion in unserer Milchstraße wurde, er habe soeben die Geburt eines Sternes miterlebt. „Tatsächlich markiert aber eine Supernova immer das Ende eines sehr massereichen Sternes“, erklärt Dr. Stefan Dreizler aus der Arbeitsgruppe ’Sternatmosphären’ vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen. Derzeit erforschen die Tübinger Astrophysiker unter der Leitung von Prof. Klaus Werner die Überreste der Sterne und deren frühere Entwicklungsstufen. Durch Spektralanalysen, die Auswertung der vom Stern ausgesandten elektromagnetischen Strahlung mit Hilfe aufwändiger Computersimulationen, wollen die Forscher mehr über Leuchtkraft, Masse, Radius und chemische Zusammensetzung der Sterne erfahren. Um Rückschlüsse auf die Entwicklung ziehen zu können, müssen Sterne in verschiedenen Stadien ihres Lebens beobachtet und in einen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang gebracht werden, da sich Sterne nur in Zeiträumen von Millionen bis Milliarden Jahren verändern.
„Geboren wird ein Stern aus Staub und Gas“, schildert Dreizler einen solchen Lebensanfang. Das Gemisch zieht sich unter dem Einfluss seiner eigenen Schwerkraft immer mehr zusammen. Indem die Gravitationsenergie in Wärme umgewandelt wird, steigt die Temperatur im Inneren des Sterns so weit an, dass Kernfusionsprozesse ablaufen. Damit können sie über einen sehr langen Zeitraum ihren Energiebedarf decken und für Milliarden von Jahren leuchten. Sterne mit einer Masse von weniger als einer halben Sonnenmasse erreichen das heutige Alter des Universums von etwa 15 Milliarden Jahren. Ein Stern mit der hundertfachen Masse der Sonne hat aber nur eine Lebensdauer von rund 10 Millionen Jahren. „Schwere Sterne“, macht Werner den Unterschied deutlich, „haben eine überproportional größere Energieabgabe als die weniger massereichen.“ Massereiche Sterne sind daher sehr hell und aus diesem Grund zu Beobachtungszwecken in entfernten Galaxien geeignet. Diese Sterne beenden ihr Leben mit einerSupernova – Explosion, bei der ein Überrest mit etwa dem doppelten Gewicht der Sonne zurückbleibt. Dieser fällt unter seinem eigenen Gewicht zusammen. „Der kollabierte Kern wird zum Neutronenstern, der nur noch einen Durchmesser von 20 Kilometern hat, aber zu Beginn mehrere Millionen Grad heiß ist“, fasst Werner die bisherigen Erkenntnisse über das Ende der massereichen Sterne zusammen.
Die Sonne selbst gehört zu den kleinen bis mittleren Sternen. Sie hat eine ’Lebenserwartung’ von etwa 10 Milliarden Jahren, von denen die Hälfte abgelaufen ist. Ihre Energie bezieht die Sonne aus der Kernfusion von Wasserstoff zu Helium. Wenn der Wasserstoff im Zentrum der Sonne verbraucht ist, kontrahiert das Sonneninnere so lange bis der Druck und die Temperatur ausreichen, um Helium in Kohlenstoff und Sauerstoff zu verwandeln. Parallel zur Kontraktion des Sonneninneren dehnt sich die Sonnenhülle stark aus. Die Oberflächentemperatur fällt dabei von heute etwa 6000 Grad auf 3000 Grad ab. Ist auch der Heliumvorrat im Inneren verbraucht, kontrahiert der Kern ein zweites Mal und die Sonnenhülle dehnt sich wiederum stark aus und erreicht gut das Hundertfache ihrer heutigen Größe, die Sonne wird zum so genannten „Roten Riesen“. In diesem Stadium befindet sich zur Zeit beispielsweise der Beteigeuze aus dem Sternbild des Orion.
Die stark ausgedehnte Hülle ist nur noch schwach an den Stern gebunden. Daher verliert der Stern seine äußere Hülle und der mit 200 000 bis 300 000 Grad unvorstellbar heiße Kern wird freigelegt. Die Materie, die der „Rote Riese“ in Form von Sternwinden verloren hat, wird nun durch den sehr heißen Reststern zum Leuchten angeregt und als farbiger, so genannter „Planetarischer Nebel“ sichtbar. Die Planetarischen Nebel gehören für Werner „zu den spektakulärsten Gebilden im All“. Der anfangs sehr heiße Kern verbleibt zunächst als Zentralstern in der Mitte des Planetarischen Nebels, der sich nach und nach verdünnt und schließlich ganz auflöst. Zurück bleibt ein so genannter „Weißer Zwerg“, bei dem die Kernfusionsprozesse zum Erliegen gekommen sind.
Das besondere Interesse der Tübinger Wissenschaftler gilt der Erforschung dieser ’Weißen Zwerge’. Nach heutigen Erkenntnissen „repräsentieren sie das Endstadium der Entwicklung für 95 Prozent aller Sterne“, so Dreizler. Die Tübinger Forscher wollen mehr über die Beschaffenheit dieser ’Sternleichen’ erfahren. Doch mit dem bloßen Auge oder einem Feldstecher ist nichts zu erreichen: Da Sterne in dieser Endphase nur noch sehr wenig Licht aussenden, benötigen die Forscher für ihre Beobachtungen die größten weltweit verfügbaren Teleskope. Mit dem Hubble-Weltraum-Teleskop, dem derzeit größten Teleskop im All, werden Spektren erstellt, auf denen die Intensitätsverteilung der Strahlung in Abhängigkeit von der Wellenlänge ablesbar ist. Mit Hilfe aufwändiger Computersimulationen lassen sich daraus Erkenntnisse über den Entwicklungszustand dieser Sterne gewinnen.
Aber nicht nur aus dem Orbit werden die Sterne beobachtet. Auch von der Erde aus sammeln die Astrophysiker Daten. Das Team um Prof. Werner nutzt für die Untersuchung von Himmelsobjekten vor allem das Großteleskop am spanischen Calar Alto, das einen Spiegeldurchmesser von dreieinhalb Metern hat und vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie in Zusammenarbeit mit der spanischen Kommission für Astronomie betrieben wird. Doch die Tübinger forschen auch an dem neuen Großteleskop der Europäischen Südsternwarte in Chile. Mit acht Metern Spiegeldurchmesser ist es eines der größten Teleskope weltweit. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Kiel, Bamberg und Hamburg haben die Tübinger in den letzten Jahren etliche ungewöhnliche ’Weiße Zwerge’ entdeckt, beobachtet und auf diese Weise neue Erkenntnisse über die Sternentwicklung gewonnen. Für ihre weiteren Untersuchungen können die Teleskope nicht groß genug sein. Die Tübinger hoffen auf den Bau von Spiegelteleskopen mit dreißig oder gar hundert Metern Durchmesser.
Nähere Informationen:
Prof. Klaus Werner, Tel. 0 70 71/2 97 86 01
Dr. Stefan Dreizler, Tel. 0 70 71/2 97 86 12
Institut für Astronomie und Astrophysik
Abteilung Astronomie
Waldhäuser Str. 64
72076 Tübingen
Fax 0 70 71/29 34 58
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